Sachsen ist ein altes Land. Nicht nur vom Altersschnitt der Bevölkerung her, an den sich die Politik der regierenden CDU/FDP-Fraktion längst angepasst hat. Nur ja nichts ändern an alten Gewohnheiten und gewohnten Selbstverständlichkeiten. Auch wenn es eine "Reichsgaragenordnung" von 1939 ist, die den Wohnungsbau in Sachsen unnötig verteuert. Am Mittwoch, 18. Juni, wurde ein Gesetzentwurf der Grünen von Schwarz/Gelb abgelehnt.

“Mit unserer Initiative wollen wir die gesetzliche Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen auf Landesebene abschaffen. Dieser noch aus der ‘Reichsgaragenordnung’ (RGaO) von 1939 stammende Zwang wird dem Bedarf in den einzelnen sächsischen Gemeinden nicht mehr gerecht”, stellt Eva Jähnigen, die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, fest. “Wir verfolgen vor allem ein Ziel: Die Kostensenkung beim Wohnungsbau.”

Laut Sächsischer Bauordnung müssen Stellplätze auf dem eigenen Grundstück oder auf einem privaten Grundstück in der näheren Umgebung geschaffen werden. Was im ländlichen Raum aufgrund der günstigeren Platzverhältnisse in der Regel problemlos realisierbar ist, kann in Städten zu einem Problem werden. Zum Teil können die Stellplätze gar nicht oder nur mit hohem Aufwand auf dem Grundstück geschaffen werden, weil der Platz nicht ausreicht. Oft ist die Herstellung wirtschaftlich nicht zumutbar oder das Grundstück könnte durch die Parkplätze nicht mehr sinnvoll genutzt werden. Für diese Fälle wurde die Möglichkeit der “Stellplatzablöse” geschaffen. Danach wird für jeden Stellplatz, der nicht eingerichtet werden kann, ein Geldbetrag (Ablösebetrag) an die Gemeinde gezahlt. Die Höhe der Ablösebeträge richtet sich nach Art der Nutzung und Lage des Gebäudes und darf maximal 10.000 Euro betragen.

“Der aktuelle Zwang zum Tiefgaragenbau bzw. zur Zahlung der Ablösegebühr treibt die Baukosten und damit auch die Mieten in die Höhe”, erklärt Jähnigen einen der Gründe für die Formulierung des Grünen-Entwurfs. “Besonders in innerstädtischen Quartieren ist die Stellplatzverordnung ein Kostentreiber. Ein Tiefgaragenstellplatz kostet je nach Bodenbeschaffenheit und Zufahrtsmöglichkeiten ca. 15.000 bis 30.000 Euro, bis zu 10.000 Euro kostet die Ablösegebühr. Umgelegt kann sich das mit teilweise bis zu 100 Euro pro Monat auf die Mietkosten auswirken. Dabei brauchen viele Menschen gerade in Leipzig oder Dresden keine privaten Autoparkplätze mehr, sondern bezahlbaren Wohnraum. Gemeinden sollten daher die Möglichkeit haben, eigene Stellplatzsatzungen für das Gemeindegebiet oder Teile des Gemeindegebietes zu erlassen.”
Das Problem der alten “Reichsgaragenordnung” ist ihre Unflexibilität, weswegen sie von den anderen Bundesländern längst entsorgt, ersetzt bzw. modifiziert wurde.

“Die Bauordnungen sämtlicher Bundesländer – mit Ausnahmen des Landes Sachsen – bieten heute die Möglichkeit, die Herstellung von Stellplätzen und Garagen einzuschränken oder sogar zu untersagen, wenn bestimmte Gründe, wie zum Beispiel verkehrliche Gründe oder städtebauliche Aspekte, dies erfordern”, erläutert Jähnigen die Motivation für den Vorstoß. “Das heißt: Die Abschaffung der Stellplatzpflicht in der Sächsischen Bauordnung ist eine zeitgemäße, ökonomisch sinnvolle Maßnahme. Sie eröffnet Chancen zur Förderung des Radverkehrs und des ÖPNV. Wohnungsbaugesellschaften werden gerade im sozialen Wohnungsbau entlastet, insbesondere bei Bauvorhaben im Innenbereich.”

Auch wenn CDU und FDP den Entwurf am Mittwoch, 18. Juni, abgelehnt haben, ist ziemlich sicher, dass er in irgendeiner Variante in der nächsten Zeit wieder auf den Tisch kommt. Denn gerade dort, wo die Stellplatzpflicht ein Thema ist, weil die Bevölkerung wächst und Wohnungsbau dringend notwendig wird, verändern sich die Verkehrsmuster.

“Dass sich der Verkehrsanteil in den sächsischen Großstädten zugunsten des ÖPNV und des Radverkehrs entwickelt hat, muss sich auch darin niederschlagen, dass weniger Flächen für PKW-Stellplätze verbraucht werden. Dies verbessert die Aufenthaltsqualität in unseren Städten auf Straßen, Plätzen und Höfen, weil weniger Flächen versiegelt werden”, sagt Jähnigen.

Allein von 2011 bis 2012 sank in Leipzig der Anteil der Haushalte mit mindestens einem Pkw von 64 auf 62 Prozent. Besonders Singles und alleinstehende Rentner verzichten aufs Automobil. Der Pkw ist vor allem ein Thema für Paare – mit und ohne Kinder, das ist egal. Und es ist vor allem ein Thema für höhere Einkommen. Unterhalb eines Haushaltseinkommens von 2.300 Euro im Monat sinkt der Besitzstand in Sachen Pkw drastisch. Das Verkehrsverhalten auch in Leipzig ändert sich deutlich – weg vom privaten Pkw hin zu Fahrrad, ÖPNV und zunehmend auch Leihsystemen. Eine gute Gesetzgebung reagiert darauf. Aber wie gesagt: Sachsen ist alt. Und steckt im Denken des vergangenen Jahrhunderts fest.

Grüner Gesetzentwurf zur Aufhebung der Stellplatzpflicht (Drs. 5/12881): www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Gesetzentwuerfe/5_Drs_12881_1_1_6_.pdf

Unterstützende Stellungnahme des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V. zum Grünen-Gesetzentwurf: www.mobiles-sachsen.de/fileadmin/user_upload/sachsentakt21/Antraege/PM_Aufhebung_Stellplatzpflicht_Die_Gruenen_16_10_13_01.pdf

Unterstützende Stellungnahme des Sächsischen Landkreistages zum Grünen-Gesetzentwurf: www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/Stellungnahme_SLKT_Stellplatzpflicht_2014-06-18.pdf

Unterstützende Stellungnahme des Sächsischen Städte- und Gemeindetages SSG zum Grünen-Gesetzentwurf: www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/Stellungnahme_SSGT_Stellplatzpflicht_2014-06-18.pdf

Grüner Änderungsantrag zum Grünen-Gesetz zur Aufhebung der Stellplatzpflicht (Drs. 5/14643): http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14643&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=201

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