Ein Teil der zunehmenden Unruhe in den vergangenen Tagen hat mit der schlichten Tatsache zu tun, dass viele Menschen mit dem Shutdown in eine existenzielle Krisensituation geraten sind. Und viele von ihnen stehen tatsächlich vor dem Nichts, weil sie freischaffend sind. Ihnen hätte ein zeitlich befristetes Grundeinkommen wirklich geholfen. Doch die Politik sperrt sich. Jetzt haben sich die Verfasser/-innen mehrerer Petitionen zusammengetan und einen Brief an die Hartherzigen geschrieben.

Denn es ist die politische Idee der Stunde: Die Einführung eines temporären Grundeinkommens erhält so viel Zuspruch wie nie zuvor. Aktuell fordern mehrere Petitionen ein existenzsicherndes Grundeinkommen zur Überbrückung der Coronakrise. Unterzeichnet haben bereits über eine Million Bürger/-innen – aus der Forderung Einzelner ist innerhalb weniger Wochen eine breite gesellschaftliche Bewegung geworden.

Die Petitionsstarter/-innen haben sich jetzt zusammengetan. Unter ihnen ist auch Susanne Wiest, deren Petition Nr. 108191 als die größte jemals online im Bundestag eingereichte gilt.

In einem Offenen Brief wandten sich die Petitionsstarter/-innen jetzt an die Mitglieder des Bundestags, an das Ministerium für Arbeit und Soziales, das Finanzministerium sowie an die Bundeskanzlerin Angela Merkel. In dem Schreiben appellieren sie an die Politiker/-innen, auf die zivilgesellschaftlichen Forderungen zu reagieren und fordern vom Bundespetitionsausschuss eine schnellstmögliche Anhörung zum sogenannten Krisen-Grundeinkommen.

Ihr Wunsch: „Lassen Sie uns jetzt miteinander darüber sprechen: Wie schaffen wir es, dass niemand in dieser beispiellosen Krise ohne ein existenzsicherndes Einkommen bleibt? Wir bitten Sie eindringlich, unser Anliegen eines Krisen-Grundeinkommens für alle so schnell wie möglich auf die politische Tagesordnung zu setzen!“

Unterstützt wird der Offene Brief von Prominenten wie der Autorin und Netz-Aktivistin Kübra Gümüsay („Sprache und Sein“), der Musikerin Judith Holofernes („Wir sind Helden“) und dem Gründer des dm-drogerie Markts Götz Werner, sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen und Grundeinkommens-Initiativen.

Die Petitionsstarter/-innen wollen mit ihrem vereinten Appell an die zuständigen Ministerien und Abgeordneten erreichen, dass diese sich mit der Forderung nach einem Krisen-Grundeinkommen bereits in der kommenden Sitzung des Petitionsausschusses des Bundestags befassen. So heißt es im heute versendeten Brief weiter: „Am 15. Juni 2020 haben Sie im Deutschen Bundestag die Chance, das vielleicht wichtigste Zeichen in dieser Krise zu setzen: Wir setzen uns nicht nur für Unternehmen ein, sondern für jeden einzelnen Menschen!“

Natürlich schwingt dabei auch der Wunsch mit, dass in Deutschland endlich ernsthaft über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens nachgedacht wird, mit dem das bürokratisch überfrachtete System der vielen verschiedenen Sozialhilfen entschlackt werden kann und gleichzeitig die Angst aus der Gesellschaft genommen wird, dass schon eine Entlassung oder eine Krankheit dazu führen, dass man zum Bittsteller um „Hartz IV“ wird.

Der Offene Brief.

Beteiligte Petitionsstarter/-innen:

Susanne Wiest (Bundestagsleitpetition 108191)

Hiltrud Preuß (Bundestagspetition 108283, zusammengelegt mit 108191)
Volkmar Kreiß (Bundestagspetition 108450, zusammengelegt mit 108191)
Vivien Putzmann (Bundestagspetition 108586, zusammengelegt mit 108191)

Tonia Merz (change.org/grundeinkommen)
David Erler (openpetition.de/!coronahilfe)
Ulrich Schachtschneider (wemove.eu)

Wiederkehr einer alten Idee: In der Coronakrise hoffen die BGE-Anhänger auf einen Durchbruch

Wiederkehr einer alten Idee: In der Coronakrise hoffen die BGE-Anhänger auf einen Durchbruch

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Natürlich werden auch die L-IZ.de und die LEIPZIGER ZEITUNG in den kommenden Tagen und Wochen von den anstehenden Entwicklungen nicht unberührt bleiben. Ausfälle wegen Erkrankungen, Werbekunden, die keine Anzeigen mehr schalten, allgemeine Unsicherheiten bis hin zu Steuerlasten bei zurückgehenden Einnahmen sind auch bei unseren Zeitungen L-IZ.de und LZ zu befürchten.

Doch Aufgeben oder Bangemachen gilt nicht 😉 Selbstverständlich werden wir weiter für Sie berichten. Und wir haben bereits vor Tagen unser gesamtes Archiv für alle Leser geöffnet – es gibt also derzeit auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere selbstverständlich weitergehende Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Ãœberlegungen zum Grundeinkommen
nach dem Lesen vom Artikel aus Internet Seite Perspective Daily
https://perspective-daily.de/article/175/BUDWkTwv?pk_campaign=Newsletter-2020-04-10-Subscriber

Es gibt nicht EIN Grundeinkommen!
Bei der Diskussion um “das Grundeinkommen” sollte man nach dem Lesen des og. Artikel unterscheiden nach den Motiven des Auflegen von einem Grundeinkommen –

1. Das Roboter-Motiv »Das Roboter-Motiv entpolitisiert die Idee des Grundeinkommens komplett: Die Roboter und künstliche Intelligenz werden einen Großteil der heutigen Arbeitsplätze abschaffen! Es werden viele Arbeitsplätze verschwinden und es wäre gut, dafür eine Lösung zu haben, um alle zufrieden zu stellen«, erklärt Jurgen De Wispelaere, dh. die Konsumtion, durch wen auch immer, muss im Interesse der Wirtschaft erhalten bleiben, der Mensch als solcher ist unrelevant. David Precht hat in seinem Buch “Jäger,Hirten,Kritiker” darauf hingewiesen, dass Roboter, Computerarbeit zunehmend besteuert werden muss, dafür aber die Besteuerung der Arbeit von Berufstätigen und Angestellten herunter gefahren werden sollte, um diese zu entlasten.
2. Das soziale Motiv: Dabei geht es um die Möglichkeit, mit dem Grundeinkommen Armut zu bekämpfen. Soziales Engagement und die Gesundheit der Bevölkerung sollen verbessert werden. Mit einem sozialen Motiv im Hinterkopf geht es um ein möglichst hohes Grundeinkommen, das die eigene Existenz sichert. Bestehende Sozialleistungen sollen nicht abgeschafft werden, sondern nach Möglichkeit erhalten bleiben.
3. ein bedingungsloses Grundeinkommen (GE)
Hier bekäme jeder Bürger eines Landes ein Grundeinkommen in einer bestimmten Höhe, egal ob die Person reich oder arm ist. Wenn der Person das GE für den Lebensunterhalt ausreichend erscheint, muss sie auch keine Arbeit aufnehmen, wenn ihr das GE nicht das gewünschte Lebensniveau sichert, kann die Person dazu verdienen. Somit wäre nicht mehr die Entlohnung bestimmend für die Aufnahme einer Tätigkeit, sondern der Bürger kann mitbestimmen, ob er und welche Tätigkeiten er/sie ausführen möchte. Er/sie wäre nicht mehr der “Arbeitnehmer/in”, der/die je nach Qualifizierung irgendwelche Tätigkeit zum Lebensunterhalt aufnehmen muss.
Der Knackpunkt ist die Bedingungslosigkeit. Bedingungslosigkeit im Sinne von »du musst dir keine Arbeit suchen, um ein Grundeinkommen zu erhalten.« Sie ist es, die Gegner und Befürworter spaltet. Sie bringt uns auch zurück zur offensichtlichen Frage, die im Raum steht: Ist es gerecht, Menschen Gratis-Geld zu geben?
Die Frage nach Fairness und Gerechtigkeit ist aber eine moralische.
Wenn du für jeden Gefallen eine Gegenleistung erwartest, schätzt du die Idee der Bedingungslosigkeit sicher eher als ungerecht ein. Du benötigst dann jedoch ein System, das sämtliche Gegenleistungen misst, um zu überprüfen, ob alle Beteiligten entsprechend zur Gesellschaft beitragen. So ein System haben wir heute im Prinzip mit unseren modernen Sozialsystemen: Wer arbeitsfähig ist, muss sich Arbeit suchen; wer nicht in der Lage ist, wird solidarisch unterstützt. Wer sich trotz Arbeitsfähigkeit nicht bemüht, bezahlte Arbeit zu finden, erhält auch keine Gegenleistung in Form von finanzieller Absicherung.

Die Erfordernis von Arbeit neu denken
Einige Befürworter plädieren dafür, bezahlte Arbeit generell umzudenken, und fragen: Ist nur bezahlte Arbeit wertvoll? Schon jetzt gibt es zahlreiche »Arbeiten«, die nicht direkt bezahlt werden, aber dennoch einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten: Kindererziehung, Hausarbeit und Freiwilligenarbeit.
Ein Kritikpunkt der Gegner setzt genau hier an: Ein Grundeinkommen sei menschenunwürdig, weil jeder Arbeitsfähige ein Recht auf einen bezahlten Job habe. Ein Grundeinkommen würde dem nicht arbeitenden Teil der Bevölkerung vermitteln:
Die Gesellschaft braucht dich nicht. Diese Kritik zeigt – einmal mehr – wie wichtig das jeweilige Motiv hinter der genauen Umsetzung des Grundeinkommens ist.

Im og. Artikel wird vorrangig orientiert auf das soziale Motiv 2. Aber es sind aus meiner Sicht zumindestens Gesichtspunkte 1+2 zu berücksichtigen.
`
zu 1. Automatisierung
Durch den zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), Roboter- und Computertätigkeit werden in absehbarer Zeit viele Arbeitsplätze im Bankenwesen, im Handel, in den Kaufhallen, in der Bürokratie, die man automatisieren kann, abgebaut. Die Menschen werden entlassen und dafür automatisierte Systeme eingeführt, siehe Fliesbandsysteme, Abkassierungen über Code in Geschäften, automatiseirte Läden wo der Einkauf über Kameras gescannt wird und keine Kassiererin mehr an der Kasse sitzt, Bankterminals, Kontoführung übers Internet usw.
Die einfachen, monotonen, belastenden und uninteressanten Tätigkeiten können durch KI-Systeme übernommen werden und sind meistens weitaus produktiver, effektiver und kostengünstiger, da Lohn-, Urlaubs-, Krankenkosten und Zuschläge entfallen und die Systeme rund um die Uhr laufen können.
Da diese Automaten eine Arbeitsleistung erbringen, müssen sie auch besteuert werden!
Dafür können die Angestellten, die Berufstätigen von der Einkommenssteuer entlastet werden. Die Menschen werden von diesen Tätigkeiten zunehmend frei gesetzt. Sie werden Arbeitslos. Da sie aber für die Wirtschaft als Konsumenten weiterhin benötigt werden, sollten sie zum Leben eine Grundsicherung mit dem Grundeinkommen erhalten.
Mit dem Grundeinkommen wäre ihre Existenz einigermaßen gesichert und sie können dazu verdienen, um den für sie und ihre Familien ausreichenden Lebensstandart zu erhalten.

zu 2. Existenssicherung
Wie viel mit einem Grundeinkommen möglicherweise für den Betroffenen gespart oder gewonnen werden kann, lässt sich nicht pauschal für das Grundeinkommen errechnen. Die genaue Umsetzung im bereits vorhandenen Sozialsystem ist entscheidend. Zur Abklärung sind komplexe Computersimulationen und Beratung durch Expertengremien erforderlich.
Politische Entscheidungsträger werden gezwungen, über das Konzept nachzudenken und systemische Zusammenhänge zu verstehen. Wo müssen Gesetze geändert werden? Wie kann gewährleistet werden, dass eine schrittweise Einführung nicht dazu führt, dass Menschen kurzzeitig schlechter dastehen, zum Beispiel, wenn bestimmte Sozialleistungen wegfallen?
Ist es durch die Einführung des GE möglich, eine gerechtere Soziale Absicherung einzuführen oder sind die bestehenden komplizierten Sozialleistungssysteme ausreichend aufnahmefähig, um ein Durchrutschen durch das soziale Auffangnetz zu vermeiden?

GE, Wachstumszwang und Klimaneutralität
Ein weiterer Aspekt, dem in der Debatte noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist die Grenze des Wachstums. Aktuell beobachten wir noch immer eine Produktivitätssteigerung. Das heißt: Immer weniger Menschen können bzw. müssen immer mehr leisten. Um gleichzeitig dafür zu sorgen, dass nicht mehr und mehr Menschen arbeitslos werden, muss die Wirtschaft also wachsen; um Gewinne zu erwirtschaften wird automatisiert und die Produktion immer mehr verbilligt, auf Kosten der Menschen, Umwelt und Natur. Um die Gesellschaft stabil zu halten, müssen aber auch neue Jobs geschaffen werden.
Wenn die Existenz der Menschen mit dem GE einigermaßen gesichert ist, müssen sie nicht mehr jede Arbeit zu jedem Preis annehmen. Schlecht bezahlte Arbeiten werden entweder automatisiert oder müssen besser bezahlt werden.
Mit der Höhe der Existenssicherung kann der Staat die Reproduktion der Wirtschaft steuern. Die Unternehmen können nicht mehr in dem Maße mit Arbeitsbelastung und Billiglohn auf die Arbeitnehmer (AN) Druck ausüben, denn wenn es dem AN zu belastend wird, kann er/sie sich eine andere Tätigkeit suchen. Im Hintergrund besteht die Grundabsicherung. Das Arbeitsklima wird sich verbessern, da der Unternehmer seine Mitarbeiter für die Tätigkeiten eher motivieren sollte.
Die Produkte und Dienstleistungen werden wahrscheinlich teurer. Deshalb müssen sie sich von ähnlichen Angeboten abheben. Markante Kriterien wären Klimaneutralität und Innovation. Die Produkte sollen langlebiger werden, ohne Gewährleisungsbruchstellen, nach dem Ende der Brauchbarkeit nimmt der Hersteller seine Erzeugnisse zum recyclen wieder zurück, damit werden weniger unterschiedliche Materialien verbaut, die Produkte sollen wieder reparabel werden. Für die Erzeugnisse sind Rohstoff- und Produktkreislaufsysteme vorzusehen, von der Rohstoffgewinnung zur Herstellung bis zur Wideraufarbeitung. Die Umwelt und das Klima werden nicht mehr so stark belastet.
Damit werden verständlicherweise in Deutschland produzierte Waren und Dienstleistungen teurer, aber diese sind weitaus hochwertiger und sichern in D Arbeitsplätze. Das muss man den Kunden vermitteln. Die Unternehmen müssen etwas von Ihren Gewinnen umverteilen und von überzogenen Renditeversprechungen Abstand nehmen. Für den Markt in Deutschland müssen selbstverständlich die hier produzierten Waren vor Billigimporten durch Erhebung von Zöllen geschützt werden.
Es entstehen stabile Produktlinien und die Nachfrage in D wird gesichert. Der Bearbeitungsaufwand für die Arbeitsagenturen wird mit dem GE verringert. Der Mindestlohn kann auf die Höhe des GE abgesenkt werden.
Die Menschen haben ein auskömmliches Einkommen, sind zufriedener und die Arbeitszeiten können reduziert werden. Wer kann und will, kann sich auch kreativen oder sozialen Tätigkeiten widmen, der Kindererziehung, Hausarbeit oder Freiwilligenarbeit.
Wie viel »extra« können wir noch produzieren und konsumieren? Wenn wir bereit sind, Arbeit neu zu denken, und hinterfragen, ob nur bezahlte Arbeit wichtig ist, können wir vielleicht aufhören, immer mehr zu produzieren.
C. Korth

Schreiben Sie einen Kommentar