Defizite im Umgang mit rechtsradikalem Terror und neonazistischen Umtrieben sind unleugbar. Besonders die Opfer, die unter genau diesem Schrecken zu leiden haben oder hatten, können davon das eine oder andere Lied singen. "Unterschätzung einer extremistischen Gefahr" ist also noch eine sanfte Untertreibung im Lichte der mehr und mehr zu Tage kommenden Details über den rechtsextremen Sumpf.

Dementsprechend äußerte sich auch Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, zum vorgestellten Zwischenbericht der Thüringer Kommission, die den Umgang von Polizei und Verfassungsschutz mit dem Nazi-Terrornetzwerk überprüft, das mutmaßlich mindestens zehn Menschen ermordet und mehr als ein Dutzend Banküberfälle sowie Sprengstoffanschläge verübt hat: “Die Probleme bei der Aufklärung des gescheiterten Zugriffs gegenüber den mutmaßlichen Haupttätern des Nazi-Netzwerkes vor gut zehn Jahren sind die Widerspiegelung des Versagens, das eben diesen Zugriff scheitern ließ. Mit der schrecklichen Konsequenz, dass eine braune Mordserie beginnen konnte, die damals noch hätte verhindert werden können. Kompetenzstreitigkeiten zwischen verschiedenen Sicherheitsbehörden und einem Geheimdienst, dessen Geheimhaltung nicht zuletzt dazu beigetragen hat, dass sich verschiedene Ermittler nebeneinander her und ohne jegliche Abstimmung erfolglos mühten, beherrschen das Bild.”

Weiter beklagt die Politikerin den fehlenden Ehrgeiz der zuständigen Behörden, die Taten wirklich aufzuklären: “Bis zum heutigen Tag gibt es leider in den zuständigen Behörden kein wirkliches Interesse an der Aufklärung der Vernetzung der extremen Rechten. Man verharmlost das “Freie Netz” und schrumpft das Nazi-Terrornetzwerk “Nationalsozialistischer Untergrund” zu einer kleinen “Zelle”.” Dazu eine kleine Erinnerung des Autoren dieses Artikels. Es war so gegen 1993, als der Autor, damals noch in der Schenkendorfstraße wohnend, an einem Schnellimbiss in selbiger Straße abends sein wohlverdientes Abendbrot zu sich nahm. Währenddessen stürmten aus der kleinen Gaststube gröhlende Glatzköpfe, die sich Gummihandschuhe überzogen und, nun war es eindeutig, sich selber anstachelten und davon sprachen “heute Zecken aufzumischen”.

So brüllten sie, bestiegen einen Lieferwagen und fuhren davon. Alles ging sehr schnell, doch blieb genug Zeit, das Kennzeichen zu notieren. Wohin die braunen Gestalten fuhren, war nicht zu eruieren. Als dann aber zwei Tage später eine Polizeimeldung von einem Überfall in einem Connewitzer Kulturzentrum berichtete, bei dem Zeugen eben genau einen solchen Lieferwagen beschrieben, dem mit Gummihandschuhen bestückte Neonazis entstiegen, um die “Zecken” zu verprügeln, griff der Autor zum Telefon, um eine Aussage zu machen und das Kennzeichen des schon erwähnten Fahrzeugs mitzuteilen. “Man kümmere sich darum,” beschied man dem damals noch blauäugigen Journalisten. Auf eine Antwort wartet er noch heute. Vielleicht nicht beispielhaft für den Umgang mit rechten Gesellen. Aber auch nicht wirklich beruhigend.

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