Immer wieder wird über die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten diskutiert. Doch Deutschlands Abgeordnete tun sich schwer, ihre Zweitverdienste offenzulegen. Bei einem großen Teil der Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten bleibt vollkommen im Dunkeln, von wem diese stammen. Das geht aus Recherchen der Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de hervor.

Seit Beginn der Legislaturperiode im Oktober 2013 haben die Volksvertreter insgesamt über 6,6 Millionen Euro nebenher verdient, davon stammen mindestens 2,1 Millionen Euro aus anonymen Quellen. Eine Aussage, die man natürlich einschränken muss: 150 von 631 Abgeordneten haben Nebeneinkünfte angegeben. In 197 Fällen erfolgten Bruttozahlungen von namentlich nicht bekannten Privatpersonen oder Unternehmen. In Einzelfällen lagen diese bei mehr als 250.000 Euro.

Freiberufler wie Landwirte oder Anwälte brauchen nach den geltenden Verhaltensregeln des Bundestages nicht offenzulegen, wer ihre Geschäftspartner oder Mandanten sind. Und im Bundestag sitzen sehr viele Anwälte. Und auch diverse Freiberufler, deren Freiberuflichkeit sich im großen Feld der Wirtschafts- und Politikberatung erstreckt.

“Die Verschleierung von Geldgebern ist ein Einfallstor für Lobbyisten”, kritisierte der Geschäftsführer der Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de, Gregor Hackmack, am Montag. “Bürgerinnen und Bürger müssen in einer Demokratie wissen, von wem ihre Repräsentanten Geld kassieren.”

abgeordnetenwatch.de fordert Konsequenzen aus dem jetzt bekannt gewordenen Umfang von anonymen Geldzahlungen und hat deswegen am Sonntag, 27. Juli, eine Internetpetition mit dem Titel “Verschleierung von Nebeneinkünften stoppen!” gestartet. Darin werden die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, sowohl die Nennung aller Geldgeber als auch die Offenlegung der Nebeneinkünfte auf Euro und Cent gesetzlich zu verankern.
Nach den derzeitigen Verhaltensregeln müssen Bundestagsabgeordnete ihre Einkünfte erst ab einem Betrag von mehr als 1.000 Euro angeben und in zehn groben Verdienststufen veröffentlichen. Allein die Höchststufe 10, in die Einkünfte von mehr als 250.000 Euro fallen, wurde von den Parlamentariern seit Oktober in sieben Fällen gemeldet. Ob die Abgeordneten in diesen Fällen 251.000 Euro, 1 Million Euro oder sogar mehr erhielten, bleibt der Öffentlichkeit verborgen.

“Britische Unterhausabgeordnete müssen sämtliche Einkünfte und alle Geschäftspartner offenlegen. Es gibt keinen Grund, warum diese Transparenzpflichten nicht auch für Bundestagsabgeordnete gelten sollen”, so abgeordnetenwatch.de-Geschäftsführer Gregor Hackmack.

Dabei fällt auch auf, dass die fleißigsten Zuverdiener bei CSU und CDU zu finden sind. Abgeordnete aus Ostdeutschland tauchen im oberen Teil der Liste gar nicht auf.

Insgesamt 13 Bundestagsabgeordnete haben in den ersten neun Monaten dieser Legislaturperiode bereits Nebeneinkünfte von 100.000 Euro oder mehr bezogen. Spitzenverdiener ist der Rechtsanwalt und CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler, der auf der Parlamentshomepage Bruttoeinkünfte von mindestens 967.500 Einkünfte angibt. Der frühere Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), wegen dessen horrender Nebeneinkünfte in der vergangenen Wahlperiode die Verhaltensregeln reformiert wurden, kassierte seit Oktober 2013 unter anderem als Vortragsredner, Berater und Autor mindestens 159.000 Euro. Unter den 13 Spitzenverdienern befinden sich neun Parlamentarier von CDU/CSU und zwei der SPD.

Für Unmut sorgt die Nebentätigkeit des CSU-Politikers Peter Gauweiler als Anwalt inzwischen auch in der Großen Koalition. “Die Nebenverdienste von Herrn Gauweiler sind vor der großen Zahl seiner Fehlstunden und vielen verpassten Abstimmungen durchaus ein Problem”, schrieb der SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär, Ulrich Kelber, im Kurznachrichtendienst Twitter. (https://twitter.com/UlrichKelber/status/493423905504522240)

Bezahlte Nebentätigkeiten haben nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de 150 der 631 Bundestagsabgeordneten und damit annähernd jeder vierte. Von den Parlamentarieren der CSU bezieht sogar fast jeder zweite zumindest eine Nebentätigkeit.

Nur drei Abgeordnete aus Sachsen tauchen unter den 150 Abgeordneten mit Nebenverdiensten auf: der Leipziger SPD-Abgeordnete und ehemalige Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (mit 17.000 Euro taucht er an Stelle 60 auf), die Abgeordnete der Linken Sabine Zimmermann (mit 9.000 Euro an 99. Stelle) und der CDU-Abgeordnete Heinrich Frank aus Chemnitz (mit 1.000 Euro an Nummer 148).

Eine Liste der Nebentätigkeiten nach Fraktionen finden Sie hier:
www.abgeordnetenwatch.de/sites/abgeordnetenwatch.de/files/nebeneinkuenfte_fraktionsuebersicht.png

Eine alphabetische Liste aller Bundestagsabgeordneten mit Nebeneinkünften finden Sie hier (pdf):
www.abgeordnetenwatch.de/sites/abgeordnetenwatch.de/files/nebeneinkuenfte_mdbs_wp18_alphabetisch_0.pdf

Eine Liste mit den 13 Spitzenverdienern (100.000 Euro und mehr) finden Sie hier:
www.abgeordnetenwatch.de/sites/abgeordnetenwatch.de/files/nebeneinkuenfte_top13.png

Eine Aufschlüsselung der 197 Fälle, in denen Abgeordnete Einkünfte von anonymen Geldgebern erhalten haben, finden Sie hier:
www.abgeordnetenwatch.de/sites/abgeordnetenwatch.de/files/einkuenfte_unbekannter_herkunft_1.png

Link zur Petition:
www.abgeordnetenwatch.de/petitions/verschleierung-von-nebeneinkuenften-stoppen

Quelle: abgeordnetenwatch.de

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