Dem Ratsinformationssystem ist zwar nicht zu entnehmen, wer die Petition geschrieben hat. Dabei war das Anliegen eigentlich gut verständlich, das da formuliert wurde. Jeder weiß es, der im südlichen Leipziger Auwald unterwegs ist: Je näher man an der Bundesstraße 2 unterwegs ist, umso lauter dröhnt der Verkehrslärm durch den Wald. Das macht nicht nur den menschlichen Aufenthalt im Wald sehr stressig.

Die Petition liest sich wie ein Appell an die Leipziger Stadträtinnen und Stadträte, sich auch einmal wieder als ganz normale Mitbürger/-innen zu verstehen, der im Auwald spazieren gehen möchte:

„Liebe Mitbürger(innen),

zu den wichtigsten Naherholungsgebieten Leipzigs zählt der Auwald. Außerdem handelt es sich um ein Landschaftsschutzgebiet, welches auch Naturschutzgebiete umfasst. Aufgrund der Nähe zur Bundesstraße B2 und dem Schleußiger Weg im Süden Leipzigs ist nahezu im gesamten Gebiet des südlichen Leipziger Auwalds Verkehrslärm hörbar. Dieser stört nicht nur Menschen, sondern auch die Tierwelt.

Die sporadisch angebrachten Lärmschutzwände sind eher als Placebo zu bezeichnen. Mit Hilfe dieser Petition soll erreicht werden, dass wirksame, flächendeckende Lärmschutzmaßnahmen geprüft und umgesetzt werden, um die Lebensqualität für Menschen und Natur zu erhöhen – als Nebeneffekt erhöht effektiver Lärmschutz den Wert bzw. die Eignung von Wohnimmobilien.“

Das Thema ist nicht ganz neu. Das sorgte schon 2012 für Diskussionen, was dazu führte, dass ein Abschnitt an der Teichstraße letztlich eine Lärmschutzwand bekam. Aber da ging es überhaupt nicht um den Auenwald, sondern nur um die dort direkt von Verkehrslärm betroffenen Anwohner.

Und so erklärt es jetzt auch das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport in seiner Stellungnahme zur Petition: Lärmschutz ist im deutschen Recht vor allem für Menschen vorgesehen. Nicht für Tiere – egal, ob es Verkehrslärm betrifft oder Silvesterböllerei.

Zwar hat Leipzig im neuen Lärmaktionsplan „ruhige Gebiete“ definiert, zu denen auch der Auwald gehört. Aber es gibt in diesem Plan keinen Ansatz, der den Lärmschutz der als ruhig definierten Gebiete betrifft.

Das Umweltdezernat formuliert seine Ablehnung zur Petition so: „Nach § 47 d Bundes-Immissionsschutzgesetz hat die Stadt Leipzig ihren im Jahr 2013 erstmalig erstellten Lärmaktionsplan alle fünf Jahre zu überprüfen und erforderlichenfalls zu überarbeiten. Eine erste Fortschreibung wurde am 29. April 2020 in der Ratsversammlung beschlossen.

Inhalt der Lärmaktionsplanung ist u. a. auch der Schutz ruhiger Gebiete. Die Stadt Leipzig hat neben anderen Flächen auch den Auwald in verschiedenen Teilen als ruhige Gebiete festgelegt und zudem Maßnahmen zum Schutz in der 1. Fortschreibung des Lärmaktionsplans definiert. Dazu gehören beispielsweise die Berücksichtigung der ruhigen Gebiete im Rahmen aller Planungen der Stadt Leipzig oder auch die Schaffung von Sichtbarrieren zwischen ruhigen Gebieten und angrenzenden Lärmquellen.“

Die Herstellung von mehr Ruhe in den ruhigen Gebieten ist nicht vorgesehen, betont das Dezernat. Nur lauter soll es dort nicht werden: „Zentraler Schwerpunkt ist das Verschlechterungsverbot für ruhige Gebiete.“

Und das heißt auch für die B2 im südlichen Auwald: „Die Errichtung von Lärmschutzwänden ist generell nicht vorgesehen. Dies hat seinen Grund vor allem darin, dass bei der Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen auf die Verhältnismäßigkeit zu achten ist. Das heißt, Maßnahmen in Gebieten mit Wohnbebauung, einer hohen Betroffenenzahl und einer hohen bis sehr hohen Lärmbelastung sind prioritär zu entwickeln und umzusetzen.

Hinzu kommt, dass die Errichtung von Lärmschutzwänden sehr kostenintensiv und oft mit erheblichem planerisch zu bewältigenden Konfliktlagen verbunden ist. Als Beispiel sei hier die 340 m lange Sichtschutzwand an der B2 Süd (Bereich Teichstraße) genannt, bei der die Baukosten im Jahr 2012 rund 375.000 Euro betrugen. Aus Sicht des Lärmschutzes sind vorrangig Maßnahmen umzusetzen, die ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen und von denen eine vergleichsweise hohe Zahl an Betroffenen in ihren Wohnungen und Häusern profitiert.“

Was durchaus ein Argument ist und darauf verweist, dass Lärmschutzwände eigentlich nur ein Problem mindern, es aber nicht lösen. Denn überall im Stadtgebiet ist Verkehrslärm die Hauptbelastungsquelle. Und das vor allem, weil nach wie vor lauter Verbrenner dominieren und gerade überhöhte Geschwindigkeiten den Lärmpegel deutlich steigen lassen. Eine Stadt, in der z. B. nur Elektrofahrzeuge unterwegs wären, wäre um einiges leiser und würde wahrscheinlich auch keine Lärmschutzwände benötigen.

Die Juli-Debatte um das vom Bundesrat geforderte Sonntagsfahrverbot für Motorräder hat gezeigt, wie wenig die aktuelle Bundesregierung geneigt ist, das Problem tatsächlich an der Wurzel zu packen und wirklich akzeptable Lärmgrenzwerte etwa für Motorräder einzuführen.

Auch die Lärmaktionspläne der Kommunen, die so nach Action klingen, haben mit aktiver Lärmminderung nichts zu tun. Sie versuchen nur, die allerschlimmsten Auswirkungen eines Lärms zu mindern, den die Bundespolitik nicht zu regeln bereit ist. Was übrigens auf den Flugzeuglärm genauso zutrifft.

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