Eine ganz spezielle Anfrage für die nächste Ratsversammlung am 19. März hat die FDP-Fraktion formuliert. Eine Anfrage, die ein hübsches Licht auf die Leipziger Medien und ihre Wahrnehmung durch die Verwaltungsspitze liegt. Überschrift: "Freiheits- und Einheitsdenkmal: Schuldzuweisung des Oberbürgermeisters ggü. Leipziger Medien mit Blick auf den Status quo".

“Im Interview mit der Fernsehsendung ‘artour’ des Mitteldeutschen Rundfunks äußerte sich Oberbürgermeister Burkhard Jung zum Status Quo beim Freiheits- und Einheitsdenkmal”, erläutert die FDP-Fraktion den Grund ihrer Frage.

“Wörtlich sagte Jung: ‘Die Vermittlung des Juryergebnisses in diese sehr, sehr differenzierte und diskursive Öffentlichkeit ist in der Tat nicht gelungen. Medial spielt […] eine große Rolle, dass es eine sehr schnelle Vorverurteilung gab des ersten Preisträgers als bunter Platz, als Klötzchen, als Legospielzeug. […] Da habe ich in der Tat im Ergebnis festzustellen, dass sowohl die große Tageszeitung als auch die Boulevard-Zeitung vor Ort nicht dazu beigetragen haben, drei unterschiedliche Entwürfe – Platz 1 bis 3 – zu erklären, sondern sehr schnell in eine Polarisierung zu kommen. […] Das ist ein Versagen der wenigen Zeitungsmedien, die wir haben. Das ist so!”

Die große Tageszeitung, die hier nicht mit Namen genannt wird, ist natürlich die LVZ, die Boulevardzeitung die “Bild Leipzig”. Zumindest erste begann schon am Tag der Bekanntgabe der Wettbewerbssieger, ihre Leser diskutieren und vor allem auch abstimmen zu lassen. Frei nach dem Motto: Welcher Entwurf gefällt Ihnen am besten? Was man in dieser Zeitung gern tut, auch wenn die Ergebnisse jedes Mal seltsam sind, denn zwangsläufig werden die Ergebnisse nicht nur durch die spezielle Leserschaft geprägt, sondern auch durch den Ton, den eine Zeitung vorgibt.

Die ohne jede gründliche Aufbereitung und ohne auch nur einen Tag zu warten inszenierte Abstimmung sorgte natürlich dafür, dass schon binnen weniger Tage ein medialer Druck aufgebaut wurde, dass nun der von den LVZ-Lesern gekürte Favorit der einzig würdige Wettbewerbssieger wäre und auch umgesetzt werden sollte. Das war der drittplatzierte Entwurf “Herbstgarten”.Aber die Fragen der FDP-Fraktion gehen noch weiter. Denn weder eine Jury noch eine Stadtverwaltung muss sich so einem medialen Stimmungsbild beugen, auch dann nicht, wenn es in den ersten Tagen mit aller Wucht in das von der Stadt installierte Diskussions-Forum schwappt, wo eigentlich eine moderierte Diskussion über die Siegerentwürfe stattfinden sollte. Was – unter Regie einer Berliner Agentur – in gewisser Weise auch geschah. Doch am Ende dominierte die emotional heftige Diskussion pro “Herbstgarten” auch dieses Forum.

Und berechtigterweise fragt die FDP-Fraktion nun:

“Wessen Aufgabe ist es aus Sicht des Oberbürgermeisters, für eine breite Kommunikation städtischen Handelns zu sorgen: Die der Stadtverwaltung oder die der Medien?

Ist es Auffassung des Oberbürgermeisters, dass die Leipziger Zeitungen Schuld sind am Status Quo beim Freiheits- und Einheitsdenkmal?

Welche Fehler sind aus Sicht des Oberbürgermeisters in der Kommunikation auf Seiten der Stadtverwaltung allgemein und des Oberbürgermeisters im besonderen gemacht worden?

Ist der Oberbürgermeister der Auffassung, dass Kritik oder eine polarisierende Berichterstattung zu städtischen Vorhaben in Medien automatisch Medienversagen sind?

Wie gedenkt der Oberbürgermeister zukünftig mit Medien, die aus seiner Sicht versagt haben, zusammenzuarbeiten?”

Wobei die Fragen ein klein wenig am eigentlichen Problem vorbeizielen. Denn die eigentliche Frage ist: Warum lässt eine Stadtverwaltung sich bei so einem Thema von einem Medium vor sich hertreiben, als wäre es die Stimme der Leipziger Gesamtbevölkerung? Eine wirklich nachvollziehbare Bürgerbeteiligung zum Freiheits- und Einheitsdenkmal hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Weder als es um Zustimmung oder Ablehnung ging, noch bei der Standortsuche, erst recht nicht bei der Siegerkür. Letzteres auch logisch ausgeschlossen, denn diese Entscheidung obliegt in einem regelgerechten Wettbewerbsverfahren eindeutig der Jury.

Das einzige, was 2011 stattfand, war eine Bürgerumfrage zur möglichen Aussage des Denkmals und irgendwie – naja – zur Standortwahl. Und Zwei Drittel der Befragten äußerten sich darin, der Standort solle irgendwie einen Bezug zu den Montagsdemonstrationen haben. Konkreter war die Frage nicht.

Aber das gehört zu den Fehlern, die vor dem Juli 2012 gemacht wurden. Dass dem auch noch etliche Fehler nach der Juryentscheidung folgten, hat mit dem zu tun, was die FDP-Fraktion anfragt: Wie leicht lässt sich Leipzigs Stadtverwaltung von medialen Kampagnen beeinflussen und auch dazu verleiten, einen Wettbewerb zu verbiegen, der eh schon sensibel genug ist? – Eine Frage, die sich auch einige Leipziger Stadträte stellen müssen, denn einige von ihnen waren auch in diesem unseligen Bewertungsgremium dabei, das im Juli 2013 das Wettbewerbsergebnis so gründlich auf den Kopf gestellt hat. Der einzige, der seinen Protest noch in der Gremiumssitzung deutlich machte, war der damalige Stadtrat der Grünen-Fraktion Roland Quester.

Die Anfrage der FDP-Fraktion: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/441DA56FB94F0786C1257C92005029E1/$FILE/V-f-1100.pdf

Die Stadt Leipzig zum Wettbewerb: www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/unsere-stadt/leipziger-freiheits-und-einheitsdenkmal/

Der Denkmal-Dialog: www.denkmaldialog-leipzig.de

Die Bürgerumfrage zum Inhalt des Denkmals: www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/unsere-stadt/leipziger-freiheits-und-einheitsdenkmal/werkstattphase-2011/buergerumfrage/

Die Ergebnisse der Bürgerumfrage als PDF zum Download.

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