Die Fluglärmkommission des Flughafens Leipzig/Halle lässt sich gern viel Zeit. Nicht nur mit Beschlüssen, auch mit der Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle. Ihre jüngste, die 46. Sitzung, hatte sie am 19. März. Anfang April war das Protokoll noch immer nicht öffentlich. Aber zu Ostern war es nun da und zeigt die Kommission in ihrem nie verblassenden Glanz. Nur Halle bekam ein kleines Zugeständnis. Der Rest der Probleme wurde wieder vertagt.

Und damit alles weiter im geruhsamen Tempo abläuft, hat man am 19. März auch die alte Leitung wieder im Amt bestätigt: Manfred Heumos als Vorsitzender der Kommission, Angelika Freifrau von Fritsch als seine Stellvertreterin.

Von dem ganzen Aufgabenbündel, das die Kommission nun schon seit Jahren vor sich her schiebt, wurde nun erstmals ein Detail positiv beschieden: “Mehrheitlich folgte die Fluglärmkommission der von der Stadt Halle beantragten Modifizierung der Abflüge nach Norden bei Betriebsrichtung West und empfahl der DFS die entsprechende Umsetzung. Damit sollen zukünftig östliche Stadtteile von Halle vom Fluglärm entlastet werden.”

In Halle hatte auch die Stadtverwaltung Druck gemacht, dass die nächtlichen Flüge nicht immer über das östliche Stadtgebiet gehen. Notwendig war es nie, die Flieger können viel früher nach Süden abschwenken. Aber 2007, als die neue Startbahn Süd in Betrieb ging, nahm die Deutsche Flugsicherung (DFS) hier wie im östlichen Leipzig keine Rücksicht auf die Stadtstrukturen. Könnte man eigentlich erwarten, dass man in diesem Abwasch auch endlich die “kurze Südabkurvung” über Leipzig zu Grabe trägt. Aber so lange Leipzigs Stadtverwaltung den Bürgerinitiativen nicht den Rücken stärkt, wird das wohl nicht passieren. Die “Stadt Leipzig” beantragt zwar allerhand in dieser Kommission – aber augenscheinlich mit dem Nachdruck einer Flaumfeder. Es beeindruckt niemanden.

Im Gegenteil: Die Stadt, die dem Flughafen ihren Namen gibt, sitzt dort irgendwie am Katzentisch.

“Den Antrag der Stadt Leipzig auf Aussetzung der kurzen Südabkurvung lehnte die Kommission mehrheitlich ab”, heißt es im Protokoll. “Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 19.12.2013 über die Zulässigkeit der Klage eines Umweltverbandes gegen dieses Flugverfahren entschieden, ohne eine inhaltliche Bewertung seiner Rechtmäßigkeit vorzunehmen. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung informierte zum Verfahrensstand und legte seine Rechtsposition dar. Eine Aussetzung im Vorgriff auf die Sachentscheidung des sächsischen Oberverwaltungsgerichts konnte die Kommission nicht befürworten.”

Wonach klingt das? Nach einer Kommission, die die Interessen der größten Kommune in diesem Gremium auch nur ansatzweise ernst nimmt? Wohl nicht. Und nach einem gemeinsamen Agieren der Kommunen auch nicht. Selbst die DFS spielt mit den Vertretern im Gremium Katz und Maus. Auch die Forderung nach einer anderen Bahnverteilung ist eine Leipziger Forderung. Oder soll man besser sagen: Ein vorsichtig geäußerter Wunsch?

Ergebnis in der Kommission: vertagt.

“Schwerpunkt der anschließenden Beratung war das Bahnnutzungskonzept. Neben einer Betroffenheitsanalyse, deren Ergebnisse das Sächsische Landesamt für Umwelt,
Landwirtschaft und Geologie präsentierte, stellte die Deutsche Flugsicherung (DFS) eine Risikobewertung bezüglich der Kreuzungsvorgänge bei einer geografischen Verteilung der Flugbewegungen auf beide Start- und Landebahnen vor. Im Ergebnis der Betroffenheitsbewertung wurden Potentiale zur Entlastung von Lärmbetroffenen nachgewiesen, dem stehen jedoch Gebiete mit neu betroffenen Anwohnern gegenüber. Nach anschließender Vorstellung der Ergebnisse der Risikobewertung durch die DFS ist eine Änderung des derzeit angewendeten Bahnnutzungskonzeptes nur nach Untersuchung und Umsetzung weiterer Maßnahmen zur Risikominimierung möglich. Die anwesenden Vertreter der Gebietskörperschaften konnten sich aufgrund dieser Sachlage noch nicht zu einem eindeutigen Votum entschließen. Hierzu wird es mit den direkt betroffenen Kommunen weitere Abstimmungen geben.”

Und die Bahnen zeitversetzt zu nutzen, wie es ebenfalls die Stadt Leipzig wünschte? – Auch da findet sich ein hübsches Argument zur Vertagung: “Zum Antrag der Stadt Leipzig bezüglich der zeitversetzten Nutzung der Bahnen informierte das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft über eine vom Umweltbundesamt geplante Studie zur Auswirkungsbewertung. Die Fluglärmkommission regte an, sich aktiv in diese einzubringen.”Und dann war ja da noch der Test der steileren Abflugwinkel, damit das Dröhnen der alten Flugzeuge nicht noch ewig über den Städten zu hören ist. Ebenfalls verschoben: “Zur Anwendung des steileren Anflugwinkels berichtete die DFS, dass die Testphase am Flughafen Frankfurt verlängert wurde und noch nicht abgeschlossen sei. Folglich liegen noch keine belastbaren Ergebnisse vor.”

Und da Leipzig mit den anderen Kommunen in keiner Weise zusammenzuarbeiten scheint, erlebt auch Schkopau, wie das ist, wenn man am langen Arm ausgehungert wird: “Zur Beurteilung der von der Gemeinde Schkopau beantragten Verschiebung der kurzen westlichen Südabkurvung um 1600 m nach Westen hielt die Kommission eine detaillierte Betroffenheitsanalyse für erforderlich, die das SMUL analog dem Verfahren bei dem Hallenser Antrag für beide vorgeschlagene Varianten bis zur nächsten Sitzung erarbeiten soll.”

Und auch der Schkopauer Versuch, die alten lärmenden AN 12 und AN 26 vom Flughafen weg zu kriegen, ist gescheitert. Diesmal hat man der Kommune einfach ganz amtlich das Argument “Sicherheit” ausgeredet: “Nachdem die sächsische Luftaufsichtsbehörde über die Kontrollmechanismen zur Gewährleistung der Betriebssicherheit von Luftfahrzeugen und die Möglichkeiten für Betriebsuntersagungen informiert hatte, zog die Gemeinde Schkopau nach eingehender Diskussion ihren Antrag auf Betriebsuntersagung für die Luftfahrzeuge AN 12 und AN 26 zurück. Insbesondere geschah dies vor dem Hintergrund, dass trotz erhöhter Kontrollfrequenz bei diesen Luftfahrzeugtypen keine sicherheitskritischen Auffälligkeiten festgestellt wurden.”

Gibt es da überhaupt so eine Art Lichtblick für die Betroffenen, wo doch gerade der nächtliche Frachtflugverkehr in Schkeuditz weiter zunimmt? “Die Anzahl der Flugbewegungen stieg in den ersten Monaten dieses Jahres zum Vorjahreszeitraum um 4,4 %”, heißt es im Protokoll.

Und dass man sich nicht an getroffene Absprachen zur Bahnverteilung hält, weiß man auch. “Die Auswertung der Bahnnutzung von November 2013 bis Februar 2014 zeigte erneut, dass die Nordbahn am Tage stärker genutzt wurde als die Südbahn. Nachts kehrte sich das Verhältnis um.” Es steht im Protokoll wie ein Wetterbericht. Als könne man einfach nichts daran ändern.

Der kleine Lichtblick betrifft dann die schon lange kritisierten niedrigen Start- und Landeentgelte. Andere Flughäfen sind längst dazu übergangen, die Entgelte nach den Lärmklassen der Flugzeuge zu staffeln.

Wer nun in der Kommissionsrunde den Mut hatte zu sagen, das auch in Leipzig/Halle so zu machen, steht nicht im Protokoll. Nur: “Die Anregung der Kommission, bei den Flughafenentgelten eine deutliche Staffelung nach den Lärmemissionen der Luftfahrzeuge vorzunehmen, griff der Flughafen auf. Er wird mögliche Handlungsoptionen prüfen und in der nächsten Sitzung berichten.”

Was natürlich noch nicht heißt, dass die Flughafengesellschaft bei der Prüfung zu einem positiven Ergebnis kommt. Aber immerhin: Das Thema hat die Kommission erst einmal erreicht.

Die nächste Sitzung findet im November 2014 statt. Mal schauen, was dann wieder alles vertagt wird.

Zur Seite der Fluglärmkommission mit dem Protokoll: http://www.schkeuditz.de/schkeuditz/content/51/20080701140954.asp

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