2019 war wieder so ein Jahr, in dem Unfälle von Radfahrer/-innen im toten Winkel abbiegender Lkw für Entsetzen sorgten. Und wieder diskutierte der Leipziger Stadtrat mehrfach über Abbiegeassistenten. Seit 2016 gibt es funktionierende Modelle am Markt, aber bis heute keinen einheitlichen Standard. Trotzdem preschte im September die SPD-Fraktion vor und beantragte „Maßnahmepläne zur Einführung von Abbiegeassistenzsystemen“. Die Sache drängt – findet auch die Stadtverwaltung.

Und seit März 2019 ist zumindest klar, dass es irgendwann auch gesetzliche Vorgaben zum Einbau von Assistenzsystemen geben wird. Die neuen EU-Regelungen sehen den zwingenden Einbau von Abbiegeassistenten ab 2022 in alle neuen Fahrzeugtypen von Lkw und Bussen vor, ab 2024 sind sie in alle neuen Bussen und Lkw verpflichtend.

Aber so lange möchte auch Leipzigs Verwaltung nicht warten. In der Stellungnahme des Oberbürgermeisters zum Antrag der SPD-Fraktion heißt es nun: „Ab dem 01.01.2020 sind alle neu zu beschaffenden Lkw > 3,5 t der Stadtverwaltung, der Eigenbetriebe und kommunalen Eigengesellschaften, grundsätzlich mit Abbiegeassistenzsystemen auszuschreiben und sofern verfügbar anzuschaffen. Bestandsfahrzeuge werden, sofern dafür Abbiegeassistenzsysteme verfügbar und zugelassen sind, schnellstmöglich damit nachgerüstet.“

Entsprechende Tests gibt es ja schon bei der Stadtreinigung Leipzig.

Die Schwierigkeit ist tatsächlich, schon jetzt die passenden Assistenzsysteme für die bestehende Lkw-Flotte zu finden.

Die Unsicherheit findet sich selbst in der Verwaltungsvorlage mit lauter Gänsefüßchen wieder: „Gleichwohl werden derzeit am Markt unter dem Label ,Abbiegeassistent‘ eine Vielzahl von Produkten unterschiedlicher Funktion und Qualität ,produziert‘ und angeboten. Unklar bleibt dabei häufig, welche technischen Lösungen Unfälle wirklich effektiv vermeiden können und ob der Gesetzgeber diese letztendlich als ,Abbiegeassistent‘ anerkennt und allgemein zulässt.“

Was dann in der Beschaffung eine Menge Aufmerksamkeit erfordert. Denn: „Eine Ausrüstung auf freiwilliger Basis setzt voraus, dass es überhaupt passfähige Angebote für den jeweiligen Fahrzeugtyp gibt und es besteht das Risiko, dass womöglich Technik beschafft wird, die von den dafür zuständigen Stellen im Rahmen erforderlicher Genehmigungsverfahren später nicht zugelassen wird. Auch die Förderkulisse hat sich bislang nicht wesentlich verbessert.

Um Förderung zu erhalten, muss eine Allgemeine Betriebserlaubnis erteilt worden sein. Bei der schon laufenden Aus- bzw. angestrebten grundsätzlichen Nachrüstung lassen sich rechtliche und wirtschaftliche Risiken daher nicht ausschließen. Sie stehen jedoch in jedem Fall in keinerlei Verhältnis zur Chance, damit im Ergebnis Unfälle mit Personenschaden oder gar tödlichem Ausgang zu vermeiden.“

Heißt also im Klartext: Wo es möglich ist, wird die Stadt Assistenzsysteme einbauen.

„Zielstellung der Stadt Leipzig ist daher unabhängig von einer rechtlichen Regelung auf EU- oder Bundesebene in der Zukunft, schon heute eine schnellstmögliche vollständige Ausstattung kommunaler Lkw > 3,5 t zu erreichen. Die bisherigen organisatorischen Verantwortlichkeiten und Beschaffungsabläufe von Lkw in der Stadtverwaltung, in Eigenbetrieben und Beteiligungsunternehmen bleiben dabei erhalten“, so die Verwaltung.

„Dementsprechend wird für Neubeschaffungen von städtischen Lkw > 3,5 t das Vorhandensein eines Abbiegeassistenzsystems bei Ausschreibungen verpflichtend vorgegeben.“

Und: „Der Pool an Bestandsfahrzeugen, für die in den nächsten Jahren keine Ersatzbeschaffung vorgesehen ist, soll schnellstmöglich nachgerüstet werden. Wenn dann eine bundes- oder europarechtliche Regelung ergehen sollte, sind deren verpflichtende Vorgaben entsprechend zu berücksichtigen und umzusetzen. Dies kann dann durchaus auch einen Austausch bereits nachgerüsteter, damit nicht kompatibler Systeme zur Folge haben, was aber im vorliegenden Zusammenhang als vertretbar anzusehen ist.“

Der Stadtrat tagte: Verwaltung wird Einfahrverbot für Lkw ohne Abbiegeassistenten nicht prüfen

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