Was man bei Symposien beredet hat, das hält man am besten fest - in einem Protokoll oder gar einer ordentlichen Materialbroschüre. Das hat der Bund Deutscher Architekten (BDA) Sachsen jetzt getan mit dem, was bei einem Symposium am 22. März 2014 besprochen wurde. Da ging es um den Wilhelm-Leuschner-Platz und die seit mehreren Jahren nun kochende Frage: Wie weiter?

Zum Symposium hatten neben dem BDA auch der Bund Deutsche Baumeister (BDB), die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL), der Bund Bildender Künstler Leipzig (BBKL), der Deutsche Werkbund (DWB), das Stadtforum Leipzig und der Verein Pro Leipzig eingeladen. Die Stadt Leipzig selbst war auch eingeladen und präsentierte all das, was sie sich in der jüngeren Vergangenheit zu dieser riesigen Platzfläche ausgedacht hatte, auf der einst die Markthalle stand und der Königsplatz lag, bis die Bomben des 2. Weltkriegs das komplette Markthallenviertel in Trümmer verwandelten. Die Trümmer standen zwar noch einige Jahre. In einem ausführlichen Bildbeitrag in diesem Heft zum Symposium lässt Heinz-Jürgen Böhme vom Bund Bildender Künstler die Geschichte des Viertels Revue passieren.

Auch das Thema Freiheits- und Einheitsdenkmal wurde beim Symposium gestreift – aus Sicht der meisten Redner damals schon ein erledigtes Thema, auch wenn der Wettbewerb noch gar nicht offiziell beendet war. Im Vorderteil des Heftes kommen die diversen Verbände zu Wort, die sich in einem so ziemlich einig waren: Ein Denkmalswettbewerb auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz hat so lange keine Chancen, wie nicht wieder klare Stadträume definiert sind, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie dauerhaft sind. Heißt im Klartext: Bevor das Markthallenviertel nicht in neuer Form entwickelt wurde, ist jeder Denkmalswettbewerb auf dem westlichen Platzareal zum Scheitern verurteilt. Das war auch dem Wettbewerb um das Freiheits- und Einheitsdenkmal anzusehen.

Fast alle teilnehmenden Teams waren von der Doppelaufgabe, ein aussagekräftiges Denkmal und gleichzeitig eine sinnvolle Platzgestaltung zu finden, heillos überfordert. Einigermaßen gemeistert haben die Aufgabe am Ende tatsächlich nur jene drei Künstlergemeinschaften, die im Sommer 2012 dann auch von der Jury als Preisträger ausgewählt wurden. Aber unübersehbar hatten sie alle drei eher faszinierende Platzentwürfe als tatsächlich Denkmalsentwürfe abgeliefert. Dass der Wettbewerb dann am Ende per Stadtratsbeschluss endete, hat natürlich eigene Gründe, die mit dem großen leeren Platz im Herzen Leipzigs eher nichts zu tun haben.

2011 hatte die Stadt Leipzig nach einem Workshop eine Vision für den Ostteil des Platzes vorgelegt. Der eigentlich nicht zum Platz gehört, weil er die klassischen Bauareale zwischen Windmühlenstraße und Rossplatz, Markthallenstraße und Grünewaldstraße umfasst. Der Streit geht seither gar nicht so sehr darum, ob dieses Gebiet wieder bebaut werden soll, sondern um das Wie. Sollen es drei große geschlossene Baublöcke werden? Soll der Neubau der Markthalle auch den ursprünglichen Grundriss (samt Grundmauern) der alten Markthalle bekommen? Warum will die Stadt die Leplaystraße unbedingt bis zur Markthallenstraße verlängern?Aber ein wesentlicher Knackpunkt der Diskussion bleibt – auch nach Ende des Wettbewerbs – die Frage: Wie groß soll der Wilhelm-Leuschner-Platz tatsächlich werden? – Ein Protokoll im Heft skizziert die Debatte auch unter den Künstlern und Architekten. Und manche sehen die Erweiterung bis zur Markthallenstraße durchaus als lösbare Option (obwohl auch die Siegerentwürfe des Wettbewerbs gezeigt hatten, dass diese fast konturlose Platzfläche gestalterisch kaum zu bewältigen ist).

Mancher Diskutant sprach sich für zwei separate Gestaltungen aus – eine echte Platzgestaltung für den Wilhelm-Leuschner-Platz und eine eher parkähnliche Gestaltung für das Dreieck zwischen Markthallenstraße und der ehemaligen Raumkante des Königsplatzes, der mit dem heutigen Wilhelm-Leuschner-Platz im Wesentlichen identisch ist.

Zwei Gründe für diese Option sind heute unübersehbar: Sowohl das Eingangsbauwerk des Bowlingtreffs als auch der südliche Zugangspavillon des City-Tunnels ragen aus diesem Gelände heraus, müssten also irgendwie integriert werden, obwohl sich beide Bauwerke nicht in die ursprüngliche Raumkante einordnen.

Die Stadt hat mehrfach betont, dass sie den Bowlingtreff unbedingt erhalten möchte. Über den City-Tunnel muss man nicht mehr diskutieren. Da er zwischen Petersstraße und Windmühlenstraße unter dem Platz verschwenkt ist, nimmt auch die unterirdische Tunnel-Station einen großen Teil dieses Platzdreiecks ein. Man kann auf diesem von der Tunnelstation eingenommenen Gebiet oberirdisch im Prinzip nicht mehrstöckig bauen. Tatsächlich darf es dort mehr als eine normale Verkehrstraglast nicht geben.

Es sind also die architektonischen Herausforderung der jüngeren Zeit, die hier ein fast unentwirrbares Problem für Stadtgestalter geschaffen haben. Natürlich bleibt trotzdem noch Raum, um auch in diesem Platzdreieck zu bauen. Es braucht nur ein paar wirklich clevere Ideen, um auch Bowlingtreff und S-Bahn-Station so mit einzubinden in ein bauliches Ensemble, damit auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz tatsächlich wieder das Bild eines klar konturierten Stadtplatzes entsteht.

Ein wenig im Ungewissen waren die Diskutierenden noch, weil sie nicht wirklich wissen konnten, ob der Denkmalswettbewerb nun beendet wird.

Insofern ist das jetzt aus den Materialien des Symposiums zusammengestellte Heft wieder eine Diskussionsgrundlage. Auch für das, was die Verwaltung der Stadt im Jahr 2015 gern als Bebauungsplan beschlossen haben möchte. Als Gedanke aufgegriffen wurde schon die funktionale Erweiterung des A-Einkaufszentrums Leipziger City um das Gebiet. Ob deswegen tatsächlich neue Einkaufskolosse an dieser Stelle entstehen müssen, ist eine Frage, die durchaus dazu gehört. Denn indem Investoren in Leipzig in den letzten Jahren immer gleich komplette Quartiere gekauft und bebaut haben, ist die ursprüngliche Dichte und Kleinteiligkeit der Stadt weitgehend verloren gegangen. Aber braucht es überhaupt noch weitere Verkaufsflächen? Oder wäre das neue Quartier, das man mit gutem Recht Markthallenviertel nennen könnte, nicht die einmalige Chance, gleich am Promenadenring ein modernes, unverwechselbares Stadtquartier zu schaffen, das vor allem Wohnen und Arbeiten wieder integriert?

Zumindest zwei Punkte waren nach dem Symposium klar: In Fragen der Stadtgestaltung muss die Leipziger Stadtverwaltung endlich wieder mit den Fachverbänden enger zusammenarbeiten. Und es soll Folgesymposien geben. Denn all jene, die da im März zusammengesessen haben, haben ein gemeinsames Anliegen: Eine nachhaltig schöne Stadt. Sie fordern einen Teil jener Partizipation ein, von der in Leipzig gern geredet wird, die aber immer dann, wenn es wirklich wichtig ist, nicht zustande kommt.

Der BDA zum Symposium: www.bda-sachsen.de/aktuelles/meldungen/artikel/2014/05/12/rueckblick-stadtraum-leuschnerplatz-wie-bitte.html

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