Corona hat ja einiges in Bewegung gebracht. Auf einmal lösen sich in den Köpfen vieler Menschen einige jahrzehntealte Denkblockaden und das Leben in einer Stadt wie Leipzig wird anders vorstellbar. Auch wenn das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport jetzt den Antrag der CDU-Fraktion, die Freisitzflächen der Leipziger Gastronomen um 20 Prozent zu erweitern, als rechtswidrig ablehnt, stimmt sie ihm eigentlich zu. Nur der Weg dahin muss ein anderer sein: über die Einzelanträge der Gastronomen.

Mittlerweile ist ja auch Oberbürgermeister Burkhard Jung vorgeprescht und hat ein Experiment in sein Klima-Sofortprogramm mit aufgenommen, an dem die Verwaltung schon länger arbeitet: die Umwandlung der Gottschedstraße in eine richtige Kneipenmeile. Es ist erstaunlich, aber hier zeigt sich eigentlich, dass Klima und Corona eng zusammengehören. Und dass Corona die Bemühungen um den Klimaschutz ganz und gar nicht erledigt hat, auch wenn das die einschlägigen Lobbyisten jetzt nur zu gern behaupten.

Und auch das Ordnungsdezernat betont, dass die Verwaltung die Sache mit der Gottschedstraße ernst meint: „Es wird geprüft, in einem ersten Pilotprojekt die Gottschedstraße zwischen Dittrichring und Schauspiel (Bosestraße) für den Verkehr zu sperren. Hierdurch würde eine typische ,Kneipenmeile‘ umgestaltet, um sie im Rahmen des Corona-Krisenmanagements temporär als ,Freisitzstraße‘ zu nutzen und damit bereits kurzfristig in ihren Funktionen grundlegend zu verändern.

Vorab werden Anwohnerinnen und Anwohner sowie anliegende Gewebetreibende beteiligt und deren Anliegen berücksichtigt. Ziel ist es, weitere Straßen als dauerhafte grüne Begegnungsräume auszubauen. Durch die intelligente Gestaltung mit Grünflächen und großkronigen Bäumen sowie einem Wasserspielplatz und Sitzgelegenheiten gewährleisten diese Räume auch in stetig zunehmenden Hitzeperioden einen angenehmen Aufenthalt im Freien.

Bepflanzte Flächen und gegebenenfalls abgesenkte Teilflächen dienen bei Starkregenereignissen als Retentionsräume und entlasten damit aktiv das Kanalnetz. Diese Räume dienen beispielgebend als Impuls an die Stadtgesellschaft, die zunehmend erforderliche Multifunktionalität von öffentlichen Räumen zu erkennen und deren Vorzüge anzuerkennen. Sie können zudem ein Motor für anliegende Gewerbetreibende sein.“

Und wie ist das mit den Gastronomen, die nicht in der Gottschedstraße ansässig sind?

Sie müssen trotz allem einen Antrag stellen, betont das Ordnungsdezernat.

„Gemäß § 3 Absatz 1 Satzung der Stadt Leipzig über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen (Sondernutzungssatzung) ist für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis ein schriftlicher Antrag unabdingbar. Er ist die Grundlage für alle mit der Sondernutzung von öffentlichen Verkehrsräumen durch den Antragsteller einzugehenden Verpflichtungen (Zuständigkeitsübergang)“, betont das Dezernat.

„Der Einzelantrag ermöglicht die zielgenaue Prüfung und Bearbeitung im Interesse des Antragstellers. In diesem Zusammenhang erfolgt eine Vor-Ort-Überprüfung der aktuellen Situation in Bezug auf die Einhaltung der Bestimmungen nach dem Sächsischen Straßengesetz. Ein besonderes Augenmerk wird bei dieser Überprüfung auf die Einhaltung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, den Baumaßnahmen und der Einhaltung von Flucht- und Rettungswegen in Abstimmung mit dem Verkehrs- und Tiefbauamt und Stadtplanungsamt gelegt.“

Es geht also vor allem um konkrete Sicherheitsfragen vor Ort. Nicht überall sind diese 20 Prozent mehr Fläche verfügbar, mancherorts ist freilich auch mehr drin. Das kommt also immer auf die konkrete Situation vor Ort an, betont das Ordnungsdezernat: „Deshalb ist eine pauschale, generelle Erweiterung von Freisitzflächen nicht möglich und auch nicht zielführend. Bei einer generellen Erweiterung aller Freisitze um 20 % kann – aufgrund der fehlenden Einzelfallprüfung – die zwingend erforderliche Einhaltung des Sächsischen Straßengesetzes in Bezug auf die Einhaltung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und den damit verbundenen Flucht- und Rettungswegen nicht gewährleistet werden.“

Die Folge: Es braucht eigentlich gar keinen Stadtratsbeschluss mehr.

Denn, so betont das Ordnungsdezernat: „Es ist bereits Verwaltungshandeln, den Gastronomiebetrieben die beantragten Freisitzflächen im maximal möglichen Umfang zur Verfügung zu stellen. Die Möglichkeit eines Erweiterungsantrages (zum Beispiel für angrenzende Nachbargrundstücke mittels Zustimmungen der Eigentümer und angrenzenden Gewerbeobjekten) bleibt unberührt. Es erfolgt auch hier in jedem einzelnen Fall eine Überprüfung der vor Ort befindlichen Lage. Dies schließt theoretisch und praktisch auch eine Erweiterung um mehr als 20 % ein.“

Und weil es zum Thema gehört, betont das Dezernat auch noch: „Abschließend ist festzustellen, dass die Sondernutzungsgebühren und die Verwaltungsgebühren für die Sondernutzungen vom 01.01. bis 31.12.2020 bereits mit null Euro festgeschrieben und gezahlte Gebühren zurückerstattet wurden.“

Das hilft den Leipziger Gastronomen zumindest, solange es trocken und sonnig ist und sofern sie über Platz für einen Freisitz verfügen. Aber da das Coronavirus nach wie vor unterwegs ist, werden auch die Gaststätten auf längere Zeit nur unter besonderen Schutzauflagen arbeiten können.

Linksfraktion beantragt jetzt die zeitweilige Nutzung von Stellplätzen als zeitlich befristete Freisitz-Fläche

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