Immer fehlt was. Diesmal war's die Sonntagsfrage, die die Sächsische Staatsregierung in ihren jährlichen Bevölkerungsumfragen immer gestellt hat: "Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Landtagswahl wäre?" - Eine durchaus spannende Frage im Jahr der Landtagswahl. Alles andere erfuhr die Öffentlichkeit am Dienstag, 8. April. Tenor: "Der Blick in die Zukunft der Sachsen fällt im Jahr 2014 ausgesprochen optimistisch aus."

Die Bevölkerungsumfrage, bei der vom 20. Januar bis 18. Februar 2014 wieder 1.038 Sachsen befragt wurden, hat das Institut TNS Emnid im Auftrag der Sächsischen Staatskanzlei durchgeführt.

Drei Viertel der Sachsen sehen sowohl ihrer persönlichen Zukunft als auch der Zukunft des Freistaats eher optimistisch entgegen, ist eins der Ergebnisse. Die persönliche wirtschaftliche Situation und die allgemeine Wirtschaftslage in Sachsen wird mehrheitlich positiv beurteilt. Als wichtigste Herausforderung wird weiterhin die Reduzierung der Arbeitslosigkeit genannt.

Aber die jährliche Umfrage zeigt auch immer wieder, wie sehr die alten Mythen fortwirken.

84 Prozent der Befragten halten die wirtschaftliche Lage in Sachsen tatsächlich für besser als in den anderen ostdeutschen Ländern und sind der Meinung, dass Sachsen den Vergleich mit vielen westdeutschen Ländern nicht zu scheuen braucht. Aber Politik ist eben nicht, was tatsächlich geschieht, sondern das, wovon die Leute glauben, dass es so ist.

Mit der Politik von Ministerpräsident Stanislaw Tillich sind zwei Drittel der Sachsen einverstanden, betont die Staatskanzlei. Auch mit der Arbeit der Staatsregierung seien die Sachsen mehrheitlich zufrieden.

Verblüffend ist eine Übereinstimmung: Die Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Lage als gut bis sehr gut (71 Prozent) ist beinahe deckungsgleich mit einer positiven Einschätzung der Arbeit der Staatsregierung (72 Prozent).

Was natürlich ein Problem des Frageschemas offen legt: Es fehlt der Mittelbereich des “weder / noch”. Die Befragten mussten zwischen den Begriffspaaren gut / sehr gut und weniger gut / schlecht wählen.

Jedes Jahr werden auch wichtige zeitpolitische Themen abgefragt. Im Vorjahr waren es z.B. einheitliche Abiturprüfungen, Oberschule und – naja – die Zufriedenheit mit dem Sächsischen Bildungssystem.

Diesmal ging es um die Energiepolitik.

“Wenn es um die Zukunft der Energiepolitik geht, sind den Sachsen bezahlbarer Strom und eine stabile Versorgung am wichtigsten”, betont die Staatskanzlei. “Für 98 Prozent der Sachsen ist es demnach wichtig, dass die Strompreise nicht noch weiter ansteigen und die Stromversorgung stabil und ohne Ausfälle bleibt.”

Ein Faktor, den Sachsen nicht wirklich beeinflussen kann, auch dann nicht, wenn die ostdeutschen Ministerpräsidenten Werbung für die Braunkohle machen.

Im Grunde steckt im Befragungsergebnis sogar eine deutliche Kritik an der Energiepolitik des Freistaats und ihrer ganz speziellen Ausrichtung. ” Zugleich legen 92 Prozent der Sachsen Wert auf den Schutz von Umwelt und Klima”, stellt die Staatskanzlei fest. Erst danach folgen die Themen, die von der sächsischen Energiepolitik favorisiert werden: “Auch der Erhalt von Arbeitsplätzen in der Energiebranche, mehr Unabhängigkeit von Energieimporten aus dem Ausland und möglichst wenig Eingriffe in die Landschaft sind den Sachsen bei der Gestaltung der Energiepolitik wichtig.”

Man kann nicht immer so tun, als könne man das alles gleichzeitig bekommen. Und die zu bewertende Erwartung, “dass so wenig wie möglich in die Landschaft eingegriffen wird, z.B. durch Windräder, Stromleitungen” ist einfach schon suggestiv formuliert. Als wären Tagebaue und Großkraftwerke kein wesentlich größerer Eingriff in die Landschaft. Man lässt sie hier einfach weg. Aber so agiert Sachsens Politik nun seit Jahren. Nur der Erneuerbaren Energieerzeugung werden alle negativen Eigenschaften zugeschrieben. Dass Emnid dieses fadenscheinige Spiel mitspielt, ist schon verblüffend.

Und weiter geht es bei einer Frage, die der Einzelne schon gar nicht beeinflussen kann: “Nur jeder Sechste (16 Prozent) der Sachsen wäre bereit, mehr für Strom zu bezahlen, wenn damit der Ausbau der erneuerbaren Energien schneller vorankäme. 80 Prozent wären dazu nicht bereit.”

Zahlen müssen die Sachsen – aber vor allem für all die “Reparaturen” und Kompromisse, die in den letzten Jahren am Gesamtkonzept der Energiewende vorgenommen wurden – bis hin zu den Vergünstigungen von 4 Milliarden, demnächst wohl 6 Milliarden Euro für all die Unternehmen, die sich ganz oder teilweise von Netzentgelten und EEG-Umlagen haben befreien lassen.

Aber da man lieber so gefragt hat, dass es ins eigene politische Konzept passt, sieht Staatsminister Johannes Beermann, Chef der Sächsischen Staatskanzlei, die Politik der Staatsregierung bestätigt: “Die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen haben damit klare Erwartungen an die Politik formuliert. Energie soll vor allem bezahlbar bleiben. Die Staatsregierung setzt sich schon seit geraumer Zeit dafür ein, dass den Bürgern, aber auch den Unternehmen nicht noch weitere Belastungen durch steigende Preise auferlegt werden. Wir werden uns auch gegenüber der Bundesregierung weiter dafür engagieren.”

Ein schöner Spruch, nachdem Sachsens Einspruch um den EEG-Kompromiss von Bundesenergie- und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel schlicht unerhört blieb. Durchgesetzt haben sich bei den Verhandlungen die nord- und süddeutschen Länder. NRW hat sich in Sachen Kohle sogar schon ein Stück zurückgenommen.Aber nicht nur CDU und Staatsregierung sehen sich bestätigt. Auch die SPD schöpft Hoffnung, zur Landtagswahl im August als Nr. 2 auftrumpfen zu können.

“Die gestiegene Zufriedenheit der Sachsen mit der SPD ist erfreulich”, schätzt Martin Dulig, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, ein. “Gut, dass unsere gute Arbeit in der Opposition anerkannt wird. Ich kämpfe aber dafür, dass wir künftig die beste Regierung stellen. Zudem sind Zufriedenheitswerte nur eine Momentaufnahme. Die entscheidende Frage mit Blick auf die Landtagswahl ist aber, wer die besten Antworten für die Zukunft hat. Und da sehe ich uns in bester Position.”

38 Prozent der Befragen hatten sich in der Umfrage zufrieden mit der Arbeit der SPD im Landtag gezeigt. “Keine andere Oppositionspartei und auch nicht die mitregierende FDP kam auf einen solchen Wert”, freut sich Dulig. “Die SPD konnte sich im Vergleich zur Umfrage von vor einem Jahr deutlich steigern.”

Im Bundestagswahljahr hatte die SPD mit 28 Prozent sogar leicht eingebüßt gegenüber 2012, als sie auf 32 Prozent kam. 2013 war kurzzeitig Bündnis 90 / Die Grünen die beliebteste Oppositionspartei mit 31 Prozent Zufriedenheitsquote. Die Grünen haben sich jetzt auf 34 Prozent steigern können. Was schon verblüfft. Denn normalerweise sinkt der Pegel für die Konkurrenz, wenn der für die Regierungspartei anzieht – bei der CDU von 52 Prozent auf satte 63 Prozent.

Selbst die Linkspartei legte zu von 23 auf 29 Prozent. Und – man staune – die FDP schaffte es von 18 auf 24 Prozent.

Aber an dieser Stelle wächst natürlich das Misstrauen. Versinkt das ganze Land nun ausgerechnet im Wahljahr in einer allumfassenden Zufriedenheit? Nur die 37 Prozent, die ihre wirtschaftliche Lage als “weniger gut” bis “schlecht” einschätzen, maulen noch ein bisschen?

Das wäre seltsam.

Die Vorjahresumfrage: www.regionen.sachsen.de/download/Bevoelkerungsumfrage_Sachsen_2013.pdf

Die aktuelle Umfrage als PDF zum Download.

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