Für FreikäuferWas ist eine Hauptstraße? Und was sollte besser keine sein? Darüber wird auch im Leipziger Stadtrat oft zu wenig debattiert, was jetzt der ADFC für ein Stück Straße thematisiert, wo Leipzigs Planer versuchen, irgendwie wieder eine Allzweckstraße zu konstruieren, die so im Alltag wohl nicht funktioniert. Es geht um den südlichen Zipfel der Gießerstraße zwischen Antonienstraße und Rolf-Axen-Straße.

Schon die Beschreibung in der Stadtratsvorlage zeigt, dass man es hier – anders als im nördlichen Abschnitt der Gießerstraße – ganz bestimmt nicht mit einer Hauptverkehrsstraße zu tun hat, eigentlich nur mit einer Anliegerstraße mit engem Querschnitt, die in den nächsten Jahren auch noch die wichtigste Verbindung zur neuen Grundschule an der Rolf-Axen-Straße werden wird. Was eigentlich bedeutet: Hier müsste zwingend genügend Platz für schwächere Verkehrsteilnehmer gesichert werden.

Die Beschreibung: „Der geplante Abschnitt der Gießerstraße hat eine Länge von 487 m. Die Gesamtbreite der Verkehrsflächen beträgt im Mittel 11,80 m. Der zukünftige Regelquerschnitt setzt sich aus den Einzelbestandteilen Fahrbahn, einseitigen Längsparkstreifen mit Baumscheiben und beidseitigen Gehwegen zusammen. Zur Führung des Radverkehrs werden keine gesonderten Anlagen vorgesehen. Radfahrer nutzen wie bisher die Fahrbahn.“

Das mit dem Radverkehr ist nicht das Problem, das der ADFC sieht. Aber die Einstufung der Straße ist aus der Sicht des Fahrradverbandes ein Problem: „Was zunächst so schön klingt, hat allerdings einen gewaltigen Haken. Die Gießerstraße ist im entsprechenden Abschnitt zwischen Hauswand und Hauswand nur 12 m breit und sie ist von der Stadt Leipzig im Hauptnetz als Erschließungsstraße eingestuft. Diese Funktion übernimmt die Gießerstraße im entsprechenden Abschnitt zwar weder heute noch zukünftig, aber durch das Festhalten an der Einstufung wird sie vermutlich eine Fahrbahnbreite von 6 m bekommen. Die Gehwege werden mit teils nicht mal 2 m entsprechend schmal.“

Es ist das alte, autozentrierte Denken der Leipziger Verkehrsplaner, das hier zum Tragen kommt und die Verkehrsbedingungen für alle Verkehrsteilnehmer nach dem 1,2 Millionen Euro teuren Umbau sogar verschlechtern wird. Es ist dasselbe närrische Denken, das auch andernorts im Straßennetz gerade die sensiblen Nadelöhre einengt. Das exemplarische Beispiel ist die innere Jahnallee, wo bei der Planung des Umbaus aus gutem Grund kein Parkplatz für Pkw vorgesehen war. Aber erst mal als „Test“, dann dauerhaft wurden beidseitig dieser vielbefahrenen Bundesstraße Dauerparkplätze eingerichtet, die nicht nur für regelmäßige Rückstaus bei jedem Konzert und jedem Fußballspiel im Sportforum sorgen, sondern auch Ursache für zahlreiche vermeidbare Verkehrsunfälle sind.

Und im nächsten Schritt sind solche verengten Zustände Futter für eine CDU-Stadtratsfraktion, die diese Straßenraumeinengungen dann als Argument gegen Radfahrer und Radwege benutzt.

In der Gießerstraße will man nun ebenfalls beidseitiges Parken zum Standard machen und damit auch die Bedingungen für Fußgänger und Radfahrer deutlich verschlechtern.

Schon wenn links ein bisschen "wild" geparkt wird, verengt sich der Straßenraum in der südlichen Gießerstraße deutlich. Foto: Ralf Julke
Schon wenn links ein bisschen „wild“ geparkt wird, verengt sich der Straßenraum in der südlichen Gießerstraße deutlich. Foto: Ralf Julke

Beim ADFC ist man ziemlich entsetzt darüber: „Obwohl der Stadtrat mit dem Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum (STEP VöR) bereits im Jahr 2004 eine Mindestbreite für Gehwege von 2,50 m festgelegt hat und die Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) seit 2006 auch 2,50 m Mindestmaß für Gehwege vorschreibt, wird auf Grund der Einstufung der Gießerstraße als Erschließungsstraße und der Wunsch nach beidseitigem Parken das Mindestmaß deutlich unterschritten. Neben dem Parken im Multifunktionsstreifen wird das Parken auch auf der anderen Fahrbahnseite zugelassen. Hierdurch verringert sich die nutzbare Fahrbahnbreite für den Fahrverkehr auf ca. 4 m. Das ist insofern absurd, da ausgerechnet die Begründung für die geringen Gehwegbreiten in der Durchlassfähigkeit und der Einstufung als Erschließungsstraße zu finden sind. Diese Gründe werden durch das beidseitige Parken jedoch ad adsurdum geführt. Entweder soll die Straße leistungsfähig sein oder es darf beidseitig geparkt werden. Beide Ziele schließen sich gegenseitig aus.“

Das hat irgendwie mit Mathematik und Geometrie zu tun. Denn wenn die Absicht umgesetzt wird, beidseitiges Parken zu ermöglichen, bleibt in der Mitte nur noch eine drei Meter breite Fahrspur, in die sich Autofahrer und Radfahrer teilen müssten.

Einseitiges Parken in mit Bäumen abgeteilten Parkbuchten aber wäre eindeutig sinnvoller, stellt der ADFC fest. Dann blieben nicht nur genügend breite Gehwege – auch und gerade für den Fußverkehr zur Schule – sondern auch zwei volle Fahrbahnen, auf denen der Verkehr in beide Richtungen rollen könnte.

Der ADFC hat seine Vorstellungen von einer gut aufgeteilten Straße auf seiner Homepage auch bildhaft gemacht.

Die Vorlage für den Stadtrat.

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Durch den geplanten Bau der Schule wird der Verkehr in der Gießerstrasse ja eher zunehmen.

Wenn dann auch noch beidseitiges Parken bei verengter Fahrbahn zugelassen wird, steht der Verkehr dort zu den Stoßzeiten still (und verpestet trotzdem die Luft).
Schon jetzt werden ja auf der stadteinwärtigen Seite die Gehwege so zugeparkt, dass es an ein Wunder grenzt, dass es dort nicht regelmäßig zu Verkehrsunfällen kommt.

Vielleicht sollte man die Verkehrsführung insgesamt überdenken und statt dessen die breitere Klingenstrasse intensiver nutzen?!

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