Auch Leipzig gehört zu den deutschen Großstädten, die die Chancen des Corona-Shutdowns fast völlig vergeigt haben, wenn man die provisorische Abmarkierung am Connewitzer Kreuz einmal außen vor lässt, über die sich Stadträtin Juliane Nagel (Die Linke) so freute. Alle anderen schnell umsetzbaren Verbesserungen für Radfahrer/-innen, die Leipzigs Umweltverbände vorgeschlagen hatten, wurden nicht umgesetzt. Auch nicht die in der Prager Straße.

Leipzigs Verwaltung meint dann gern, dort würden ja noch lange nicht genug Radfahrer unterwegs sein. Nur: Wie viele Leipziger vermeiden es aus purer Angst um ihre körperliche Unversehrtheit, diese Routen überhaupt mit dem Rad zu fahren?

Selbst die Umfragen der Stadt zur Mobilität zeigen Jahr für Jahr, dass die Umsteigebereitschaft aufs Rad hoch ist – aber dass gerade die Älteren und Unsicheren lieber nicht umsteigen, weil es an sicheren Radwegen mangelt. Da lohnt sich der Blick in die Auswertung der „Bürgerumfrage 2017“: Gleich an zweiter und dritter Stelle nennen die befragten Selten-Fahrer als Grund fürs Nicht-Fahrradfahren „Weg ist zu gefährlich“ (26 Prozent) und „kein Fahrradweg auf der Strecke“ (21 Prozent).

Gründe fürs Nicht-Radfahren. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2017
Gründe fürs Nicht-Radfahren. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2017

Auch das fehlende Stück auf der Prager Straße in Höhe Völkerschlachtdenkmal wartet schon lange darauf, endlich mit einem eigenen Radweg ausgestattet zu werden. 2018 war es großes Diskussionsthema im Leipziger Stadtrat. Die Radfahrer/-innen werden hier völlig gegen alle StVO-Vorgaben mit den Fußgängern auf einen viel zu schmalen Fußweg gelenkt.

Logisch, dass der Ökolöwe die Antwort der Leipziger Verkehrsbürgermeisterin Dorothee Dubrau auf seinen Brandbrief im April völlig daneben fand. Die Bürgermeisterin fand die Anlage von sicheren zusätzlichen Radwegen nicht nötig. Was umso seltsamer klingt, wenn man weiß, wie viele Stellen im Radnetz seit Jahren auf eine Entschärfung warten.

Die Stelle am Völkerschlachtdenkmal knöpft sich am Samstag, 23. Mai, die Leipziger Greenpeace-Gruppe vor, um hier einmal einen Pop-up-Radweg anzulegen.

Die Leipziger/-innen kennen das schon von ähnlichen Aktionen in der Inneren Jahnallee, in der Rödelstraße und kürzlich auch im Ranstädter Steinweg – alles Stellen, wo sich Leipzigs Verkehrsverwaltung seit Jahren sträubt, StVO-konforme Radwege anzulegen. Bei all den Aktionen wurde deutlich, dass eigene Radwege den Verkehr in keiner Weise ausbremsen. Im Gegenteil: Selbst einspurig kommen die Kraftfahrer hier flüssig durch.

Und so lädt die Leipziger Greenpeace-Gruppe am morgigen Samstag auch einmal zum Ausprobieren in die Prager Straße ein.

Der viel zu schmale Fuß(Rad)weg am Völkerschlachtdenkmal. Foto: Ralf Julke
Der viel zu schmale Fuß(Rad)weg am Völkerschlachtdenkmal. Foto: Ralf Julke

Im Statement dazu heißt es: „Immer mehr Menschen steigen aufs Fahrrad und schützen damit nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern auch das Klima. Doch in vielen deutschen Großstädten fehlt es an Platz für Fahrradfahrende und Fußgänger/-innen. Die neuen Abstandsregeln gegen Corona unterstreichen das. Weltweit verteilen Städte daher in der Pandemie ihren Straßenraum neu. Zuletzt erklärte Brüssel seine Innenstadt zur Tempo 20 Zone, in der Fußgänger/-innen und Radfahrende den Vortritt haben. Von Mailand bis Madrid werden Radwege eingerichtet, damit sich Menschen in sicherem Abstand bewegen können. Rechtlich ist das auch in Deutschland leicht möglich, dennoch hat hierzulande bisher nur Berlin Autospuren in Radspuren umgewandelt, sogenannte Pop-Up Radwege.“

„Die rechtlichen Möglichkeiten für sichere Radwege sind da, der Bedarf auch. Was fehlt, ist der politische Wille“, sagt Pauline Hübner, Sprecherin der Greenpeace Ortsgruppe Leipzig.

Damit sich in mehr Städten etwas tut, protestieren Aktivistinnen und Aktivisten von Greenpeace am Samstag in über 30 deutschen Städten für sichere, neue Radwege. In Leipzig richten sie dafür einen Pop-Up-Radweg am Völkerschlachtdenkmal ein. Dabei wird auf der Prager Straße, Höhe des Völkerschlachtdenkmals, stadtauswärts die rechte Fahrspur mit Baken abgetrennt und für Radfahrende geöffnet.

Und das ist auch bei Greenpeace keine außergewöhnliche Aktion. Denn auch dieser Umweltverband hat sich intensiv mit der Rolle des Verkehrs in der Klimapolitik der großen Städte beschäftigt. Insbesondere zu Pop-Up-Radwegen findet man eine entsprechende Analyse in der am Dienstag, 19. Mai, veröffentlichten Greenpeace-Kurzexpertise „Städtische Mobilität nach Corona: Auto-Kollaps oder Fahrrad-Boom“.

Der Greenpeace-Protest für bessere Radwege in Leipzig mit einem Pop-up-Radweg für den Corona- und Klimaschutz findet am Samstag, 23. Mai, von 10 bis 18 Uhr in der Prager Straße, Höhe Völkerschlachtdenkmal, statt.

Für den Leipziger Ökolöwen sind die Ausreden der Baubürgermeisterin inakzeptabel

Für den Leipziger Ökolöwen sind die Ausreden der Baubürgermeisterin inakzeptabel

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Keine Kommentare bisher

Kann es sein, dass gerade dieses Teilstück in der jüngsten Vergangenheit zumindest instand gesetzt wurde (asphaltiert, geebnet)?

Es mag zwar schmal sein, aber bei meiner letzten Fahrt dort “vermisste” ich die permantenen Baumwurzelschanzen und konnte recht eben rollen.

Nichts desto trotz gehört auf dieser Strecke, vor allem in Höhe der Friedhofseinfahrt, ein vernünftiger Radweg hin. An dieser Stelle wird man als Radfahrer regelrecht sabotiert!

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