Der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) hat am Montag, 4. November, eine gerechtere Verteilung der Einnahmen innerhalb des Freistaates Sachsen zwischen Land und Kommunen eingefordert. Diese Schlussfolgerung zieht der kommunale Spitzenverband aus dem am Montag erschienenen Gemeindefinanzbericht Sachsen 2012/2013, der vom Leipziger Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Lenk im Auftrag des SSG erstellt wurde.

Danach hat das Land in den vergangenen beiden Jahren Haushaltsüberschüsse (Kern- und Extrahaushalte) von insgesamt 3,4 Milliarden Euro erzielt. Doch in den Kommunen gehen die Haushaltsüberschüsse seit 2008 zurück, 2012 verzeichneten sie sogar ein Defizit von 41 Millionen Euro. Für 2013 deuten die bislang bekannten Daten auf ein ähnliches Missverhältnis hin, wenngleich sich die kommunale Finanzsituation etwas entspannt hat.

Auch Thomas Lenk bezeichnete die Tendenz als beunruhigend: Die wirtschaftliche und steuerliche Basis sei bei bereits deutlich rückläufigen Solidarpaktzuweisungen im Bundesvergleich noch immer schwach, der Schuldenabbau sei ins Stocken geraten und 2012 musste erstmals seit 2003 wieder ein Finanzierungsdefizit für die Kommunen im Freistaat gemessen werden.
“Land und Kommunen haben in der Vergangenheit sparsam gewirtschaftet. Jetzt ist aber der Zeitpunkt gekommen, in dem die Kommunen auf eine stärkere Unterstützung durch den Freistaat angewiesen sind”, stellte Mischa Woitscheck, Geschäftsführer des SSG, fest.

Während der Freistaat Sachsen aufgrund des Solidarpaktes II und der Europäischen Strukturfondsförderung bundesweit noch über die vierthöchsten Einnahmen aller Bundesländer verfügt (ausgenommen Stadtstaaten, die Land und Kommune zugleich sind), sind die sächsischen Kommunen im Jahr 2012 unter das Einnahmeniveau der ostdeutschen Kommunen gesunken.

Bereits sieben Jahre vor dem Auslaufen des Solidarpaktes Ende des Jahres 2019 verfügten sie trotz infrastruktureller Nachholbedarfe nur noch über die Einnahmen der finanzschwachen westdeutschen Flächenländer (Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

“Die Zahlen zeigen, dass das Land finanziell glänzend dasteht, während die Kommunen kaum über die Runden kommen. Dieses Missverhältnis muss beseitigt werden, zumal die Kommunen massive Kostensteigerungen tragen müssen, für die die Hauptverantwortung in Berlin und Dresden liegt”, kommentierte Woitscheck diese Entwicklung.

Auf der Ausgabenseite stehen die sächsischen Kommunen neben den allgemeinen Tarif- und Preissteigerungen gleich an mehreren Stellen unter massivem Kostendruck.

Der Anspruch auf einen Krippenplatz und steigende Kinderzahlen haben nicht nur Investitionen im höheren dreistelligen Millionenbereich ausgelöst. Die Betriebskosten steigen, ohne dass der Freistaat seine Platzpauschale seit 2005 erhöht hat. Zwar sind auch die Zuweisungen des Freistaates an die Kommunen durch die zunehmende Betreuungsquote gestiegen. Im Ländervergleich liegt sein Finanzierungsanteil an den Betriebskosten eines Vollzeitplatzes aber deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

In den Schulen gibt es nach wie vor erheblichen Modernisierungs- und Ausbaubedarf. Daneben wachsen die Lernmittelkosten infolge einer weiten Auslegung der Lernmittelfreiheit sprunghaft an, ohne dass sich der Landtag dieses Problems bislang angenommen hat.

Die Ausgaben für die Jugendhilfe, Asylbewerberleistungen und die Eingliederungshilfe für Behinderte nehmen stark zu. Die Inklusion wird diese Entwicklung verstärken. Die Kosten der Unterkunft für Grundsicherungsempfänger (Arbeitslosengeld II) gehen nicht in dem Maße zurück, wie die Beschäftigtenzahlen das nahelegen könnten. Aufgrund steigender Mieten und tendenziell rückläufiger Zuweisungen (sog. Hartz IV-SoBEZ) verschlechtert sich die Refinanzierung dieser Aufgabe.

Diese Entwicklung spiegelte sich in den vergangenen beiden Jahren in deutlich zurückgegangenen Investitionen und einer Stagnation des Entschuldungsprozesses wider. Zwar ist die Verschuldung von Land und Kommunen im bundesweiten Vergleich aufgrund einer vorausschauenden Konsolidierungspolitik relativ niedrig. Aber innerhalb Sachsens tragen die Kommunen – im Vergleich zu anderen Ländern – aber einen überdurchschnittlich großen Anteil der Gesamtverschuldung – 27,4 Prozent am Gesamtschuldenberg.

Der sechste Gemeindefinanzbericht für Sachsen untersucht in der Tradition der fünf vorangegangenen Ausgaben die Finanzlage der sächsischen Kommunalhaushalte und stellt die Entwicklungen auf der Einnahme- und Ausgabeseite ausführlich dar. Da in der tagesaktuellen Betrachtung die mittel- und langfristigen Trends, Erfolge und Probleme allzu schnell in Vergessenheit geraten, werden neben der aktuellen Einordnung der sächsischen Kommunen im bundesweiten und ostdeutschen Kontext die Entwicklungen im länger­fristigen Zeithorizont seit dem Jahr 2002 analysiert.

Zehn Jahre Gemeindefinanzbericht – die erste Ausgabe erschien 2003 – sind intensiv mit der Geschichte des finanzwissenschaftlichen Lehrstuhls der Universität Leipzig verbunden, der in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert. Aufgrund der positiven Resonanz aus den Vorjahren hoffen die Verfasser, auch diesmal zur sachlichen Diskussion der kommunalen Finanzsituation im Freistaat Sachsen beizutragen.

Zu den grafische Darstellungen.

www.ssg-sachsen.de

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