2013 war für die sächsische Wirtschaft ein durchwachsenes Jahr. Aber war es auch ein Jahr ohne Wachstum? Am Freitag, 28. März, veröffentlichte das Statistische Landesamt des Freistaates Sachsen die Zahlen für die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2013. Mit Einschränkung: preisbereinigt. Dieses preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg in Sachsen um 0,3 Prozent.

“Damit erholte sich die Wirtschaft nach einem Rückgang des realen BIP um 0,6 Prozent im Jahr 2012 leicht”, interpretieren die Landesstatistiker ihr Ergebnis. “Für Deutschland war real ein Zuwachs um 0,4 Prozent zu verzeichnen. Das preisbereinigte Ergebnis in Sachsen wurde 2013 zum einen durch 0,6 Prozent Zuwachs im Produzierenden Gewerbe bestimmt. Innerhalb dieses Bereiches verzeichnete allerdings das Verarbeitende Gewerbe einen realen Rückgang um 1,1 Prozent.”

Und da wird es schon kompliziert. Nicht wegen des leichten Auf und Ab, das gerade beim Verarbeitenden Gewerbe aufs engste mit dem Export und damit mit der Entwicklung auf den Exportmärkten zusammen hängt. Deutsche Politiker schwadronieren zwar gern über das Exportland Deutschland – aber sie handeln politisch nicht immer danach. Exemplarisch derzeit zu bewundern im Fall “Ukraine”, in dem sich die Politik gegenseitig überbietet im Ankündigen und Verhängen von (Wirtschafts-)Sanktionen – während die zu recht besorgten Manager der großen Unternehmen eiligst um Gespräche im Kreml anfragen. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis auch westliche Politiker aus den Verhaltensmustern des Kalten Krieges herausfinden und begreifen, wie dicht verzahnt mittlerweile alle großen Wirtschaften weltweit sind. Auch die deutsche mit der russischen.

Aber dieselben politischen Wahrnehmungsfehler gab es ja auch in der Staatsfinanzkrise der südeuropäischen Länder.

Dabei ist die exportorientierte Industrie nicht einmal der größte und ausschlaggebende Teil der sächsischen Wirtschaft. Das ist dann wieder Teil der innersächsischen Scheuklappenpolitik, die nicht wirklich akzeptiert, dass Sachsen zuallererst ein Dienstleistungsland ist. Und da gibt es seit Jahr und Tag Zuwächse – und zwar größere als im verarbeitenden Gewerbe.

Für letztes Jahr zitiert: “Zuwächse bei der Bruttowertschöpfung (BWS) kamen des Weiteren aus dem Dienstleistungssektor. Hier resultieren die maßgeblichen Wachstumsimpulse aus dem Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation mit einem realen Wachstum um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr.”

Dieses “des Weiteren” ist schon burschikos. Seit 2008 wuchs das BIP aus dem Produzierenden Gewerbe gerade einmal von 25,6 Milliarden auf 27,5 Milliarden Euro. Im Dienstleistungssektor gab es parallel einen Anstieg von 55,4 Milliarden auf 61,1 Milliarden Euro. Was auch bedeutet, dass der Dienstleistungsbereich innerhalb der sächsischen Wertschöpfung weiter kontinuierlich wächst – in diesem Zeitraum von 60,5 auf 61 Prozent.

Und auch der Fokus auf “Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation” führt eher in die Irre, auch wenn 3,3 Prozent Wachstum hier eine wirklich nennenswerte Größe sind. Aber es sind eben nicht Handel und Verkehr, die hier für die großen Zuwachsraten sorgen, sondern es ist der eigentlich moderne Bereich in dieser seltsamen Zusammenwürfelung der Dienstleister, “Information und Kommunikation”, der hier tatsächlich der eigentliche Wachstumsmotor ist.Aber noch viel wichtiger ist ein ganz anderer Dienstleistungsbereich, über den die Landesstatistiker ganz nonchalant hinweggehen: der Bereich “Öffentliche Dienstleister, Erziehung”, der eigentliche Wachstumsbereich in der sächsischen Wirtschaft. Stichwort: demografische Entwicklung, und zwar in allen ihren Facetten. Oder sollte man besser schreiben: in ALLEN ihren Facetten?

Denn er umfasst eben nicht nur den wachsenden Bereich der Pflegeberufe und des “Gesundheits- und Sozialwesens”, mit denen die Gesellschaft der zunehmenden Überalterung begegnet. Er umfasst auch das andere Spektrum all der jungen Menschen in Sachsen – von der Kita bis zur Hochschule. Dumm nur, dass das auch statistisch betrachtet ein schrumpfender Sektor ist. Nirgendwo wird der Eingriff des Staates als Sparmeister sichtbarer. Es wird an Lehrern und Hochschuldozenten gespart. Auch weil die zuständigen Minister nicht ansatzweise wirtschaftspolitisch denken. Das wird seine Spuren hinterlassen – gerade in der Innovationsfähigkeit des Landes.

Das gesamte errechnete BIP – die Summe der in Sachsen neu geschaffenen Waren und Dienstleistungen – betrug im vergangenen Jahr 99,9 Milliarden Euro und stieg in jeweiligen Preisen gegenüber 2012 um 2,7 Prozent. Was dann das oben verwendete Wort “preisbereinigt” erklärt. Die meisten Sachsen erlebten das Jahr durchaus als ein wirtschaftlich stabiles. Nur im verarbeitenden Gewerbe war ein halbes Jahr lang Unsicherheit zu verspüren.

“Rund 68 Prozent der Bruttowertschöpfung kamen aktuell aus dem Dienstleistungssektor”, rechnen die Statistiker aus. Eine Zahl, die verwirrt, wenn man an dieser Stelle nicht anfügt: Der Wert ist auf die Bruttowertschöpfung bezogen. Die lag in Sachsen 2013 bei 89,5 Milliarden Euro. Dazu kommen – wenn man das BIP ermitteln will – noch die Gütersteuern, die ja von den sächsischen Unternehmen auch mit erwirtschaftet, aber an den Staat abgeführt wurden. Diese Gütersteuern beinhalten z. B. die nicht abziehbaren Umsatzsteuern, Zölle, Vergnügungs- und Versicherungssteuern usw. Der ganze Batzen summierte sich 2013 auf 10,3 Milliarden Euro.

Der Rest ist dann ein Spiel mit dem Rechenschieber. “Jeder Erwerbstätige in Sachsen erwirtschaftete 50.246 Euro BIP, was real einem Rückgang um 0,3 Prozent gegenüber 2012 entsprach. Eine Ursache dafür ist die um 0,5 Prozent gestiegene Erwerbstätigenzahl. Innerhalb der sächsischen Wirtschaft war die BWS je Erwerbstätigen mit 61.490 Euro im Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation am höchsten.”

So trocken schreiben es die Statistiker hin. Die Arbeitskräfte in Handel, Gastgewerbe und Verkehr werden sich wundern. Aber auch hier liegt der eigentlich Mehrwertfaktor im Bereich “Information und Kommunikation”.

“Die mit 29.695 Euro niedrigste Pro-Kopf-BWS verzeichnete die Land- und Forstwirtschaft, Fischerei”, vermelden die Statistiker noch, lassen aber lieber weg, dass Sachsen beim wirtschaftlichen Aufholprozess den Anschluss verloren hat. Es gab zwar 2013 auch Bundesländer, die einen Rückgang ihrer Wirtschaftskraft erlebt haben – mit Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt auch zwei im Osten.

Aber wo Sachsen vor 15 Jahren noch die wirtschaftliche Lokomotive im Osten war, haben ihm mittlerweile andere Bundesländer den Rang abgelaufen. Das Tempo im Osten geben mittlerweile Berlin (+ 1,2 %), Brandenburg (+ 0,7 %) und Thüringen (+ 0,5 %) an. Erst dahinter kommt Sachsen als Nr. 4 im Osten. Im Bundesvergleich kommt Sachsen bei der wirtschaftlichen Entwicklung im Jahr 2013 auf Rang 9. Was so nicht sein müsste, wenn die Staatsregierung tatsächlich solche Zeiten auch zu richtigen Investitionen nutzen würde.

Denn der 9. Platz von 2013 ist nicht die Ausnahme, sondern mittlerweile die Regel. Selbst gegenüber dem bundesdeutschen Durchschnitt entwickelt sich Sachsen spätestens seit 2005 unterdurchschnittlich. Während Berlin seitdem ein BIP-Wachstum von 18,79 Prozent hinlegen konnte, schaffte Sachsen nur 7,56 Prozent. Das ist etwa in der Preislage von Mecklenburg-Vorpommern (+ 7,51 %), aber 1 Prozent niedriger als in Brandenburg und Thüringen.

Die komplette Meldung des Statistischen Landesamtes: www.statistik.sachsen.de/download/200_MI_2014/MI-63.pdf

Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung von 2008 bis 2013: www.statistik.sachsen.de/download/050_W-Gesamtrechnungen/P_I_t03_j_BIPjP_2008-2013__Y.pdf

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