Es klingt manchmal so einfach. Am 3. August meldet das Ordnungsdezernat ganz trocken: "Die von der NPD für den 7. August angemeldete Veranstaltung wird an der Goethestraße/Ecke Ritterstraße stattfinden. Sie wird im Zeitraum von 11 bis 14 Uhr durchgeführt und maximal eine Stunde dauern. Dies ist das Ergebnis eines im Vorfeld stattgefundenen Gesprächs." Goethestraße/Ecke Ritterstraße? Das klingt unverfänglich. Ist es aber nicht.

Dann genau da, wo die Ritterstraße auf die Goethestraße trifft, steht in der Grünanlage am Schwanenteich seit 2003 das Denkmal, das daran erinnert, das im NS-Reich auch Sinti und Roma verfolgt und ermordet wurden. Auch Leipziger.

“Auch Roma wurden von den Nationalsozialisten zur ‘minderwertigen Fremdrasse’ erklärt und zu Hunderttausenden ermordet. Genau wie der Antisemitismus ist der Antiziganismus – die Abwertung und Diskriminierung von Roma – auch heute gesellschaftlich verbreitet”, stellt Richard Gauch, Projektleiter der Gruppe “Gedenkmarsch” fest. Ziemlich erschüttert darüber, dass die Ordnungsbehörde der Stadt das einfach nicht wusste oder ausblendete bei den Gesprächen mit den NPD-Funktionären. “So wundert es mich überhaupt nicht, dass die ‘Stadt Leipzig’ im Kooperationsgespräch mit der NPD den Versammlungsort – Goethestraße Ecke Ritterstraße (am Schwanenteich) bestätigte oder vielleicht sogar selbst vorgeschlagen hat!”

Seit 2003 steht genau an dieser Stelle ein Gedenkstein mit der Inschrift:

“Den Sinti und Roma, die Opfer des nationalistischen Völkermordes wurden.
I rikerpaske ap i Sinti de Roma, kei weian maredes an u manuschengromarepen
Stadt Leipzig 2003″Auf der Platte zu Füßen des Denkmals steht zu lesen: “Zwischen 1933 und 1944 wurden zahlreiche Leipziger Sinti und Roma nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager deportiert und ermordet. Außerdem wurden Sinti und Roma aus Deutschland und dem besetzten Europa als Zwangsarbeiter in Leipziger Rüstungsbetriebe verschleppt, viele kamen dort um.”

“Diese geplante, genehmigte und nun legale Schändung des Gedenkortes für Sinti und Roma durch die NPD ist nur die ‘Spitze des Eisberges’, der Abwertung und Diskriminierung von Roma in Leipzig”, meint Gauch.
Für den gleichen Tag sind drei weitere (Gegen-)Veranstaltungen angemeldet: eine vor der Nikolaikirche und eine vor der Thomaskirche (jeweils 11 bis 14 Uhr) sowie auf dem Platz vor dem Völkerschlachtdenkmal (10 bis 15:30 Uhr).

Doch dabei wird es nicht bleiben. Das Leipziger Aktionsnetzwerk “Leipzig nimmt Platz” sieht gar nicht ein, warum die reisenden Neonazis ihre Schauveranstaltung am Denkmal für die Sinti und Roma unbehelligt abhalten dürfen.

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“Wie in den Vorjahren wollen wir gemeinsam dafür sorgen, dass die NPD und ihre Anhängerschaft in dieser Stadt keinen – öffentlichen – Raum bekommt. Wir werden kreativ und entschlossen Flagge gegen Nationalismus und Rassismus zeigen. Dazu ermutigen uns die Erfahrungen der vergangenen Jahre in Leipzig und auch die Proteste in den Städten, die die NPD bisher angefahren hat”, erklärt Juliane Nagel, Pressesprecherin des Aktionsnetzwerkes.

Das Aktionsnetzwerk empfiehlt, sich am Dienstag, 7. August, pünktlich um 11 Uhr in die Innenstadt zu begeben. Einen Anlaufpunkt bietet die von 11 bis 14 Uhr angemeldete Kundgebung vor der Nikolaikirche. Im Endeffekt werde es aber darauf ankommen, den Neonazis, die sich so zielgerichtet einen sehr symbolischen Ort ausgesucht haben, in Hör- und Sichtweite Protest entgegenzusetzen. Derzeit prüft das Aktionsnetzwerk die Anmeldung einer Kundgebung, die näher am Versammlungsort der NPD gelegen ist.

www.leipzig-nimmt-platz.de

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