Es war ein langer Lernprozess vom ersten Förderbescheid für das Projekt „Lebendige Luppe“ im Jahr 2011 bis zu jenem Thesenpapier Leipziger Wissenschaftler, das im November gemeinsam mit Naturschutzbehörden und dem zuständigen Leipziger Amt entstand und das erstmals in einem gemeinsamen Papier aufzeigt, wie groß der Handlungsbedarf in der Leipziger Elsteraue tatsächlich ist. Das Projekt „Lebendige Luppe“ verschwindet damit nicht. Und 2021 wird tatsächlich das erste Teilstück gebaut.

Nicht die Luppe selbst, die mit ihren Altarmen in der Burgaue noch sichtbar ist. Das wird ein späteres Projekt, zu dem die Planungen noch nicht fertig sind.

Andererseits läuft die vom Bundesamt für Naturschutz gesetzte Förderperiode aus. Um die Fördergelder nicht zu verlieren, muss tatsächlich losgebaut werden. Aber das kann nur mit einem Teilprojekt passieren, das zwar noch nicht die großflächige Flutung der Burgaue ermöglicht, aber den Wasserzufluss von Süden her verbessert.

Im Juli hat der Stadtrat das schon – mit einigen nicht ganz unwichtigen Änderungen – beschlossen. Denn eines war auch da schon klar: Die Herstellung der Bauabschnitte 1 bis 3 des (neuen alten) Luppelaufs auf 16 Kilometern muss sich in das Auenentwicklungskonzept einfügen, dessen Erstellung der Stadtrat auf Antrag der Grünen-Fraktion im Mai beschlossen hat.

Sage niemand, in diesem seltsamen Jahr 2020 sei nichts Nennenswertes passiert. In Sachen Elsteraue jedenfalls ist tatsächlich so etwas wie ein Schalter umgelegt worden.

Was auch mit dem seit 2019 amtierenden sächsischen Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) zu tun hat, der die Leipziger Diskussionen ja auch aus eigenem Erleben als Anwalt und Landtagsabgeordneter kennt. Da hat er sich oft darüber gewundert, warum all die beteiligten Instanzen, die ja irgendwie alle dasselbe Ziel erreichen wollen, über Jahre stur aneinander vorbei gearbeitet haben, oft sogar grimmig gegeneinander gearbeitet haben. Das Thesenpapier im November entstand dann auf sehr freundliche Einladung des Umweltministers an alle Beteiligten hin.

Obwohl alle auch vorher schon wussten, dass die Leipziger Auenlandschaft stirbt, regelrecht vertrocknet – und zwar nicht erst mit den drei letzten regenarmen Jahren, sondern seit den 1930er Jahren, seit die Neue Luppe als Hochwasserableiter gebaut wurde und der Auenwald regelrecht abgeschnitten wurde – nicht nur von den Hochwassern, die seit Jahrtausenden seinen Charakter geprägt haben, sondern sogar vom Grundwasser, denn Nahle und Neue Luppe sind so tief eingeschnitten, dass sie dem Wald das Wasser regelrecht entziehen.

Auch die Nahle ist so tief eingeschnitten, dass sie dem Auwald das Wasser entzieht. Foto: Ralf Julke
Auch die Nahle ist so tief eingeschnitten, dass sie dem Auwald das Wasser entzieht. Foto: Ralf Julke

Und schon mit den ersten Simulationen zur „Lebendigen Luppe“ wurde klar, dass man zwar die alten Flussläufe durchaus wiederherstellen könnte – aber man würde trotzdem kein Wasser hineinbekommen. Ohne eine Gesamtbetrachtung der gesamten Nordwestaue und einer deutlichen Veränderung des Wasserregimes ist eine Revitalisierung der alten Flussläufe undenkbar.

Wie genau die aussehen kann, werden wir wohl 2023 erfahren, wenn im Projekt „Lebendige Luppe“ das vom Stadtrat beauftragte Auenentwicklungskonzept steht.

Das wird künftig auch vorgeben, was aus dem seit 2011 geplanten Projekt „Lebendige Luppe“ künftig umgesetzt wird. Denn im Juli beschloss der Stadtrat auch die entscheidenen Punkte:

„a) Die Ausrichtung des Projektes Lebendige Luppe wird konsequent mit den parallel zu erarbeitenden Erkenntnissen des integrierten Auenentwicklungskonzeptes abgestimmt.

b) Die Maßnahmen des Projektes Lebendige Luppe müssen als zentrale Weichenstellung für eine mittelfristige bis langfristige Umsetzung des integrierten Auenentwicklungskonzeptes wirken.

c) Vorbehaltlich der Zustimmung des BfN werden Ressourcen im Projekt Lebendige Luppe auch für ein aktives Offenhalten von Randbedingungen für das Gesamtkonzept z. B. der Mitwirkung von tangierenden Verfahren (z. B. Erweiterung Klärwerk), Infrastrukturmaßnahmen (z. B. Brücken) oder beim NATURA 2000-Gebietsmanagement genutzt.“

Weshalb die eigentliche „Lebendige Luppe“ vorerst zurückgestellt ist (mit Planungen bis 2023) und im Herbst 2021 der eigentlich geplante Bauabschnitt 4 vorgezogen wird: „Bauabschnitt 4 war von Beginn an ein Bestandteil des Projektes ,Lebendige Luppe‘, sollte aber als Bauabschnitt 4 zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden. Auf Grundlage der aktuellen Erkenntnisse hat sich dieser Bauabschnitt nunmehr als vergleichsweise zeitnah und sinnvoll umsetzbarer erster Umsetzungsbaustein erwiesen.

Aus diesem Grund und in Hinblick auf die auslaufende Förderung (2023) soll dieser Abschnitt im Bereich des Altlaufes des Zschamperts als s. g. Bauabschnitt 4 der ,Lebendigen Luppe‘ vorerst einzeln weitergeplant werden. Es ist vorgesehen, für diesen Bauabschnitt in der zweiten Jahreshälfte 2020 die Planfeststellungsverfahren zu beantragen und nach Vorlage des Baurechtes bis 2023 die Realisierung abzuschließen.“

Der „Fließtext“ des Projekts „Lebendige Luppe“ beschreibt die Zschampert-Geschichte so: „Der Zschampert ist ein Bach, der entlang der Stadtgrenze zwischen Leipzig und Schkeuditz verläuft. Ursprünglich entsprang er bei Seebenisch (südlich von Kulkwitz) – ausgedehnte, artenreiche Auenwiesen, Moore und der benachbarte Bienitz (flacher bewaldeter Hügel im Nordwesten Leipzigs) charakterisierten die Niedermooraue des Zschamperts. Diese wurde beginnend mit dem Braunkohleabbau Mitte des 19. Jahrhunderts nach und nach zerstört.

Der Zschampert wurde begradigt, befestigt und schlussendlich aus Hochwasserschutzgründen verlegt, sodass er heute in die (südliche) Alte Luppe fließt und nur noch temporär Wasser führt. Im Projekt Lebendige Luppe, gefördert durch das Bundesprogramm Biologische Vielfalt, ist daher eine Rückverlegung des Zschamperts in sein historisches Bett und eine Verstetigung der Wasserführung durch Wasser aus dem Elster-Saale-Kanal vorgesehen.“

Und was die Baumaßnahmen erreichen sollen, liest sich so: „Das Leitbild für die Planungen am Zschampert stellt ein lösslehmgeprägter geschlängelter bis mäandriender Tieflandbach dar. Zukünftig wird er ab dem Grünen Winkel (siehe Abbildung) wieder dem natürlichen Verlauf folgend in die Wildbettluppe münden. Eine Wassermenge von ca. 0,02m3/s wird dabei kontinuierlich aus dem Saale-Elster-Kanal abgeschlagen und von dort durch den Zschampert fließen.

Dadurch wird der Zschampert auch im Sommer permanent Wasser führen und somit wieder ein Lebensraum für verschiedene vom Fließgewässer abhängige Tiere, wie zum Beispiel für die stark vom Aussterben bedrohte Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale). Bei Starkregenereignissen wird der Zschampert ab Wassermengen von 0,2 m³/s bis 3,58 m³/s (entspricht einem HQ 5) über die Ufer treten und den Hartholzauwald mit Wasser versorgen. Um dies zu erreichen, wird die Morphologie des historischen Bachbettes entsprechend verändert.“

Losgebaut werden soll ab Herbst 2021.

Und tätig werden kann man auch am Burgauenbach: „Es sieht vor, in Ergänzung des plangenehmigten und realisierten Gewässerausbaus des Burgauenbachs die Verwallungen (durch Aushubmaterial) im Uferbereich zurückzubauen, Seitenarme und Überflutungsflächen wieder anzuschließen, die Regulierung des Lichteinfalls mittels Gehölzentnahme sowie durch die endgültige Unterbindung der illegalen Kurzschlüsse des Burgauenbaches mit den Lachen an der Waldspitze den Auenlebensraum Burgauenbach sowie die Waldspitzlachen aufzuwerten“, wird die Maßnahme beschrieben, die einige Fehler aus den Burgauenbach-Modellierungen der 1990er Jahre korrigiert. Denn die damals künstlich geschaffenen Wälle verhindern, dass bei Hochwasser das Wasser wirklich breit in die Aue fließt.

„Die Gesamtkosten (BK + BNK) für diesen Bauabschnitt werden derzeit auf 948.906 € (Brutto) geschätzt“, hieß es in der Vorlage von Juli, wo auch noch rund 3 Millionen Euro eingeplant wurden, mit denen die Planungen für den eigentlichen Verlauf der „Lebendigen Luppe“ bis 2023 vorangetrieben werden sollen.

All das unter der Voraussetzung, dass sich diese Maßnahmen nahtlos in das Auenentwicklungskonzept einfügen.

Mit den Baumaßnahmen am Zschampert soll zumindest schon mal ein bisschen mehr Wasser in die Aue kommen – direkt aus dem Elster-Saale-Kanal.

Die Bau- und Planungsmaßnahmen werden vom Bundesamt für Naturschutz gefördert. Damit die städtischen Anteile abgerufen werden können, stehen die 4,8 Millionen Euro deshalb auch in den Haushaltsplanungen für 2021/2022, denen der Stadtrat ja bis März noch zustimmen muss.

„Die Gesamtkosten dieses Beschlusses betragen 4.801.808 €. Davon entfallen auf
– den Projektbaustein „Lebendige Luppe“ 4.658.266 €,
– auf den Projektbaustein „Zschampert Süd“ 143.542 €.
Der städtische Anteil beträgt für beide Projektbausteine in Summe 722.031 €.“

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