Am 20. September werden sich die Grünen in Leipzig, im UFZ-Helmholtzzentrum für Umweltforschung, zur Landesversammlung treffen. Einer der wichtigsten Tagesordnungspunkte: Die Landesdelegierten sollen über den weiteren Verlauf der Sondierungen mit der CDU befinden. Der Landesparteirat hat mit dem heutigen 19. September das Ende der Sondierungs-Gespräche beantragt. Regieren sei kein Selbstzweck, die Gemeinsamkeiten mit der CDU Sachsen reichten nicht für eine Koalition. Trotz einigen interessanten Annäherungen während der "ernsthaften Gespräche".

Es war das erste Mal, dass CDU und Grüne in Sachsen an einem Tisch saßen und sich bemühten, einen Weg in eine etwaige Koalition zu finden. Der Parteirat der Grünen stellt nicht nur dies, sondern auch die gute Atmosphäre und die demokratische Dimension der Treffen heraus. Doch es gab neben einigen Kompromissansätzen wohl einige unvereinbare Interessenlagen zwischen Grünen und CDU. So schreibt die Sondierungsgruppe im Antrag über das Thema Energiezukunft in Sachsen:

“Bei der Anhebung der Ausbauziele für Erneuerbare Energien, bei der Rücknahme von Behinderungen bei der Windkraft sowie bei Investitionen in Forschung und Entwicklung können gemeinsame Anliegen zusammengeführt werden. Keine Verhandlungsbasis scheint es für ein sächsisches Klimaschutzgesetz zu geben. Auch der verbindliche Einstieg in den Ausstieg aus dem Braunkohlebergbau ist ein grünes Kernanliegen, bei dem aktuell keine Aussicht besteht, eine für beide Seiten tragfähige Vereinbarung zu erzielen.”

Die geplanten Tagebauerweiterungen, also Nochten II, Vereinigtes Schleenhain/Pödelwitz und die Laufzeit zumindest der ältesten und klimaschädlichsten Braunkohlekraftwerke zu begrenzen, habe sich als nicht vereinbar mit CDU-Positionen herausgestellt.

Auch im Bereich Bildung hätten die Gespräche zwar Gemeinsamkeiten, aber auch gravierende Unterschiede ergeben. Während man bei Inklusion in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern, einer soliden Ausstattung der Studentenwerke und bei der Weiterentwicklung der sächsischen Hochschullandschaft “Ideen auf beiden Seiten” erkannte und bei der Linderung des Lehrermangels sogar ein gemeinsames Anliegen vorfand, scheint es gerade im Bereich der Kleinsten in der Gesellschaft wenige Wege zueinander gegeben zu haben.
Die Betreuungsschlüssel in Horten, Kitas und Kindergärten gesetzlich zu verbessern und schrittweise umzusetzen, scheint keinen Konsens zu finden. Gemeinschaftsschulen als Regelschulen würde es mit der CDU gemeinsam auch nicht geben und das Recht auf Inklusion an Regelschulen umsetzen ebenfalls nicht. Weitere Vorschläge, wie ein “Lehrerbildungsgesetz, das den Zwang zum Studium für bestimmte Schularten auflöst und die Voraussetzungen für gleiche Bezahlung auch für GrundschullehrerInnen schafft.” fanden in den Sondierungen kein positives Echo. Den Stellenabbau an Sachsens Hochschulen zu stoppen und die Grundfinanzierung der Unis wieder zu erhöhen schien in der gesuchten schwarz-grünen Konstellation ebenfalls nicht möglich, auch vom “Hochschulfreiheitsgesetz” wollten die Christdemokraten offenbar nicht abrücken.

Positiv zu sehen, dass die Gespräche offenbar bei einigen Infrastrukturmaßnahmen durchaus kooperativ waren. Bei Themen wie dem Erhalt vor dem Neubau von Straßen, eine stärkere Förderung des Radverkehrs und “ein Nachdenken über die Strukturen im Öffentlichen Personennahverkehr waren Kompromissmöglichkeiten auf beiden Seiten erkennbar. Den Zielstellungen Einführung eines Sachsentakts, Strukturänderungen im Öffentlichen Personennahverkehr und gemeinsamen Tarifen könnte man sich gemeinsam nähern.” so die Sondierungsgruppe in ihrem Statement zu den Gesprächen. Auch beim Ausbau der Breitbandversorgung im ländlichen Raum sei man sich näher gekommen.

Dafür gäbe es schon weniger Spielraum beim “wirksamen Schutz vor Verkehrs- und Fluglärm, (…) dem fortschreitenden Flächenverbrauch, um dem dauerhaften Verlust von Natur und Landschaft, von Lebensräumen, Agrar- und Waldflächen zu verhindern.” Hier zeichnete sich zwar Kompromissbereitschaft ab, aber so richtig zu glauben scheinen es die grünen Sondierer nicht.

Zumindest Verhandlungsbereitschaft könnte man bei der “Förderung der Umstellung auf ökologischen Landbau erkennen.” Doch so richtig kann man sich nicht vorstellen, wie dies mit dem Dissens in den Fragen “Verbot von tierquälerischen Praktiken (…) dem Förderstopp von Massentierhaltung und einem Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände …” zusammenpasst. Hier lägen die Vorstellungen weit auseinander. Ebenso bei der Frage des Baumschutzes sowie bei Baumfällungen auf Deichen.

Gesprächsbereitschaft fanden die Grünen bei der CDU auch über eine Absenkung des Quorums bei Volksbegehren, bei der Stärkung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten sowie bei der Finanzierung des Landesprogramms “Weltoffenes Sachsen”. Auch eine Erhöhung von Einstellungskorridoren für Polizisten wäre durchaus denkbar. “Für eine Kennzeichnungspflicht der Polizei sowie einer Verbesserung der Interventionszeiten waren hingegen die Hürden zu hoch.” heißt es im Antrag.

Keine Einigung könnte man wohl dagegen in weiteren Gesprächen bei den Themen Absenkung des Wahlalters bei Landtags- und Kommunalwahlen, bei der Abschaffung der sogenannten “Demokratie-Erklärung”, der Erweiterung der Information, der informellen selbstbestimmung und einer Auflösung des Verfassungsschutzes in der jetzigen Form erzielen. Auch beim Konzept, “AsylbewerInnen freie Bewegungsmöglichkeiten über die Kreis- und Landesgrenzen hinweg zu gewähren, erscheint keine Übereinkunft möglich.”

Im Fazit empfiehlt der Antrag eine Beendigung der Gespräche, da man “insbesondere bei den Themen Energiewende und Bildung” keine vertretbaren Lösungen sehe. Somit sei “eine zügige und stabile Regierungsbildung durch CDU und Bündnis90/Die Grünen in Sachsen derzeit nicht absehbar und der Einstieg in vertiefte Koalitionsverhandlungen jetzt nicht zielführend.”

Am 20. September werden nun die Landesdelegierten entscheiden, ob sie diesem Antrag zustimmen oder die grüne Sondierungsgruppe in eine weitere Runde entsenden wollen. Noch heute möchte sich jedoch auch der Ministerpräsident Stanislaw Tillich mit einer eigenen Empfehlung an seine Partei wenden. Nach der grünen Abkehr kann man fast sicher davon ausgehen, dass damit CDU und SPD allein weiter verhandeln werden. Auch der SPD-Vorstand Sachsens möchte sich noch am heutigen Freitag dazu äußern.

Zur Pressemitteilung des Parteirates der B90/Die Grünen
www.gruene-sachsen.de/aktuell/
Der Antrag an die Landesversammlung als PDF zum download.

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