Junge Leute schlagen sich mit allerlei Problemen herum. Probleme gehören zum Leben. Das ändert sich auch jenseits des 27. Lebensjahres nicht. Dass finanzielle Probleme das ganze Leben dominieren, ist dagegen so normal nicht. Irgendwann sollten junge Leute auf eine gesicherte Einkommensbasis kommen. Aber wann nur?

Dass 13 Prozent der 12- bis 17-Jährigen in Leipzig finanzielle Probleme haben, man kann es noch verstehen. Auch wer jung ist hat Wünsche. Und nicht alle kann man sich mit 33 Euro Taschengeld im Monat erfüllen. Das ist der Leipziger Durchschnitt. So hat es die Befragung “Jugend in Leipzig” ergeben. Jungen bekommen durchschnittlich 34, Mädchen 32 Euro. Jüngere Schüler bekommen weniger, ältere etwas mehr. Gymnasiasten bekommen sogar durchschnittlich etwas weniger als Mittelschüler. In der 10. Klasse beträgt die Differenz sogar 30 Euro zu 43 Euro.

Woran das liegt, darüber kann auch der Sozialbürgermeister nur rätseln. Denn weniger Wünsche als ihre Altersgenossen haben die Gymnasiasten garantiert nicht. Vielleicht, so vermutet Thomas Fabian, werden sie von ihren Eltern nur zu etwas mehr Eigenverantwortung angehalten. Und suchen sich öfter einen Job, um sich das Geld selbst zu verdienen, das sie für Hobby und Freizeit brauchen. Bis zur 10. Klasse verdienen zwar Mittelschüler sichtlich mehr in solchen Jobs als Gymnasiasten – danach aber springen die eigenen Verdienste der Gymnasiasten deutlich in die Höhe. Was besonders auffällt: Kinder, deren Eltern beide Vollzeit arbeiten, haben mit 72 Euro im Monat deutlich höhere Verdienste als Kinder mit nur einem Elternteil in Vollzeit (51 Euro) oder mit Eltern, die überhaupt nicht Vollzeit arbeiten (30 Euro). Das sind alles Durchschnittsergebnisse aus der Befragung, doch sie lassen ahnen, dass die wirtschaftliche Situation im Elternhaus auch schon früh das Verständnis der jungen Leute für selbstverantwortliches Handeln prägt.Was noch nicht bedeutet, dass sie ihr Schicksal souverän meistern. Im Gegenteil: Die Jugend bleibt auch im 21. Jahrhundert eine Zeit der Ungewissheit und der Unsicherheiten. Mittelschüler sind genauso häufig von Zukunftsängsten geplagt wie Gymnasiasten (25 bzw. 26 %), Berufsschüler mit 40 Prozent freilich deutlich häufiger.

Und das Erstaunliche: Die Zukunftsangst wächst sogar noch mit höherem Alter, erreicht bei den 18- bis 21-Jährigen mit 39 % ihren Höhepunkt und lässt danach nicht wirklich nach. Auch die 25- bis 27-Jährigen sind noch zu 34 Prozent von Zukunftsangst geplagt. Und das kann durchaus ein Maß sein für die Unsicherheit des ganz speziellen Leipziger Arbeitsmarktes – oder für das Ergebnis von 30 Jahren “Liberalisierung” des Arbeitsmarktes in ganz Deutschland, was gerade für junge Leute lange Zeiten der Unsicherheit, der Jobsuche und der finanziellen Armut bedeutet.

Dass 43 Prozent der 19- bis 21-Jährigen von finanziellen Problemen bedrängt werden, kann man noch verstehen. Viele von ihnen stecken ja noch in Ausbildung und Studium, versuchen aber trotzdem schon, sich einen eigenen Hausstand aufzubauen. Aber dass auch die 22- bis 24-Jährigen und die 25- bis 27-Jährigen zu 41 bzw. 40 Prozent angeben, von finanziellen Problemen bedrängt zu werden, das hat eine Menge mit miserablen Einstiegschancen ins Berufsleben zu tun.Wenig bis nichts hat es mit den üblichen Ursachen zu tun, die gern genannt werden, wenn es um Jugendprobleme in Deutschland geht. Mit Polizei und Gericht haben nur 6 Prozent der über 22-Jährigen zu tun. Ärger in der Partnerschaft haben dafür 28 bis 30 Prozent. Aber auch das wäre ein trügerisches Bild, würde hier eine himmlische Null auftauchen. Auffällig ist nur, dass die Probleme mit Partnerschaften zunehmen, je niedriger der Schulabschluss ist.

Aber die Frage können auch die Statistiker in dieser Auswertung nicht wirklich beantworten: Ist hier der Bildungsgrad ausschlaggebend? Oder doch wieder das eigentliche Problem jedes Wirtschaftsunternehmens, und eine Familie ist ja eines: das der finanziellen Ausstattung? Und in vielen jungen Familien ist sie miserabel.

Und die Vermutung liegt nahe, dass mies bezahlte Jobs, prekäre Beschäftigungen, familienfeindliche Einsatz- und Arbeitszeiten und was der modernen Erfindungen von “Mobilität und Flexibilität” noch so sind, nicht nur Familiengründungen erschweren, sondern auch Partnerschaften negativ beeinflussen.

Junge Leute mit Hauptschulabschluss klagen zu 79 Prozent über finanzielle Probleme, bei jungen Leute mit Realschulabschluss sind es 54 Prozent. Aber auch bei jungen Leuten, die ihr Studium abgeschlossen haben, sind es noch 28 Prozent.

Was zumindest deutlich macht, dass auch jenseits des Schulabschlusses nicht alles so ist, wie es sein müsste, wenn diese Gesellschaft tatsächlich Wert auf intakte Familien, saubere Einstiege ins Berufsleben und starke Eltern mit selbstbewussten Kindern legen würde. Entsprechend gebrochen sind für einen Großteil der jungen Leute eben nicht nur die Bildungsbiografien, sondern auch die frühen Erwerbsbiografien.

Die Befragung lieferte auch neue Zahlen zum Drogenkonsum – auch dem der legalen Drogen Alkohol und Nikotin – und zur Freizeitbeschäftigung der jungen Leute. Mit zwei durchaus positiven Botschaften: Es wird weniger geraucht. Und es wird mehr gelesen.

Der Bericht “Jugend in Leipzig” ist für 15 Euro (bei Versand zuzüglich Versandgebühr) erhältlich beim Amt für Statistik und Wahlen und steht kostenfrei zum Download auf www.leipzig.de/statistik unter der Rubrik “Veröffentlichungen” zur Verfügung.

Postbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, 04092 Leipzig; Direktbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, Burgplatz 1,Stadthaus, Zi. 228

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar