Schon 2014 knirschte es in der Leipziger Verwaltung, lief es irgendwie nicht rund zwischen den Ämtern und Führungsebenen. Was auch die Arbeit mit dem Stadtrat zunehmend belastete. Nur war irgendwie nicht recht greifbar, was da knirschte und warum. Also gab es 2014 eine erste Mitarbeiterbefragung, in der viele Rathausmitarbeiter/-innen deutlich machten, dass sie sich von ihren Vorgesetzten ziemlich vernachlässigt und abserviert fühlten. 2019 gab es die zweite Befragung.

Die im Grunde bestätigte, was auch schon die erste zeigte, auch wenn das Dezernat Allgemeine Verwaltung versucht, an der ganzen Sache das Positive zu sehen und die Diskrepanzen als Chance zu nutzen, das mit einer besser unterfütterten Personalentwicklung künftig zu ändern.

Dabei stellte sich sogar heraus, dass das eigentlich zur Verbesserung der Situation gedachte Mittel von Führungsleitlinien („Eine Führungskultur, in der die Führungskräfte Ihrer Vorbildfunktion gerecht werden und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmäßige Rückmeldung zu deren Entwicklung geben“) ziemlich schlecht bekannt ist und noch viel seltener umgesetzt wird.

„83,8 Prozent der befragten Führungskräfte wussten, dass die Stadt Leipzig Führungsleitlinien festgelegt hat, aber nur 78,6 % derjenigen Führungskräfte, die von den Leitlinien wussten, kannten auch die Inhalte der Leitlinien. Lediglich 17,9 Prozent der Befragten stimmten der Aussage, dass die Führungsleitlinien eingehalten werden, voll oder eher zu.“

Ausgerechnet das Instrument, das helfen sollte, war kaum bekannt.

Natürlich kann man fragen, ob es auch geholfen hätte. Denn es fällt auf, dass es den Angestellten um weit mehr geht und die Enttäuschungen über ihre Arbeit möglicherweise auf ganz anderen Feldern liegen.

Das geht schon los mit den Möglichkeiten der Weiterbildung und Karrieremöglichkeiten, also dem Feld, auf dem sich Menschen eigentlich entfalten können.

Was Leipzigs Rathausmitarbeiter/-innen an ihrer Arbeit attraktiv finden. Grafik: Stadt Leipzig
Was Leipzigs Rathausmitarbeiter/-innen an ihrer Arbeit attraktiv finden. Grafik: Stadt Leipzig

Das Verwaltungsdezernat zu diesem Punkt: „86,3 Prozent der Befragten gaben an, dass Ihnen bei einem Arbeitgeber Möglichkeiten der Weiterbildung wichtig sind, aber nur 45,6 Prozent der Befragten waren zufrieden mit den Möglichkeiten der Weiterbildung bei der Stadtverwaltung Leipzig. Darüber hinaus bewerteten die Befragten die Entwicklungsangebote, die sie für ihre derzeitige Tätigkeit erhalten, nur als mittelmäßig (Durchschnitt 3,03 bei einer Skala von 1 bis 5). Auch mit den beruflichen Perspektiven in der Stadtverwaltung sind immerhin 32,6 Prozent der Befragten nicht zufrieden. 34,3 Prozent bewerten die beruflichen Perspektiven in der Stadtverwaltung als neutral.

Mitarbeiter/-innen, die die nötigen Kompetenzen entwickeln, um den steigenden Anforderungen an die Tätigkeiten gerecht zu werden, sind der Schlüssel zu einer Stadtverwaltung, die auch den steigenden Anforderungen der Bürger/-innen gerecht wird. Ausreichend und gute Entwicklungsmöglichkeiten sind dafür unerlässlich. Aus diesem Grund soll die Personalentwicklung der Stadtverwaltung deutlich gestärkt werden.

Derzeit sind 3 Personalentwicklerinnen für die Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter/-innen in der Stadtverwaltung verantwortlich. Sie organisieren Seminare, ermöglichen berufliche Qualifizierung, Coachings, Supervisionen, Teamentwicklungen, Workshops, Führungskräfteveranstaltungen usw. Dafür steht momentan ein jährliches Budget von 1.110.000 € zur Verfügung. Das entspricht einem Budget von 138,65 € pro Mitarbeiter/-in im Jahr und liegt damit deutlich unter dem durchschnittlichen Budget in der freien Wirtschaft.“

Dieses Budget soll nun deutlich erhöht werden: „Um auch bei den steigenden Mitarbeiterzahlen in der Stadtverwaltung den Anforderungen an eine moderne Personalentwicklung gerecht zu werden, wird das Personalentwicklungsbudget um 1.200.000 € erhöht und zur Erarbeitung und Umsetzung neuer Personalentwicklungsmaßnahmen zusätzlich 2 Stellen (VzÄ) eingerichtet werden.“

Aber das beruhigt noch nicht wirklich. Denn man hört auch immer wieder von verdienten Abteilungsleiter/-innen, die sich nach Jahren substanzieller Arbeit um frei werdende Amtsleiterstellen bewerben – und trotzdem keine Chance bekommen. Ihre Karriere endet mitten auf der Leiter und der eine oder die andere bewerben sich dann lieber in anderen Städten um Amtsleiterposten.

Leipzig verliert damit jede Menge Knowhow, aber auch das Engagement von Menschen, die in ihrer Stadt eigentlich etwas erreichen wollen und die vor allem ihr Aufgabenfeld selbstbestimmt gestalten wollen. Was selbst in der Tabelle sichtbar wird, in der sortiert wird: „Wie wichtig sind Ihnen die folgenden Aspekte für die Attraktivität eines Arbeitgebers?“

Gleich nach „Sicherer Arbeitsplatz“, folgen darin die Angaben „Sinnvolle Tätigkeiten“ und „Interessante Aufgabe“.

Und dann wird sich auch Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning die Diskrepanzen angeschaut haben, die sich da auftun. Einige werden in der Präsentation extra herausgehoben. So finden zwar 88 Prozent der Befragten wichtig, „sich einbringen und etwas bewegen zu können“, aber nur 35,7 Prozent sind mit den Möglichkeiten dazu zufrieden.

Was Rathausmitarbeiter/-innen sich wünschen und wie es sich für sie tatsächlich anfühlt. Grafik: Stadt Leipzig
Was Rathausmitarbeiter/-innen sich wünschen und wie es sich für sie tatsächlich anfühlt. Grafik: Stadt Leipzig

Für Menschen, die gern selbstverantwortlich arbeiten, ist so ein Zustand eine Tragödie. Da wechselt man eigentlich das Unternehmen oder unterlässt dann lieber jede eigene Aktivität, weil die ja augenscheinlich nicht gewollt ist.

Mit moderner Technik tut sich die Verwaltung ebenfalls schwer. 71,5 Prozent der Befragten würden gern (mehr) moderne Technologien nutzen, aber nur 23,3 Prozent sind mit den gebotenen Möglichkeiten zufrieden. 64,5 Prozent wünschen sich auch modernere Arbeitsplatzgestaltung, nur 21,9 Prozent sind mit dem Gebotenen zufrieden.

Die Diskrepanz bei den Weiterbildungsangeboten hat das Verwaltungsdezernat ja selbst schon festgestellt. Aber irritierend ist auch der deutliche Widerspruch zwischen dem Wunsch nach Gemeinwohlorientierung, den 78 Prozent der Befragten äußerten, und der Tatsache, dass nur 45,8 Prozent mit dem jetzigen Zustand zufrieden sind. Was ja auch heißt: Die Mehrheit empfindet ihre Arbeit im Rathaus nicht als gemeinwohlorientiert.

27 Prozent der Befragten spielen tatsächlich mit dem Gedanken, die Verwaltung zu verlassen. In Zeiten eines sichtbaren Fachkräftemangels eigentlich eine Katastrophe.

Was Rathausmitarbeiter/-innen sich von ihren Führungskräften tatsächlich erwarten. Grafik: Stadt Leipzig
Was Rathausmitarbeiter/-innen sich von ihren Führungskräften tatsächlich erwarten. Grafik: Stadt Leipzig

Das Verwaltungsdezernat fokussiert sich sehr stark auf die Arbeit mit den Führungskräften. Aber möglicherweise liegt die Betonung falsch. Es sei denn, man definiert Führung anders als in den klassischen Befehlshierarchien, denn in den Wünschen der Befragten wird deutlich, dass sie wohl etliche Führungskräfte als nicht entscheidungsfreudig, als konfliktscheu, respektlos und beratungsresistent erleben. Was möglicherweise gar nicht mal die Schuld der Amtsträger ist, sondern Ergebnis einer Verwaltung, in der die Kommunikation zwischen den Ebenen und zwischen den Ämtern nicht (mehr) passt.

Was nach außen hin immer wieder dazu führt, dass Projekte jahrelang in Schleifen hängenbleiben, Ämter sich gegenseitig blockieren und neue Projekte deshalb nicht zur Umsetzung kommen, weil sie nicht in die alten Hoheitsgebiete passen. Oder nicht ins politische Portfolio der Führungskraft.

Denn auch das darf man nicht vergessen: Verwaltung hat auch Gestaltungsmacht und kann Weichenstellungen dauerhaft verhindern, wenn die entscheidenden Amtsinhaber blockieren und auch keine Sanktionen befürchten müssen, wenn sie wichtige Aufträge oder selbst Gesetze nicht umsetzen. So etwas kann dann selbst Bürgermeister/-innen blockieren, die den besten Willen haben, Dinge in Bewegung zu setzen. Irgendwann wird jeder müde, wenn es an den entscheidenden Stellschrauben nicht weitergeht.

Wobei für Außenstehende fast nie sichtbar wird, wer da nun gerade derjenige ist, der bremst und mauert. Was dann wieder eine Frage von Transparenz und Kommunikation wäre, zu der ein Rathaus eigentlich mehr Mut braucht. Stattdessen übt man sich auch Stadtratsanträgen gegenüber gern in wortreichen Erklärungen, warum man partout nichts machen könne.

Das hat nichts mit Respekt zu tun. Und schon gar nicht mit dem Ziehen am gleichen Strang oder gar dem Arbeiten am Gemeinwohl der Stadt. Man sehe nur die mit 45,8 Prozent sehr niedrige Wertung für die Gemeinwohlorientierung der Stadtverwaltung. Vielleicht sollte man da anpacken und sich einfach mal fragen, warum das so ist.

Was kann man tun, wenn Vorgesetzte kein Vorbild sind und mit den Mitarbeitern nicht kommunizieren?

Was kann man tun, wenn Vorgesetzte kein Vorbild sind und mit den Mitarbeitern nicht kommunizieren?

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