Die Einführung des Anwohnerparkens im Waldstraßenviertel ging ja mit einigem Geholper vor sich, denn mit der strikten Fixierung auf Bewohner mit Erstwohnsitz wurden nicht nur die ansässigen Gewerbetreibenden in eine Zwickmühle gebracht, Probleme bekamen auch die 160 Bewohner/-innen mit Nebenwohnsitz. Ihrer nahm sich der Stadtbezirksbeirat Mitte an. Doch der wird jetzt vom zuständigen Ordnungsdezernat eines anderen belehrt. Da gibt es nämlich einen Paragraphen.

Wie man zu den letztlich sehr eng ausgelegten Regelungen des Anwohnerparkens kam, beschreibt das Ordnungsdezernat jetzt in seiner Stellungnahme so: „Die Problematik des Zweit- bzw. Nebenwohnsitzes wurde schon im Vorfeld der Beschlussfassung zum Bewohnerparken im Waldstraßenviertel eindeutig geklärt. Hierbei wurden die vorhandenen Stellplätze im öffentlichen Verkehrsraum den im Waldstraßenviertel in der Stadt Leipzig zugelassenen Fahrzeugen gegenübergestellt.

Grundlage dafür sind die Ausführungen in der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) zur Erteilung von Bewohnerparkausweisen zum § 45 Abs. 1b Ziffer 2a der Straßenverkehrsordnung (StVO), der zur Einrichtung von Bewohnerparkbereichen ermächtigt. Dort wird vorgegeben: ,Einen Anspruch auf Erteilung hat, wer in dem Bereich meldebehördlich registriert ist und dort tatsächlich wohnt. Je nach örtlichen Verhältnissen kann die angemeldete Nebenwohnung ausreichen.‘“

Was ja eigentlich bedeutet: Auch Bewohner im Nebenwohnsitz könnten einen Parkausweis erwerben.

Aber dem ist nicht so, meint das Ordnungsdezernat: „Letzteres ist derzeit noch in den Bewohnerparkbereichen A und C der Fall. In den übrigen Bewohnerparkbereichen der Stadt Leipzig und eben in den neuen Bereichen E und F (Waldstraßenviertel) reicht aufgrund der örtlichen Verhältnisse nur der Hauptwohnsitz als Anspruchsvoraussetzung für die Erteilung eines Bewohnerparkausweises aus. Im Waldstraßenviertel bestand schon zum Zeitpunkt der Untersuchung zur Einrichtung der Bewohnerparkbereiche ein Missverhältnis zwischen den 3.038 vorhandenen Stellplätzen und den zum damaligen Zeitpunkt rund 3.500 nur in Leipzig in diesem Gebiet zugelassenen Fahrzeugen.“

Da dürfe man tatsächlich fragen: Wo standen alle diese Pkw vorher? Und wo stehen sie jetzt?

Kleiner Scherz am Rand: Die Zahl der im Waldstraßenviertel registrierten Pkw ist inzwischen sogar weiter gewachsen – auf über 3.600.

Das Ordnungsdezernat verweist jetzt auf den Stadtratsbeschluss zum Bewohnerparken im Waldstraßenviertel vom 22. August 2018, ein Beschluss, bei dem den Stadträten augenscheinlich das schöne Wort Hauptwohnsitz einfach durchschlüpfte, denn dort ist im Sachverhalt unter Punkt 3.1 ausgeführt:

„Generell sind folgende Grundsätze der Bewohnerparkregelung zu beachten: Bewohnerparkausweise können nur von Personen beantragt werden, die tatsächlich mit Hauptwohnsitz im Gebiet wohnen, dort amtlich gemeldet sind, über ein eigenes Fahrzeug, aber keinen privaten Stellplatz verfügen. Der Parkausweis wird maximal für ein Jahr für eine Gebühr von 30,70 € erteilt und kann um jeweils ein weiteres Jahr verlängert werden. Mit dem Parkausweis ist keine Garantie oder Reservierung eines öffentlichen Stellplatzes verbunden.“

Also keine Extrawurst für Bewohner im Nebenwohnsitz?

Das Ordnungsdezernat ist sowieso schon vergräzt, denn die 2018 beschlossene Regelung wurde ja 2019 noch einmal aufgeschnürt, weil die Gewerbetreibenden protestiert haben. Der Frust des Ordnungsdezernats liest sich jetzt so: „Mit der am 03.12.2019 beschlossenen Anpassung der Regelungen zum Bewohnerparken wurde unter anderem ermöglicht, dass rund 1.200 in dem Gebiet mit Hauptniederlassung registrierte Gewerbebetriebe zwei Ausnahmegenehmigungen zum dauerhaften Parken in den beiden Bewohnerparkbereichen erhalten können. Damit hat sich das oben beschriebene Missverhältnis weiter erhöht.“

Hat es nicht. Dazu genügt ein täglicher Spaziergang durchs Waldstraßenviertel: Die Straßen sind zwar voll beparkt, aber die Situation ist tagsüber nicht schlimmer als abends, denn tagsüber fahren ja viele Waldstraßenviertelbewohner auch zur Arbeit. Die Gewerbetreibenden sind abends meistens wieder weg.

Und erinnern muss man auch daran, dass es ursprünglich mit den ganzen Verkehrsregelungen rund um das Sportforum vor allem darum ging, das wilde Zuparken der angrenzenden Ortsteile bei Arena-Veranstaltungen oder Fußballspielen zu beenden. Was vor allem damit erreicht wird, dass die Zufahrtsstraßen bei Veranstaltungen polizeilich gesperrt werden. Das Anwohnerparken hat damit gar nichts zu tun.

Und den ehrlichsten Weg, den Parkdruck zu verringern, hat die Stadt in den vergangenen acht Jahren einfach nicht beschritten: Die Zugangsmöglichkeiten zum ÖPNV zu verbessern – samt leistungsfähiger Wendeschleife am Sportforum.

So gesehen ein einziger Eiertanz rund um einen rosaroten Elefanten, der grübelnd in der Ecke sitzt, aber von den Zauberkünstlern in der Verwaltung einfach nicht gesehen werden will. Oder mit den Worten des Ordnungsdezernats: „Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass die vorgetragenen Gründe nicht dazu führen, dass im Waldstraßenviertel – unter Nichtbeachtung des Verhältnisses von vorhandenen Stellplätzen und zugelassenen Fahrzeugen – für alle meldebehördlich registrierten Bewohner/-innen entsprechende Parkausweise erteilt werden.

Im Rahmen der Gleichbehandlung müsste diese Nichtbeachtung dann auch für alle anderen bestehenden und noch einzurichtenden Bewohnerparkbereiche der Stadt Leipzig gelten. Dementsprechend muss der Beschlussvorschlag, unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben zur Erteilung von Bewohnerparkausweisen, abgelehnt werden.“

Verwaltung schlägt Ablehnung der Petition zum Anwohnerparken im Waldstraßenviertel vor

Verwaltung schlägt Ablehnung der Petition zum Anwohnerparken im Waldstraßenviertel vor

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Es gibt 3 Kommentare

Nun ist die Katze aus dem Sack. Jetzt ist offiziell, dass es nie zur Befriedigung des Parkbedürfnisses (Haupt-, Nebenwohnsitz, Gewerbe) ausreichende Parkplätze gab/geben wird und das eklatante Parkproblem eigentlich nur zu Großveranstaltungen bestand. Gewerbe und Nebenwohnsitzler raus aus dem Viertel und die Stadt bekommt in 2021 von jedem Anspruchsberechtigten dann die 200 Euro im Jahr. Schöne Aussichten für das kulturell langweilige Schlafviertel der Fahrrad fahrenden Besserverdienenden ohne Kinder, die sich die Grundversorgung dann eben liefern lassen..

Es fehlt an Parkraum; zu viele Autos und zu wenig Stellplätze.
Wer sollte eine Priorität erhalten?
Für mich wäre der Hauptwohnsitz relevant!
Ob nun der Zweitwohnsitzinhaber Steuern zahlt (befürworte ich vehement) oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
Es ist ein Zweitwohnsitz und dieser damit “nicht so wichtig”.

Es wäre frech davon auszugehen, dass ich an meiner Zweitresidenz auch noch Anspruch auf einen Stellplatz vor meiner Wohnung hätte.
Immerhin nutze ich als Person eine Wohnung “zu viel” (und kann nur in einer Wohnung sein); jeder weiß um die Wohnungsknappheit!
Dabei spielen die Eigentumsverhältnisse keine Rolle.

Interessant wäre allerdings aber, ob es mit dem “Zweitwohnsitz” tatsächlich “wichtige” Personen oder Institutionen trifft?
Zweitwohnsitze sind privat – so mein Kenntnisstand. Es sollte also kein Rechtsanwalt oder keine Psychologin jammern…

Interessant wäre ja, wer von den 160 ‘Nebenwohnsitz’-Steuer in Leipzig bezahlt (und warum, wenn nicht):
https://www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/aemter-und-behoerdengaenge/behoerden-und-dienstleistungen/dienstleistung/zweitwohnungsteuer-52d549ff5c8a3/
Also, sich vielleicht auf eigenen Antrag nicht an den Kosten der Stadt Leipzig beteiligt:
“Beim kommunalen Finanzausgleich werden nur Personen mit Hauptwohnung berücksichtigt. Für eine Person mit Nebenwohnung erhält die jeweilige Gemeinde kein Geld, sie hat allerdings gewisse Mehrausgaben für Einrichtungen, die durch den Zweitwohnungsinhaber typischerweise nur sporadisch genutzt und damit nicht ausgelastet werden (bei Urlaubsregionen z. B. Schwimmbäder).”
https://de.wikipedia.org/wiki/Zweitwohnungsteuer

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