Zuckerbrot und Peitsche, so ungefähr könnte man die Umweltpolitik von Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung beschreiben. Wer das Ämterhandeln nicht stört und nicht gegen Umweltverstöße der Stadt klagt, der darf mitspielen und wird eingeladen zu all den nichtoffiziellen Beratungsrunden, in denen die Verwaltung den Verbänden ihre Umweltpolitik klarmacht. Und wer das Klagerecht nutzt, wird ausgesperrt. Natürlich erwischt es wieder den NuKLA e.V.. Diesmal auf seinem ureigensten Gebiet: der Rettung des Auwaldes.

Eigentlich hätte auch Wolfgang Stoiber, der Vorsitzende des NuKLA e.V., nie davon erfahren, dass die Stadt zu einem Workshop zur Zukunft des Auenwaldes eingeladen hatte, wäre er nicht auch noch Mitglied im BUND Leipzig und hätte dort bei einer Mitgliederversammlung im Dezember erfahren, dass die Stadt so einen Workshop veranstaltet hatte – der BUND war eingeladen, der NuKLA nicht.

Was ihn wunderte. Da reißt man sich um die Wiederbelebung des Auenwaldes seit Jahren ein Bein aus, sensibilisiert die Bevölkerung, thematisiert die brisanten Themen. Und dann, wenn das Leitbild für die Aue endlich spruchreif wird, dann beschließt Leipzigs Verwaltung, dass der NuKLA e.V. dabei keine Rolle zu spielen habe.

Dieses Leitbild sollte eigentlich schon Ende 2017 fertig sein. So jedenfalls hatte es das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie 2016 angekündigt. Denn bis jetzt gibt es so ein Leitbild nicht. Und auch Leipzigs Amt für Stadtgrün und Gewässer ging 2016 noch davon aus, dass die Aue gerade da, wo es um die Renaturierung des Auenwaldes geht, geöffnet werden soll und 2050 die Deiche abgebaut oder zurückverlegt werden könnten. Genau das Leitbild, das auch der NuKLA e.V. verfolgt.

Und dann erfuhr Stoiber, dass das zuständige Amt für Stadtgrün und Gewässer wieder nur ausgewählte Naturschutzvereine eingeladen hatte.

„Der von Ihnen angesprochen Workshop diente dazu, in Kooperation mit ausgewählten Personen und Verbänden konstruktiv den Weg zu einem Gesamtkonzept für die zukünftige Auenentwicklung in Leipzig zu diskutieren“, schrieb der zuständige Koordinator im ASG, Torsten Wilke, an Wolfgang Stoiber. Der natürlich über das seltsame Wort „konstruktiv“ stolperte. Das hatte er aus Leipzigs Ämtern nun schon ein paar Mal zu oft gehört. Denn in der Praxis bedeutet es eben, dass die zuständigen Ämter nur noch mit Umweltvereinen zusammenarbeiten, die der Stadtpolitik nicht widersprechen. Eigentlich gehört das Wort in den Wortschatz der DDR. Dort war es eindeutig besetzt. Wer nicht „konstruktiv“ mitarbeitete, also die Parteilinie unterstützte, wurde ausgeschlossen, galt als renitent oder gleich gar dissident.

Zu hart formuliert?

Wahrscheinlich nicht. Denn wer so mit den Naturschutzverbänden umgeht, die eigentlich per Gesetz ein Klagerecht haben, wenn städtische Behörden gegen Umweltauflagen verstoßen, der sorgt dafür, dass niemand mehr widerspricht und dass amtlich beschlossene Pläne ohne Widerspruch abgearbeitet werden können.

Und warum will das ASG den NuKLA nicht mit am Tisch? Die Begründung von Torsten Wilke: „Wie Sie wissen, befinden wir uns mit der Grünen Liga aktuell in einer gerichtlichen Auseinandersetzung genau in diesem thematischen Kontext. Da NuKLA die Grüne Liga Vorort vertritt, müssen wir derzeit von weiterführenden Diskussionen mit NuKLA Abstand nehmen.“

Das ist nun Leipzigs Umweltpolitik in nuce. Denn so deutlich hat auch Stoiber noch nicht zu hören bekommen, dass Leipzigs Verwaltung nur noch mit Umweltverbänden spricht, die nicht gegen die Umweltverstöße der Stadt klagen.

Wobei gerade beim Thema „Diskussion einer gesamträumlichen Auenperspektive in Leipzig“ natürlich die Gefahr besteht, dass die städtischen Sachwalter ganz und gar nicht daran denken, den Leipziger Auenwald wieder zu öffnen, sondern ihre bekannten Spielchen spielen, die dazu führen, dass der Wald ohne Wasser bleibt, dass Wasser für Motorbootkanäle umgeleitet und jede Menge Geld in Prestigeprojekte wie die Alte Elster gesteckt wird, während der Auenwald zum Lieferanten für wertvolle Altbäume degradiert wird. Und niemand widerspricht – oder kann widersprechen.

Aus Sicht des NuKLA e.V. ist das natürlich reine Ämterwillkür. Und Beschneidung gesetzlicher Rechte. Beim NuKLA e.V. weiß man ja nur zu gut, dass eine nachträgliche Beteiligung, wenn die Pläne in den Ämtern schon beschlossen sind, nichts mehr ändert. Das WTNK ist dafür das leuchtende Beispiel.

Und so schrieb Wolfgang Stoiber jetzt einen geharnischten Brief an den Leipziger Oberbürgermeister, der diese Zustände zumindest duldet. Und zwar seit Jahren.

Hier ist der Brief:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung, sehr geehrter Herr Bürgermeister Rosenthal,

nachstehend der Schriftwechsel mit dem Amt für Stadtgrün und Gewässer zur Mitarbeit von GRÜNER LIGA/NuKLA zur weiteren Entwicklung einer „gesamträumlichen Auenperspektive in Leipzig“ zu der die Stadtverwaltung „ausgewählte Personen und Verbände“ eingeladen hat.

Wir richten uns ausdrücklich als politisch Verantwortliche für diesen Prozess an Sie.

Dass es unterschiedliche Ansichten zur weiteren Entwicklung des Auwaldes, nicht nur auf Leipziger Flur sondern weit darüber hinaus, gibt, ist hinlänglich bekannt. Ebenso, dass die GRÜNE LIGA/NuKLA den Standpunkt der Stadtverwaltung nicht teilt. Sowohl den fachlichen Standpunkt (wir möchten insoweit an unseren offenen Brief vom 09.09.2018 erinnern), als auch den Standpunkt im Hinblick auf eine „kooperative und konstruktive Zusammenarbeit“.

Ausdrücklich diese „kooperative und konstruktive Zusammenarbeit“ wird durch dieses Schreiben des Amtes für Stadtgrün und Gewässer erneut ad absurdum geführt, wie die interessierte Öffentlichkeit nicht das erste Mal erleben durfte, erweist sich die postulierte Behauptung einer öffentlichen Beteiligung als „kooperative und konstruktive Zusammenarbeit“ nicht nur als inhaltsleere Formel sondern vielmehr als geplante Irreführung, insbesondere der Öffentlichkeit.

Tatsächlich ist es, wie der Text von Herrn Wilke in Ihrem Auftrag gerade wieder verifiziert, noch viel schlimmer, denn von der behaupteten „kooperativen und konstruktiven Zusammenarbeit“ werden bestimmte Gruppen willkürlich ausgeschlossen. Ausgeschlossen, weil sie nicht nur von ihrem Recht sondern der spiegelbildlich verbundenen Pflicht Gebrauch machen, den eigenen Satzungszweck verfolgend behördliches Handeln im Hinblick auf dessen Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen.

Konsequent zu Ende gedacht bedeutet dieses Verhalten der Stadtverwaltung, deren Vertreter Sie nach außen sind, dass die Stadtverwaltung durch eigenes rechtswidriges Verhalten entscheidende Akteure von der weiteren Entwicklung ausschließt und dazu nach eigenem Gutdünken entscheidet: Die Stadtverwaltung entscheidet also darüber, was „kooperativ“ und „konstruktiv“ ist. Darüber hinaus wird mit diesem Vorgehen neuerlich ein Exempel statuiert, ein Zeichen gesetzt. Ein Zeichen an Dritte, das da lautet: „Seht her was passiert, wenn ihr von euren euch zustehenden Rechten Gebrauch macht. Dann steht ihr vor der Tür, ausgeschlossen. Außerdem seid ihr unkooperativ und destruktiv!“ Die Stadtverwaltung entscheidet somit aus Ihrer Sicht darüber, was „kooperativ“ und „konstruktiv“ ist.

Der Verweis auf spätere, gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung beweist dann lediglich noch mal, dass es Ihnen um eine wirklich Beteiligung überhaupt nicht geht, sondern diese in der Tat nur zwangsweise, weil der Gesetzgeber dummerweise diese Beteiligung vorgeschrieben hat, durchzuführen ist.

Dieses als „staatliche Willkür“ zu beschreiben, dürfte ein Fall von Untertreibung sein.

mit freundlichen Grüßen! W. Stoiber
GRÜNE LIGA Sachsen/NuKLA e. V.

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Es hat nicht den Anschein, als ob OBM Jung das Verwaltungshandeln lediglich duldet. Vielmehr scheint es sich um System zu handeln. Eines, das von OBM Jung und “Umwelt”bürgermeister Rosenthal explizit gefördert wird. Und es betrifft nicht nur den Auwald. Vor 3 Tagen durfte ein anderes Beispiel betrachtet werden, der Pleißemühlgraben. Kiesabbau, Flughafen… Elsterflutbecken und – mühlgraben sind weitere Beispiele.
Und das System erinnert in Form und Inhalt an vergangene Zeiten:” Die Partei, die Partei die hat immer Recht…. ”

Jung und Rosenthal “scheuern” sich einen Kehrricht um andere Meinung und Kritik oder auch Gesetze. Unterstützt von “11 Wissenschaftlern”, die frappierend an eine kleine Gruppe Pneumologen erinnern.

Nukla hat vor Jahren das Aula-Projekt aus der Taufe gehoben. (https://www.nukla.de/category/auenoekologiesymposium/

https://www.nukla.de/2016/05/einladung-zur-3-aula-citytagung-am-2-juni-16/). “Vornehm” zurück gehalten haben sich Ökolöwe und BUND. Der NABU hat lediglich solange mitgearbeitet, bis der Landesverband unter Druck gesetzt wurde (alte Sickert-Seilschaften?) und der Stadtverband sich aus persönlichen Befindlichkeiten ob der Bewertung der Lebendigen Luppe als Ökodisneyland, das darüber hinaus sinnfrei in die Natur eingreift. Unterstützung bekam Nukla nicht, die Verbände haben vielmehr mit der Stadt zusammengearbeitet.

Stellt sich die Frage, welche Position die Verbände nunmehr einnehmen.
Hat die drohende Faust von Jung und Rosenthal dieselbe Wirkung wie die der Schulbehörde bei den Schülern zu deren Klimaprotest?
Bisher reiten die Verbände in Bezug auf den Auwald jedenfalls auf der Arbeit von Nukla. Um sie dann im Zweifel in der AG Stadtwald oder irgendwelchen “Runden Tischen”, die sich am Ende als Katzentische herausstellen, peinlich berührt gegen NuKLA zu stellen.

Nicht zuletzt wäre es sinnvoll, Art. 28 Abs. 4 GG zur Kenntnis zu nehmen.
Jung und Rosenthal sind nicht die gewählten Oberhäupter der Bürger. Von diesen gewählt, sind sie lediglich die Chefs der Gemeinde (und damit der Verwaltung). Die Gemeinde ist verfassungsrechtlich ein selbständiges Rechtssubjekt und steht als solches oft genug dem Bürger gegenüber. Mit den Bürgermeistern an der Spitze.

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