Die kommende Bundestagswahl dürfte spannend werden – auch in den beiden Leipziger Wahlkreisen. Etwas mehr als zwei Monate vor der Wahl hat sich die Leipziger Zeitung (LZ) mit Kandidat/-innen aus dem nördlichen Wahlkreis 152 zum Gespräch getroffen. Im zweiten Teil des Interviews mit Marie Müser spricht die Kandidatin der Grünen über ihren Einsatz gegen Rechtsextremismus, über ihre Strategien, mit Sexismus umzugehen, und über ihre ostdeutsche Identität.

Dein anderes großes Thema ist der Kampf gegen Rechtsextremismus, Du bist seit Jahren bei „Leipzig nimmt Platz“ aktiv. Hast Du schon mal ein Auskunftsersuchen beim sächsischen Verfassungsschutz gestellt, um herauszufinden, ob Daten über Dich gespeichert worden sind?Das war eine große Katastrophe und zeigt einmal mehr, dass der Verfassungsschutz in Sachsen so nicht weiter existieren kann. Ich habe dieses Auskunftsersuchen noch nicht gestellt. Ich glaube, ich will nicht unbedingt wissen, was da drinsteht.

Ich möchte mich davon nicht einschüchtern wissen, weil antifaschistisches Engagement so wichtig ist und nicht in dieser Form stigmatisiert werden darf. Da wurden Menschen, die sich für unsere offene Gesellschaft engagieren, quasi unter Generalverdacht gestellt. Das dürfen wir als Demokrat/-innen nicht tolerieren.

Wie konkret willst Du den Kampf gegen Rechtsextremismus von der Straße in den Bundestag tragen?

Erstens ist es wichtig, dass wir im Bundestag klare Kante gegen die AfD zeigen. Sie ist eine rechtsextreme, verfassungsfeindliche Partei. Es schockiert mich, wie seitens CDU und auch FDP in einigen Landesparlamenten diese Trennlinie schwindet. Wir müssen der AfD immer wieder klar widersprechen, sie nicht tolerieren und schon gar nicht einbinden.

Zweitens muss für demokratiefördernde Einzelpersonen und Initiativen mehr Geld in die Hand genommen werden. Ich denke da zum Beispiel an Projekte, die kulturellen Austausch fördern oder Präventionsarbeit im Bereich Antisemitismus oder Rassismus leisten.

Der dritte Punkt: Wir müssen genauer auf die Sicherheitsbehörden schauen, auf Polizei und Verfassungsschutz. Das ist zwar vor allem Landesaufgabe, aber für mich trotzdem sehr zentral.

Stichwort AfD im Bundestag: Viele weibliche Abgeordnete berichten von einer zunehmend sexistischen Atmosphäre, seitdem die AfD im Parlament vertreten ist. Hast Du als junge Frau Strategien, Dich dagegen zu wappnen?

Ich stehe in engem Austausch mit anderen jungen Frauen, auch jungen Kandidierenden. Natürlich ist das etwas, was uns besorgt und umtreibt. Andererseits ist es wahnsinnig schwer als Einzelperson oder als kleine Gruppe dem etwas entgegenzusetzen. Was mich stärkt, ist die Gewissheit, in einer Partei zu sein, in der junge Frauen ernst genommen werden.

Es ist eine Schande für unsere demokratische Kultur, dass wir eine Partei haben, die das politische Klima derart verroht und Politiker/-innen einschüchtert, vor allem auch junge Menschen.

Ich habe den Anspruch an mich selbst, mich nicht einschüchtern zu lassen. Aber nur, weil ich mir persönlich vorstellen kann, solche Angriffe abwehren zu können, heißt das ja noch lange nicht, dass alle damit klarkommen. Deshalb finde ich es umso wichtiger, dafür zu kämpfen, die AfD irgendwann aus diesem Parlament wieder zu vertreiben.

Gab es im Wahlkampf bisher eine Situation, in der Du aufgrund Deiner Eigenschaften „jung“ und „weiblich“ einen Nachteil hattest?

Auf Social Media bewegen sich ganz gespenstische Menschen, die unter Pseudonymen sexistische oder auch andere klassische Beleidigungen zum Besten geben, die beispielsweise aufs Äußere abzielen oder generell Grüne in den Dreck ziehen. Man kennt das ja. Sowas ist nicht nur nervig, sondern auch sehr bezeichnend, da gerade junge Frauen und gerade welche von den Grünen einem besonderen Druck ausgesetzt sind. In meinem täglichen Leben ist es mir bisher nicht begegnet, darüber bin ich doch sehr glücklich.

Neben den Attributen „jung“ und „weiblich“ stellst Du Dich auf Deiner Website mit dem dritten Begriff „ostdeutsch“ vor. Inwiefern hat Dich Deine ostdeutsche Herkunft geprägt?

Zur Ehrlichkeit gehört, dass es für mich bis zum 18. Lebensjahr gar keine große Rolle gespielt hat. In meinem Freund/-innenkreis war die ostdeutsche Herkunft selten ein Thema. Erst später habe ich durch Gespräche mitbekommen, wie stark das Ostdeutschsein Menschen in meinem Umfeld geprägt hat. Besonders hat mich bewegt, dass viele Menschen sich durch die Wiedervereinigung zurückgesetzt gefühlt haben, dass ihre individuelle Lebensleistung nicht anerkannt wurde.

Da viele Menschen, die ich kenne, direkt betroffen sind, ist es für mich so wichtig, politisch für eine Angleichung der Lebensverhältnisse Ost-West einzustehen. Es ist für mich Teil des Kampfs für soziale Gerechtigkeit. Als Teil der Nachwendegeneration sehe ich eine Verantwortung, dafür einzustehen.

Den ersten Teil des Interviews können Sie hier nachlesen.

Auf dieser Seite sammeln wir alle Interviews mit den Kandidat/-innen.

In der aktuellen Print-Ausgabe der Leipziger Zeitung (LZ) (erhältlich seit Freitag, dem 30. Juli) finden Sie einen Schwerpunkt zur Bundestagswahl.

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