Am Donnerstag, 5. Juni, posaunte die Sächsische Staatsregierung eine ihrer vielen Jubelmeldungen in die Welt, die dem Volke suggerieren, man würde finanziell geradezu Weihnachtsmann spielen und gar die Löcher stopfen, die man in den letzten Jahren erst aufgerissen hat. Doch wo der Finanzminister jubelt, versteckt sich mal wieder ein quälender Kompromiss - und einer der vielen Verschiebebahnhöfe von Kosten aus dem Landeshaushalt zu den klammen Kommunen.

“In den Jahren 2015 und 2016 steigen die allgemeinen Deckungsmittel auf ein neues Hoch”, verkündete Prof. Dr. Georg Unland am Donnerstag. “Hierdurch wird die kommunale Selbstverwaltung gestärkt und damit aber auch die Eigenverantwortung für die Landräte, Bürgermeister und Kommunalparlamente noch einmal deutlich erhöht.”

Der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) und der Sächsische Landkreistages (SLKT) verzichteten erst einmal auf eigene Wortmeldungen. Auch das spricht Bände. Man schloss sich einfach der Verlautbarung des allmächtigen Finanzministers an. Denn bei der nächsten Verhandlungsrunde sitzt man zwangsläufig wieder am kürzeren Hebel. Die Einigung ist eher eine Noteinigung. Die Kommunen sind froh, überhaupt ein bisschen mehr Geld zu bekommen – in diesem Fall für die Asylunterbringung und ein bisschen für die Kita-Pauschale.

Dafür gibt’s an anderer Stelle im Finanzausgleich für 2015 und 2016 nicht mehr, sondern weniger, wie Sebastian Scheel, finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, feststellt. “Aus dem, was zum Kompromiss nicht gesagt wurde, kann man schlussfolgern, dass der ‘Hilferuf der Landkreise’, von den Lasten der Kreisgebietsreform befreit zu werden, nicht erhört wurde.”

Wer sich erinnert: Damals ging es nicht nur um den Neuzuschnitt der Regierungsbezirke, die zu Direktionsbezirken wurden, und die Abschneidung des Landkreises Döbeln, der in den Regierungsbezirk Chemnitz wechselte. Es ging auch um eine gigantische Einsparmaßnahme der Landesregierung, die auf einen Schlag 4.000 Angestellte loswerden wollte. Da ihre Aufgaben aber nicht wegfielen, wechselten diese Landesangestellten in die Kommunen. Es wurde eine Menge über Synergieeffekte und die Bündelung von Aufgaben geschwafelt, ohne dass das mit einer einzigen Studie belegt werden konnte. Tatsächlich übernahmen die Kommunen nicht nur das komplette Personal, sondern auch die Aufgaben. Und weil sie das aus eigener Kraft gar nicht bezahlen konnten, gab der Freistaat anfangs noch die Personalkosten dazu. Aber schon damals mit der durch nichts begründeten Erwartung, die Kosten würden auf kommunaler Seite irgendwie im Lauf der Zeit verschwinden oder irgendwo anders erwirtschaftet werden.
Ab 2007 erhielten die Städte und Gemeinden jährlich einen Sockelbetrag von 200 Millionen Euro vom Land zur finanziellen Abfederung des Personalübergangs vom Freistaat auf die kommunale Ebene. Dieser wurde und wird in Erwartung einer “Effizienzrendite” infolge der Strukturreformen jährlich abgeschmolzen – auch jetzt noch schmilzt er, obwohl die Kommunen diese angedachte Effizienz nicht erwirtschaften konnten.

“Die Annahme, dass im Zuge der Personalübertragung jede vierte Stelle wegfallen könne, hat sich als irrig erwiesen”, stellt Scheel fest. “So zieht sich das Land weiter aus der Finanzierung dieser etwa 4.000 Beamten und Angestellten zurück. Die Linke bedauert zudem, dass keine gesetzliche Nachsteuerung zu den Folgen der Kreisreform von 2007 vorgesehen ist. Damit ist die kommunale Ebene allein gelassen.”

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Hinter dem damaligen Verschiebebahnhof steckt natürlich die irrige und durch nichts belegte Annahme, Kommunen könnten auf irgendeine Weise “mehr Geld” erwirtschaften. Das ist weder über Steuern noch über Gebühren möglich. Schon gar nicht in dieser Größenordnung. Tatsächlich hat der Freistaat mit einem Schwung aus 4.000 Landesangestellten 4.000 Kommunalangestellte gemacht und spart auf diese Weise am Ende 200 Millionen Euro, die letztlich den Kommunen aufgebürdet wurden.

Kleine Zwischenrechnung: 4.000 Bedienstete mit einem Jahresgesamteinkommen von 50.000 Euro ergibt 200 Millionen Euro.

“Das vom Finanzminister behauptete ‘neue Hoch’ bei der zur Verfügung stehenden Finanzausgleichsmasse in den Jahren 2015 und 2016 resultiert wesentlich aus Ausgleichszahlungen, die den Kommunen aus Vorjahren ohnehin noch zustehen”, stellt Scheel fest. “Diese beruhen wiederum auf falschen Annahmen des Freistaates zur Entwicklung der Steuereinnahmen, die in den letzten Jahren regelmäßig übertroffen wurden. Insofern besteht hier kein Anlass zum Selbstlob. Die Staatsregierung trifft zudem keine Aussagen darüber, wie mit dem demografischen Wandel und dem Prozess der zunehmenden Ausdifferenzierung von Städten und Landkreisen umgegangen werden soll. In allen Landkreisen schrumpft die Bevölkerungszahl weiter, nur in den kreisfreien Städten steigt sie. Zwar gibt es kurzfristige Hilfe für einzelne Landkreise; für Lösungen in der Breite hat die Staatsregierung allerdings offenbar noch kein Instrument gefunden.”

Und auch die anderen “Geschenke” sind im Grunde keine. “Die Kommunen werden weiterhin durch die nicht ausreichende Erhöhung der Kita-Pauschale belastet. Deren Erhöhung auf 2.060 Euro ist nicht bedarfsgerecht, da sie nicht einmal ausreicht, um die Kostensteigerung in diesem Bereich aufzufangen”, erklärt Scheel zu diesem Gnadenerweis. “Wir sehen ein sich seit Jahren verschärfendes Missverhältnis bei Aufgaben- und Ausgabenlasten zwischen Freistaat und Kommunen. Wir sind gespannt auf das nun von der Staatsregierung zu erarbeitende und dem Landtag vorzulegende Finanzausgleichsgesetz, dabei vor allem auf die Betrachtung der Ausgabenentwicklung der kommunalen Ebene.”

Die Meldung des Finanzministeriums zum Thema:
www.medienservice.sachsen.de/medien/news/192656

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