Es ist nicht völlig versteckt. Unter dem Stichwort „Bürgerbeteiligung und Einflussnahme“ findet man tatsächlich nach ein bisschen Suchen die Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten in Leipzig. So ein bisschen Bürgerbeteiligung gibt es ja in Leipzig. Nur meistens geht sie schief. Woran liegt das nur? Ein Grünen-Vorstoß, die Sache zu verbessern.

Zwei Anträge hat die Grünen-Fraktion jetzt zur Stärkung des Petitionsrechts in Leipzig vorgelegt. Immer mehr Leipziger nutzen das Instrument der Petition, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Da haben sie zumindest die Gewähr, dass sich der Petitionsausschuss des Stadtrats damit beschäftigt und das Anliegen dann auch mal kurz in der Ratsversammlung auftaucht.

Aber wie OBM Burkhard Jung in der letzten Ratsversammlung am 22. November wieder sagte: Eine Diskussion ist eigentlich nicht vorgesehen. Die Stellungnahme der Verwaltung wird vorgelesen. Wer als Petent fix ist, kann noch ein, zwei Nachfragen stellen. Das war’s dann. Friss oder stirb.

Es sei denn, die Stadtratsmehrheit übernimmt das Anliegen – wie bei den Vorgängen in der Inneren Jahnallee – und macht einen eigenen Antrag draus und beschließt ihn mit Mehrheit.

Dann muss die Stadtverwaltung reagieren und handeln.

Aber: Wir leben in Sachsen. Was die Verwaltung dann macht, ist ihr eigenes Ding. Sie muss auch nichts groß erklären. Und im Ergebnis bleibt, was passiert, eine Black Box. Also der niedliche alte Obrigkeitsstaat, in dem Ämter so sind wie das „Schloss“ bei Kafka.

Mit Transparenz hat das alles wenig zu tun.

Und das, obwohl der Leipziger Stadtrat schon 2010 eine Transparenzoffensive beschlossen hat. Lang ist’s her. Zumindest gibt es jetzt ein paar Informationen zu Bürgerbeteiligung in Leipzig auf leipzig.de. Aber der Nutzer der Seite erfährt so gut wie nichts über Inhalte, Diskussionen, Konflikte, Kompromisse. Nix.

Und das fällt natürlich auf in diesem seltsamen „Jahr der Demokratie“ 2018, in dem die Leipziger Verwaltung gleich mehrfach gezeigt hat, was sie von Bürgerbeteiligung hält: Nämlich nichts.

WTNK? Beteiligung ja, gerne. Aber das alte WTNK wird weder evaluiert noch infrage gestellt. Nur fortgeschrieben. Hallo? Ein ohne Bürgerbeteiligung von Ämtern geschnürtes Konzept darf nicht diskutiert werden?

Nächster Fall: Pleißemühlgrabenöffnung. Da ist alles gesagt. Beteiligung ja – aber umgesetzt wird nur, was die Verwaltung will.

Fall Georg-Schwarz-Brücken: Bürgerbeteiligung? Nein. Das Ding wird gebaut wie geplant.

Die Liste ließe sich fortsetzen. Was vor allem daran liegt, dass die Stadt bis heute keine Standards hat, wie man Bürgerbeteiligung ganz selbstverständlich zu Verwaltungshandeln macht. Es fehlt an Verantwortlichen in den Ämtern, die dafür sorgen, dass die Bürgerbeteiligung frühzeitig organisiert wird. Nämlich vor den Entscheidungen. Es fehlen die Standards, wann sie wie stattzufinden hat. Und es fehlt die Plattform, auf der – transparent – informiert wird.

„Das will der OBM nicht“, sagt Grünen-Stadtrat Tim Elschner, der das Thema jetzt für die Grünen-Fraktion formuliert hat.

Es geht nicht nur um den OBM. Die Bürgermeister- und Amtsleiterebene ist genauso. Interesse an einer frühzeitigen Bürgerbeteiligung? Null.

Deshalb steckt ein erster Baustein auch gleich im ersten Grünen-Antrag zum Petitionswesen.

„Die Online-Plattform für Petitionen auf der stadteigenen Webseite wird einer Überarbeitung unterzogen, mit dem Ziel, dass neben der elektronischen Mitzeichnung und Unterstützung von öffentlichen Petitionen auch die Anliegen der Petenten in moderierten Foren von den Nutzer*innen auf der Plattform diskutiert werden können. Der Aufbau einer sog. ‚Petitionscommunity‘ ist anzustreben.“

Denn aktuell ist es so: Die Petitionen werden im Petitionsausschuss beraten. Nichtöffentlich. Der Ausschuss hat sechs Mitglieder. Wenn er eine fachliche Stellungnahme der Verwaltung braucht, lädt er Verwaltungsmitarbeiter ein. Die Petition wird im Ratsinformationssystem veröffentlicht, die Empfehlung des Petitionsausschusses auch. Und das war’s dann meist.

Mehr Informationen gibt es auf der Seite, auf der Online-Petitionen möglich sind. Die wird von immer mehr Leipzigern für sich entdeckt. Denn hier kann man nicht nur ohne große Hürden eine Petition einreichen – hier können auch alle Bürger, die die Petition unterstützen, mitzeichnen.

Es ist nicht so, dass seit 2010 gar nichts passiert ist. Aber Leipzigs Wappentier ist die Schnecke. Alles passiert ganz langsam. Schritt für Schritt.

Aber auch sehr versteckt im System.

Denn wenn schon so viele interessierte Bürger den Weg auf diese Seite finden, dann ist das doch eine Riesenchance, so Tim Elschner. Denn die Leute äußern sich doch. Hier werden sie als demokratische Akteure sichtbar. Dann sollten auch ihre Meinungen sichtbar werden.

So wie unter den Beiträgen der L-IZ. Da wird diskutiert.

Man müsste also eigentlich nur noch ein bisschen Programmieraufwand leisten und eine fachlich kompetente Moderation einrichten, dann könnte hier das lebendig werden, was die Grünen eine „Petitionscommunity“ nennen.

Die Betreuung kostet natürlich Geld. Obwohl Leipzig ja mit dem Büro „Weiter denken“ schon einen Ansatz dafür hat. Aber wahrscheinlich braucht es wirklich eine eigene personelle Betreuung: „Dem Petitionsausschuss sind ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen zur bürgernahen und effizienten Bearbeitung der Petitionen und zur Erledigung seiner Aufgaben zur Verfügung zu stellen. Der Ausbau der städtischen Online-Plattform für Petitionen sowie deren kontinuierliche Pflege und personelle Betreuung sind im Rahmen der Haushaltsplanung ebenfalls mit zu berücksichtigen.“

Damit würden Petitionen nicht mehr in einem leeren Raum verschwinden, sondern Teil der öffentlichen Diskussion.

Und wahrscheinlich noch stärker angenommen. Denn seit 2014, seit die Petitionen auch im Ratsinformationssystem veröffentlicht werden, sind die Leipziger mutiger geworden. Es vergeht kaum noch eine Ratsversammlung, in deren Vorfeld dem OBM nicht neue Unterschriften zu einer Petition überreicht werden. Die Leipziger haben gelernt, dass Petitionen kein Gnadenerweis sind, sondern eins der besten Instrumente, sich in der Verwaltung überhaupt Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Die Grünen zitieren gleich mal Artikel 17 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland: „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“

Und wenn Leipzig jetzt wirklich eine lebendige Plattform für die Petitionen und die Inhalte, die die Bürger damit verbinden, schafft, kommt endlich auch das zustande, was mit dem „moderierten“ Element der bisherigen Bürgerbeteiligung nie erreicht wurde: Wirklich eine öffentliche Diskussion.

Die Grünen zu ihrem Vorstoß: „Der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ist es immer schon ein wichtiges Anliegen, die Mitwirkungs- und Mitsprachemöglichkeiten der Leipziger*innen in kommunalpolitischen Angelegenheiten zu stärken und weiterzuentwickeln.

Mit unserem Antrag und den im Beschlusstext enthaltenen Vorschlägen sprechen wir uns für eine weitere Stärkung und Weiterentwicklung des Petitionsrechts und des Petitionswesen aus. Bereits die Einführung der elektronischen Petition und der öffentlichen Petition sowie der Aufbau einer städtischen Online-Plattform für Petitionen in der letzten Wahlperiode (2014) stellte eine bedeutende Weiterentwicklung des Petitionsrechts dar. Diese ging auf eine Initiative unserer Fraktion zurück.

Wir wollen unser Petitionswesen auch vor dem Hintergrund privater Petitionsplattformen im Internet noch bekannter machen. Weiteres Ziel ist es außerdem, dass wir mit unserem Petitionswesen dauerhaft bei den Leipziger*innen, die das Petitionsrecht nutzen und die am politischen Diskurs teilnehmen wollen, eine große Akzeptanz und Zufriedenheit erreichen.“

Ein Vorbild für Leipzig, so Tim Elschner, könnte die Stadt Heidelberg werden, die Leipzig in Sachen Transparenz und Bürgerbeteiligung schon um einiges voraus sei.

Eine Muntermacher-LZ Nr. 61 für aufmerksame Zeitgenossen

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