Origami-Kurs, Schreibwerkstätten und neues aus dem Naturkundemuseum: Die ersten Interessenten haben sich schon angemeldet für das LeipzigZimmer in der Stadtbibliothek Leipzig, das am Donnerstag, 16. Januar, offiziell eröffnet wurde. Es soll mehr sein als ein üblicher „Ort der Begegnung“. Eher sogar ein Experiment: Wie lässt sich das Miteinander der Leipziger Bürger wieder beleben in einer Zeit, in der scheinbar überall die Aggressionen zunehmen?

Am Donnerstag jedenfalls wurde das seit zwei Jahren konzipierte LeipzigZimmer in der Leipziger Stadtbibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz eröffnet. Im ersten Obergeschoss der Bibliothek ist ein richtiger Freiraum mitten im Zentrum entstanden. Mit Regalen auf Rollen, Stühlen und Tischen, die sich leicht umbauen lassen, sodass im Handumdrehen genau jene Situation aufgebaut werden kann, in der Menschen zu den unterschiedlichsten Themen zusammenkommen und miteinander ins Gespräch kommen können.

Was die Stadtbibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz immer mehr zu einem „Dritten Ort“ machen soll, einer öffentlichen Einrichtung, die die Leipziger auch als genau das annehmen: einen Ort, den sie ganz selbstverständlich auch als den ihren in Anspruch nehmen können. Auch zum Gespräch, zu kurzerhand anberaumten Treffen und Gesprächen.

„Wir mischen uns da nicht ein“, sagt Susanne Metz, Direktorin der Leipziger Städtischen Bibliotheken. Vor zwei Jahren hat sie das Projekt angestoßen, einen Raum in der Bibliothek genau dafür umzubauen. Und sie fand dabei sofort Unterstützung bei Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke, die aus eigenen Reiseerfahrungen – z. B. in Boston – weiß, wie lebendig dortige öffentliche Bibliotheken als Stadtteilzentren und Treffpunkt der Bürger sein können. Zusätzlich zu ihrer klassischen Funktion als Buchausleihe.

Das gesellschaftliche Miteinander soll hier gestärkt werden, indem Leipzigerinnen und Leipziger das Programm selbst gestalten – fair, barrierefrei, inklusiv und zum Mitmachen einladend, umreißt die Stadtbibliothek den Sinn des mit finanzieller Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes entstandenen Raumes.

200.000 Euro hat die Kulturstiftung zur Einrichtung des LeipzigZimmers beigesteuert, berichtete am Donnerstag Hassan Soilihi Mzé als Vertreter der Stiftung. Das Geld stammt aus einem extra aufgelegten 5,6-Millionen-Euro-Fonds, der genau dafür vorgesehenen ist: Bibliotheken dabei zu unterstützen, sich der Stadtgesellschaft zu öffnen. Die Stadt Leipzig gab die notwendige Co-Finanzierung von 20.000 Euro.

„Leipzig ist eine Stadt, in der sich schon immer Bürgerinnen und Bürger engagiert haben. Sie entwickeln diese Stadt mit, wollen sich mit ihren Ideen einbringen und ihre Interessen vertreten. Dafür braucht es Austausch und Vernetzung, es braucht einen frei zugänglichen Ort. Mit der Eröffnung des LeipzigZimmers etablieren wir diesen in der Stadtbibliothek“, erläutert Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke die wegweisende Ausrichtung des Projekts.

Das LeipzigZimmer ist ein Experiment. Die multifunktionelle Nutzung des Raumes, die thematische Offenheit, die Zugänglichkeit für jedermann und der Wunsch nach Selbstorganisation und innovativen Formaten sind Chance und Wagnis zugleich, formuliert die Stadtbibliothek das Anliegen. Im LeipzigZimmer ist die Stadt allgegenwärtig, denn Bücher zur Stadt und ihren Menschen stehen in den Regalen. Außerdem lädt eine Leipzig-Box ein, Rätsel und Knobelaufgaben zu lösen und eine interaktive Vitrine erlaubt einen Blick in die Schatzkammer der Leipziger Stadtbibliothek.

Die Bibliothek hält sich bei Betreuung und Organisation der Aktionen zurück, stellt aber die notwendige Infrastruktur zur Verfügung: Tische und Stühle und Präsentationstechnik. Die Reservierungsmodalitäten sind über die Website leipzigzimmer.leipzig.de zu finden. Dort kann sich jeder, der eine öffentliche Veranstaltung im LeipzigZimmer plant, anmelden. Auch kurzfristig. Aber, so Metz, am besten mindestens 24 Stunden vorher.

Die schon angemeldeten Termine findet man auf dieser Website. Künftig soll auch noch ein Monitor im LeipzigZimmer direkt anzeigen, welche Veranstaltungen hier laufen. Metz: „Daran arbeiten wir noch.“

Im Laufe der Zeit möchten die Leipziger Städtischen Bibliotheken herausfinden, inwieweit diese Plattform für die Stadtgesellschaft von der Bibliothek selbst moderiert und gesteuert werden muss.

„Wir wollen unsere Bibliothek anders denken und einen offenen Ort schaffen, wo sich die Leipzigerinnen und Leipziger aktiv und verantwortungsvoll einbringen. Die Vielfalt dieser Stadt mit ihren Menschen soll sich auch in der Bibliothek widerspiegeln“, erläutert Susanne Metz, die Direktorin der Leipziger Städtischen Bibliotheken.

Die ersten Aktionen im LeipzigZimmer ab Januar stehen bereits fest: die Reihe „Abgestaubt: Neues aus dem Naturkundemuseum“, ein Social-Media-Walk, das monatliche Treffen mit dem Batzen-Tauschring e. V., ein Workshop des Cradle to Cradle e. V. oder der Stricktreff.

Und auch Metz ist bewusst, dass durchaus auch die konfliktreichen Diskussionen der Gegenwart in diesem Raum eine Rolle spielen könnten. „Aber ich sehe an den Anmeldungen, dass das durchaus auch gewünscht wird.“

Und sie vertraut sogar darauf, dass jene Bürgerinnen und Bürger, die das Angebot nutzen, auch in Selbstorganisation Wege finden, mit diesen Konflikten umzugehen. Gerade das wäre sogar das wichtigste Anliegen. Denn wenn die Gräben in unserer Gesellschaft immer weiter aufreißen, müsste es gerade deshalb für alle zugängliche Räume geben, an denen Bürger wieder miteinander ins Gespräch kommen und lernen, unterschiedliche Positionen zu artikulieren und auszuhalten.

Mehr als 50 Anmeldungen gab es schon zum Donnerstag, viele angeregt durch die Stiftung Bürger für Leipzig, die mit offenen Gesprächsformaten in der Bürgerschaft schon viel Erfahrung gesammelt hat. Und es werden wohl auch immer wieder Freiwillige aus der Stiftungsarbeit mit dabei sein, wenn im LeipzigZimmer Veranstaltungen laufen, kündigt Angelika Kell für die Stiftung an.

Das LeipzigZimmer ist eines von derzeit 16 Projekten, die die Kulturstiftung des Bundes in ihrem Fonds „hochdrei – Stadtbibliotheken verändern“ fördert. Mit dem Fonds stärkt die Kulturstiftung des Bundes innovative Konzepte und Kooperationsansätze von öffentlichen Bibliotheken.

Öffentliche Bibliotheken sind Orte der Begegnung, sozialer Verwurzelung und des Wissensaustausches und damit sogenannte Dritte Orte – ein inszenierter Raum, in dem man sich gern, aber nur vorübergehend, aufhält.

Das Projekt wird umgesetzt mit der Stiftung Bürger für Leipzig und den weiteren Partnern Naturkundemuseum, Volkshochschule und Villa gGmbH Soziokulturelles Zentrum.

Das LeipzigZimmer in der Stadtbibliothek wird 2020 eröffnet

Das LeipzigZimmer in der Stadtbibliothek wird 2020 eröffnet

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