Am 18. September ist wieder PARK(ing) Day. Dann verwandeln sich im Stadtgebiet von Leipzig wieder Dutzende Stellplätze in bunte Oasen, Orte, an denen verschiedenste Initiativen zeigen, was man mit Straßenraum alles anstellen kann, wenn mal keine Autos darauf herumstehen. Ein besonderes Projekt könnte es diesmal in Schleußig geben, denn dort soll sich eine von der Stadt bislang verteidigte Parkplatzreihe temporär in einen Radweg verwandeln.

Ein Thema, das schon zwei Mal den Stadtrat beschäftigte. 2014 wurde der damalige Vorstoß von Stadtrat Mathias Weber vom Planungsdezernat einfach abgebügelt mit dem Hinweis, dass die Gelder für den Komplettumbau der Könneritzstraße schon verplant und eingetaktet seien. Das könne man nicht wieder aufschnüren, so damals Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau. Woraufhin Mathias Weber seinen Antrag zum Radweg an der Haltestelle Holbeinstraße wieder zurückzog.

Was an dem Problem nichts änderte. Denn auch nach dem Umbau der Könneritzstraße landen Radfahrende hier in einer unübersichtlichen Situation, kommen dabei auch der Straßenbahn gefährlich nah. Was die Grünen-Fraktion 2018 zum Anlass nahm, den Umbau der Haltestelle zu beantragen.

Wofür sie diesmal sogar Zustimmung durch das Baudezernat erhielten, das in seiner Stellungnahme schrieb: „Die Probleme bzgl. des Haltestellentyps und des erforderlichen schiefwinkligen Querens der Schienen durch Radfahrer sind der Stadtverwaltung bekannt. Ein Umbau der landwärtigen Haltestelle Holbeinstraße zu einer Kap-Haltestelle mit angehobener Radfahrbahn analog der Haltestellen Rödelstraße und Stieglitzstraße, bei der das schiefwinklige Queren der Schienen vermieden werden kann, ist grundsätzlich möglich. Die Straßenbahnhaltestelle ist eine Anlage der LVB GmbH. Bezüglich einer Umsetzung eines entsprechenden Umbaus der Haltestelle hat deshalb die Stadt Leipzig bereits im Rahmen der Baumaßnahme Könneritzstraße bei der LVB GmbH nachgefragt.“

Es war ein typischer Fall von jahrelangen Planungen, bei denen am Ende niemand darauf achtete, dass solche gefährlichen Details noch geändert wurden, bevor man den Förderantrag einreichte. Das Ergebnis ist eine Haltestelle, bei der sich so ungefähr alle Verkehrsteilnehmer ins Gehege kommen.

Und das Problem ist: Solche geförderten Umbauten haben 25 Jahre Bestandsschutz.

Aber noch zehn Jahre eine derart gefährliche Situation?

Das findet der Grafiker Thomas Puschmann aus Schleußig nicht gerade ermutigend. Also will er den ParkingDay am 18. September dazu nutzen, gemeinsam mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub an dieser Stelle zu zeigen, wie eine Lösung für die Radfahrer/-innen hier schon 2014 hätte aussehen können, als sich die Stadtplaner mit Händen und Füßen gegen eine Projektänderung sträubten.

„Zusammen mit dem ADFC werde ich den Radstreifen Haltestelle Holbeinstraße für zwei Stunden (15 bis 17 Uhr) real erlebbar machen. Als Zusatz gibt es Tischtennis mit www.movingpingpong.de auf der Fläche hinter der Haltestelle“, kündigt er an.

#MehrPlatzfürsRad heißt die Aktion, die in der Könneritzstraße vor der Haltestelle Holbeinstraße aus Richtung Klingerweg kommend (Könneritzstraße 14) stattfindet.

Dass der Grünen-Antrag 2018 auf einmal die Zustimmung des Planungsdezernats erhielt, hat auch mit einem der tragischen Radfahrerunfälle zu tun, die sich in den letzten Jahren in Leipzig mehren.

„Nach einem Unfall einer Fahrradfahrerin 2017 hatte ich mich erstmals an das Verkehrs- und Tiefbauamt Leipzig, an Bündnis 90/Die Grünen und den ADFC Leipzig mit der Bitte gewandt, die Verkehrssicherheit an dieser Stelle zu verbessern“, berichtet Thomas Puschmann. „Daraus ergab sich, dass Bündnis 90 / Die Grünen einen Antrag in den Stadtrat einreichte und dafür auch die Zustimmung bekam.“

Und eigentlich wollte das Planungsdezernat auch gleich 2018 prüfen oder vielmehr die LVV prüfen lassen, ob die Fördergeld-Bindungsfrist aufgehoben werden könnte.

#MehrPlatzfürsRad am 18. September in der Könneritzstraße. Grafik: Thomas Puschmann
#MehrPlatzfürsRad am 18. September in der Könneritzstraße. Grafik: Thomas Puschmann

„Dazu ist dem Stadtrat innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung Bericht zu erstatten und im Falle eines positiven Verhandlungsergebnisses sind durch die LVB GmbH in Abstimmung mit der Stadtverwaltung umgehend entsprechende Planungen für einen entsprechenden Umbau der Haltestelle zu beauftragen, um eine zeitnahe Realisierung zu ermöglichen“, so das Planungsdezernat.

„Vonseiten der LVB GmbH ist zu prüfen, inwieweit eine Einordnung dieses Vorhabens zusätzlich zu den bisher im Wirtschaftsplan der LVB GmbH eingestellten Maßnahmen im Jahr 2018 gewährleistet werden kann.“

Ganz so schnell waren die Behörden dann doch nicht, weshalb die Grünen im Februar 2020 noch einmal nachfragen mussten und tatsächlich eine positive Antwort erhielten.

„Die erarbeitete Vorplanung sieht den Umbau der landwärtigen Straßenbahnhaltestelle Holbeinstraße zu einer Kaphaltestelle mit angehobener Radfahrbahn analog den im Zuge der Könneritzstraße weiter südlich liegenden Haltestellen (Stieglitzstraße, Rödelstraße) vor“, teilte das Dezernat Stadtplanung und Bau mit.

„Mit dieser Lösung kann das bisherige Defizit, dass Radfahrer die Straßenbahnschiene schiefwinklig queren müssen, beseitigt werden. In der Zufahrt zur Haltestelle ist es aus Sicht der Stadtverwaltung hinsichtlich des Sicherheitsaspekts erforderlich, ab der Einmündung Ernst-Mey-Straße einen Radfahrstreifen zu markieren, dessen Einordnung den Wegfall von ca. 10 PKW-Stellflächen bedingen würde. Die Planung sieht die Einordnung einer Andienungsfläche und von 2 PKW Stellflächen im Seitenraum vor.“

Also genau das, was am (PARK)ing-Day am 18. September erstmals zu erleben sein kann, auch wenn Thomas Puschmann sich über den langen Stillstand wundert: „Da bislang keine Veränderungen stattgefunden haben, habe ich mich entschlossen, die Idee des fehlenden Radstreifens real aufzuzeigen.“

Vorbeigucken lohnt sich also am 18. September. Eine Umsetzung für die Umbaupläne sah das Planungsdezernat im Frühjahr jedenfalls im Jahr 2021 für möglich an: „Im März/April 2020 ist die Bestätigung der Vorzugsvariante innerhalb der Stadtverwaltung vorgesehen. Danach soll die Vorstellung der Planung im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau (FA SB) und anschließend in einer öffentlichen Sitzung des Stadtbezirksbeirats Südwest (SBB SW) erfolgen.

Wenn es im Rahmen der o. g. Beteiligungen keine grundlegenden Einwände gibt, kann auf Basis der erstellten Vorplanung mit der Erarbeitung der Entwurfsplanung begonnen werden. Auf Basis der bestätigten Entwurfsplanung muss dann von Seiten der LVB GmbH die Abstimmung des erforderlichen Baurechts- bzw. Planfeststellungsverfahrens mit der Landesdirektion Sachsen (LDS) erfolgen.“

Man ahnt, warum Planungsprozesse in Leipzig so lange dauern und Radfahrende durchaus das Gefühl haben dürfen, dass das alles elend lange dauert.

„In Abhängigkeit vom Umfang des von der LDS festgelegten Verfahrens ist unter Berücksichtigung der darauffolgenden Schritte (Ausführungsplanung, Ausschreibung) und unter Voraussetzung der im Haushalt der Stadt zur Verfügung stehenden Finanzmittel mit einem Baubeginn frühestens 2021 zu rechnen“, so das Planungsdezernat.

Informationen zum (Park)ing-Day 2020 hält der Ökolöwe auf seiner Homepage parat.

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