Spätestens seit der von vielen Medien als „Flüchtlingskrise“ bezeichneten Migrationsbewegung im Jahr 2015 ist auch das neurechte „Compact“-Magazin von Chefredakteur Jürgen Elsässer in aller Munde. Es hetzt gegen Geflüchtete, verbreitet Verschwörungstheorien und wirbt offensiv für die AfD. Am 25. November soll in Leipzig eine Konferenz stattfinden, unter anderem mit Pegida-Gründer Lutz Bachmann, Geschichtsrevisionist Björn Höcke und Martin Sellner von der Identitären Bewegung. Ein Bündnis aus Parteien, Gewerkschaft, Kirche, Antifa-Gruppen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren möchte dies verhindern.

Wenn ich in diesem Jahr meine Informationen nur aus „Compact“ bezogen hätte, was wäre dann mein Eindruck vom Weltgeschehen?

Steven Hummel: Man hätte ein ziemlich düsteres Bild von der Welt. Dort ist immer vom Untergang, irgendeiner Verschwörung und anderen schlimmen Dingen die Rede, vor denen uns – wer auch immer das sein mag – niemand beschützt. In der Zeitschrift spielen viele Aspekte eine Rolle, zum Beispiel der Islam, der die deutsche Kultur bedrohe, oder Politiker, die nicht im Interesse des Volkes handeln würden. Implizit steckt immer der Aufruf drin, gegen das Schlechte in der Welt aktiv zu werden.

In welchem politischen Spektrum ist „Compact“ zu verordnen?

Irena Rudolph-Kokot: Ich würde „Compact“ bei der Neuen Rechten verorten. Das merkt man unter anderem an den Protagonisten, die dort immer wieder auftreten: Identitäre Bewegung, Pegida, AfD, Götz Kubitschek, Ein Prozent. Hinzu kommen Gastbeiträge von Vertretern der Neuen Rechten aus dem Ausland, insbesondere Russland.

In welchem Verhältnis stehen „Compact“ und die anderen Vertreter der Neuen Rechten zueinander?

Steven Hummel: Es gibt zwar viele Online-Medien, aber mit seiner Qualität, Auflage und Reichweite ist „Compact“ einzigartig in dieser Szene. Es erfüllt eine Schnittstellenfunktion zwischen diesen verschiedenen Gruppen und Akteuren. „Compact“ versucht, viele diffuse Strömungen zusammenzubringen und eine Debatte anzustoßen.

Irena Rudolph-Kokot: Es ist eindeutig, dass „Compact“ bei Wahlen für die AfD wirbt. Das hat man deutlich nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt gesehen. Das erste Interview nach der Wahl hat André Poggenburg bei Compact-TV gegeben. Die Leser von „Compact“ finanzieren die Plattformen, die die AfD vor Wahlen erhält. Das ist gewissermaßen eine Parteienfinanzierung. In meinen Augen ist das ein Propagandablatt.

Die Konferenz, gegen die Sie protestieren wollen, steht diesmal unter dem Motto „Opposition heißt Widerstand“. Was verstehen „Compact“ und ihr Chefredakteur Jürgen Elsässer unter „Widerstand“ und gegen wen richtet sich dieser?

Steven Hummel: Zum einen trägt das „Compact“-Magazin einen Untertitel: „Magazin für Souveränität“. Das heißt, sie glauben, dass Deutschland kein souveräner Staat ist und das Volk nicht als Volkssouverän herrscht. Dieser Zustand soll geändert werden. Da gibt es Überschneidungen zur Reichsbürgerideologie.

Zum anderen bezieht sich Elsässer auf das Widerstandsrecht im Grundgesetz, das für alle Bürger gilt, wenn die staatliche Ordnung nicht mehr funktioniert. Der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider (Anm. d. Red.: ein neurechter Aktivist) hat versucht, nachzuweisen, dass sich Angela Merkel 2015 mit der Grenzöffnung strafbar gemacht habe und dadurch dieses Widerstandsrecht in Kraft getreten sei. Darauf haben sich Anti-Asyl-Demonstrationen berufen und dieses Element taucht immer wieder in dem Magazin auf.

Vor einigen Monaten bestätigte der Europäische Gerichtshof jedoch, dass die Grenzöffnung legal war. Dringen solche Nachrichten zu „Compact“-Lesern durch?

Steven Hummel: Vermutlich schlüpft „Compact“ bei solchen Nachrichten in die Opferrolle und beharrt darauf, trotzdem recht zu haben, die Wahrheit zu sagen und deswegen ausgegrenzt zu werden.

Irena Rudolph-Kokot: Ein EU-Gericht findet bei diesen Leuten gar keine Anerkennung. Sie betonen das Nationale und sehen bei dieser Entscheidung nur wieder den Beweis, dass die EU über den Kopf der deutschen Nation hinweg irgendetwas bestimmt.

Viele Beobachter sehen die Gefahr, dass sich neurechte Akteure bei Veranstaltungen wie der „Compact“-Konferenz stärker vernetzten. Allerdings findet diese Vernetzung auf Wahlpartys der AfD, im identitären Hausprojekt in Halle oder auf Pegida-Demos schon lange statt. Was soll da noch passieren?

Steven Hummel: Dieses Milieu, über das wir sprechen, ist insbesondere durch die rassistische Mobilisierung auf der Straße schon sehr gut vernetzt. Dennoch kann man sich immer weiter vernetzen. Auf solchen Konferenzen werden Debatten fortgeführt, zum Beispiel bezüglich der Zusammenarbeit von AfD und außerparlamentarischer Opposition. Die Treffen sind wichtig, um strategische Fragen auszuloten und sich persönlich auszutauschen.

Irena Rudolph-Kokot: Elsässer kommt ursprünglich aus linken Zusammenhängen. Sein großer Traum, den er gerade lebt, war es, die rechte Szene nach dem Vorbild der linken aufzubauen, zu vernetzen und schlagkräftig zu machen. Genau dafür sind die Konferenzen gedacht.

Nimmt man die AfD heraus, erhalten diese neurechten Akteure und Organisationen wie „Compact“, Identitäre Bewegung, Pegida und Ein Prozent – im Verhältnis zu ihrer personellen Stärke – viel Aufmerksamkeit. Zu viel?

Irena Rudolph-Kokot: Die Aufmerksamkeit für die Vernetzung der Akteure ist eher zu gering. Meistens liegt der Fokus der Berichte und Proteste auf einzelnen Akteuren. Viele betrachten beispielsweise die AfD als normale Partei. Das würden sie wohl nicht machen, wenn sie sehen würden, mit welchen Akteuren sich die Partei vernetzt.

Ziel ist es, die „Compact“-Konferenz zu verhindern. Das ist schwierig, da bislang der genaue Veranstaltungsort noch nicht bekannt ist. Wie bereiten Sie sich auf den 25. November vor?

Steven Hummel: Im Vorfeld ist es wichtig, die Leute zu informieren, was „Compact“ ist und warum die „Compact“-Konferenz keine coole Veranstaltung ist. Für die breite Öffentlichkeit gibt es mehrere Veranstaltungen. Zudem gehen wir gezielt in Kioske und versuchen, mit den Besitzern beziehungsweise den Angestellten ins Gespräch zu kommen und sie aufzuklären. Das Ziel ist dabei, dass die Zeitschrift aus dem Sortiment verschwindet.

Irena Rudolph-Kokot: Wir haben ungefähr 40 mögliche Tagungsorte angeschrieben und hoffen, dass sich irgendjemand berufen fühlt, uns über diese Veranstaltung zu informieren. Außerdem haben wir beim Ordnungsamt für die Zeit von 11 bis 18 Uhr eine Versammlung in Hör- und Sichtweite angemeldet. Sobald die Stadt Leipzig vom „Compact“-Veranstaltungsort Kenntnis erlangt, gibt es dann eine Handhabe, um mit uns ein Kooperationsgespräch zu führen.

Da Sie ein Aktionsbündnis bilden, gibt es vermutlich auch einen Aktionskonsens. Wie lautet dieser?

Irena Rudolph-Kokot: Fast alle Organisationen und Initiativen, die unseren Aufruf unterzeichnet haben, haben bei „Leipzig nimmt Platz“ mitgemacht. Deshalb berufen wir uns auf die „Leipziger Erklärung“ von 2015. (Anm. d. Red.: Die Leipziger Erklärung ruft zu gewaltfreien Aktionen, insbesondere Sitzblockaden, auf, um rassistische Aufmärsche zu verhindern)

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