Die beiden mit der EU verhandelten Freihandelsabkommen TTIP und CETA sind zwei faule Eier. Das belegte schon im Oktober die Untersuchung von Sabine Stephan, Leiterin des Referats Ökonometrie im Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung. Doch sie hat nur die bislang gängigen Studien auseinandergenommen, mit denen die Befürworter der Abkommen sich die Folgen schön malen. Nun kommt eine Studie aus den USA sogar zu dem Ergebnis, dass TTIP in Europa sogar hunderttausende Arbeitsplätze vernichten wird.

Und nicht nur das, stellt Attac Deutschland fest, dem gerade ein Gericht die Gemeinnützigkeit aberkannt hat. Wie kann denn auch gemeinnützig sein, wer so vehement gegen die Profitgier einiger großer internationaler Konzerne streitet, die sich die Studien und Gutachten maßschneidern lassen und hinterher auch die Medien dominieren, bis alle glauben, das Wunder steht vor der Tür?

Tatsächlich wird TTIP wohl auch dafür sorgen, dass tausende Europäer massive Lohneinbußen hinnehmen müssen – die Arbeitsbedingungen werden im eh schon krisengeschüttelten Europa noch einmal deutlich verschlechtert.

“Das geplante Freihandelsabkommen TTIP würde in Europa rund 600.000 Arbeitsplätze kosten und – je nach Land – zu Einkommensverlusten von 165 bis zu 5.000 Euro pro Person und Jahr führen. Auch Steuereinnahmen und Bruttoinlandsprodukte würden erheblich schrumpfen”, warnt deshalb Attac. Die Daten errechnet eine aktuelle Studie der Tufts University in Massachusetts. Die Studie basiert auf Modellen der Vereinten Nationen (United Nations Global Policy Model, GPM).

Der entscheidende Satz, den die derzeit maßgeblichen Politiker einfach ignorieren, lautet: “The largest transfers will take place in UK (7% of GDP transferred from labor to profit income), France (8%), Germany and Northern Europe (4%).”

GDP ist das Gross domestic product, also das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Und TTIP wird eindeutig dazu führen, dass große Anteile des BIP von den Arbeitnehmerentgelten zu den Kapitalbesitzern wechseln – die Reichen werden noch reicher, die Arbeitnehmer bezahlen mit heftigen Lohneinbußen dafür. Und erstaunlicherweise scheinen die Briten noch nicht einmal begriffen zu haben, dass sie noch heftiger für TTIP bezahlen als die Franzosen oder die Deutschen, die aber auch noch 4 Prozent Anteil am BIP zugunsten der großen Kapitalgesellschaften verlieren.

“Die Studie belegt, dass TTIP nicht nur ein Angriff auf soziale Standards, Arbeitsrechte, Umweltschutz, nachhaltige Landwirtschaft und Demokratie ist. Die Mehrheit der Menschen würde mit TTIP zugleich einen Verlust an Wohlstand hinnehmen müssen”, warnt Roland Süß vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac.Die bisher von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Studien (CEPR 2013, CEP II (2013), Bertelsmann Stiftung (2013) – jene Studien, deren Grundannahmen Sabine Stephan gründlich auseinander genommen hat), die ein Wachstum von 0,05 Prozent pro Jahr errechnen, basieren auch laut Attac auf unrealistischen Annahmen. Die verwendeten Modelle stammen aus den 1980er und 1990er Jahren und gehen davon aus, dass “wettbewerbsfähige” Wirtschaftssektoren, die von einer Marktöffnung profitieren, alle entstandenen Verluste in den anderen schrumpfenden Sektoren kompensieren würden. Dies würde auch für verlorene Arbeitsplätze gelten: So lange die Löhne nur niedrig genug seien, würde jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer in einem anderen Sektor eine neue Stelle finden.

“Allein die Erfahrungen der letzten Jahre in Europa zeigen die Absurdität der Annahme, dass niedrigere Löhne mehr Arbeitsplätze schaffen. Wirtschaftssektoren, die einem plötzlich verschärften internationalen Wettbewerb mit ungleichen Bedingungen ausgesetzt sind, schrumpfen weitaus schneller, als dies von anderen Sektoren aufgefangen werden kann. Zudem können steigende Löhne im Exportsektor den Verlust an Binnennachfrage nicht ausgleichen, weil dann die Löhne in der Mehrzahl der Sektoren sinken. Gerade vor dem Hintergrund der europäischen Kürzungspolitik und einer seit Jahren sinkenden Binnennachfrage würde ein weiterer Druck auf Löhne die Rezession in Europa vertiefen”, sagt Roland Süß.

Die von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Studien berücksichtigen laut Attac zudem die Wechselwirkungen mit “unbeteiligten” Ländern auf die veränderte Situation am Weltmarkt nicht. So ist eine Abnahme des Handels in anderen Ländern und aus anderen Ländern nicht abgebildet, wie bereits Erfahrungen mit ähnlichen Abkommen wie NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexiko oder dem Mercosur in Südamerika zeigen.

Und gerade die so gern Monopoly spielenden Bundespolitiker sollten bei einer Zahl geradezu erschrecken. Das ist nämlich der deutliche Verlust beim Export von langfristig 1,14 Prozent im Schnitt pro Jahr. Das bedeutet dann tatsächlich auch den Verlust von rechnerisch 134.000 Arbeitsplätzen – und das wohl vor allem in der exportorientierten Industrie. Die Arbeitsplätze und der Exportzugewinn wandern quasi einfach über den Großen Teich: die USA profitieren, Deutschland zahlt drauf.

Noch heftiger werden die Effekte in den nordeuropäischen Ländern mit ihren starken Sozialstandards. Dort drohen über 200.000 Arbeitsplätze verloren zu gehen. Womit TTIP sich als genau das entpuppt, als was es auch gedacht ist: als ein Breitseitenangriff auf europäische Sozialstandards unter dem Deckmantel des Freihandels.

Die Studie in der Kurzfassung: http://ase.tufts.edu/gdae/Pubs/wp/14-03CapaldoTTIP_ES.pdf

Die Langfassung: http://ase.tufts.edu/gdae/Pubs/wp/14-03CapaldoTTIP.pdf

Attac-Kampagne “TTIP in die Tonne”: www.attac.de/ttip

Selbstorganisierte EU-weite Bürgerinitiative gegen TTIP: www.attac.de/sEBI

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