Dass Krankenhäuser wie das Städtische Klinikum St. Georg in Leipzig in die roten Zahlen schlittern, hat - wer hätte anderes gedacht - auch mit der Spar- und Knauserpolitik der sächsischen Landesregierung zu tun. Denn wenn die Finanzierung der Fallbetreuung durch die Krankenkassen auf den Cent genau kalkuliert ist, bleibt eine Deckungslücke - etwa bei Personal- und Investitionskosten. Das selbst zu erwirtschaften, ist für ein städtisches Krankenhaus unmöglich.

Das Thema taucht nicht nur im “Jahresabschlussbericht 2013” der städtischen Beratungsgesellschaft bbvl für den Leipziger Stadtrat auf, wo es heißt: “Aufgrund der nicht kostendeckenden gesetzlichen Krankenhausfinanzierung, bei der die anfallenden tariflichen Kostensteigerungen im Personal- und Materialbereich nur teilweise über Steigerung der Landesbasisfallwerte kompensiert werden, wird sich der Kostendruck für die Gesellschaft weiter verstärken.”

Die Krankenhausleitung habe zwar umgesteuert. Aber solche “Kostensenkungsprogramme” gehen fast immer zu Lasten des Personals: weniger Schwestern auf der Station, ausgelagerte Dienste mit geringerer Entlohnung – nicht nur in Leipzig wird gerade das Personal in den Kliniken auf Verschleiß gefahren. Aber der bbvl fiel auch nichts anderes ein, als ein Weiter so zu empfehlen: “Zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit und insbesondere zur Sicherung der Liquiditätslage ist es unverzichtbar, dass der begonnene Sanierungskurs konsequent fortgesetzt wird. Der weiteren Optimierung klinischer Prozesse und konsequenten Verfolgung der im Jahr 2013 umgesetzten und für 2014 geplanten Kostensenkungsprogramme kommt daher höchste wirtschaftliche Bedeutung zu. In der Wirtschaftsplanung 2014 ist daher ein Maßnahmenpaket integriert, welches im Vergleich zum Jahr 2013 ein Aufwandssenkungsvolumen in Höhe von 5,8 Mio. Euro beinhaltet. Trotz dieser, insbesondere im Instandhaltungsbereich substanzverzehrenden Einsparungen muss der Schwerpunkt der Anstrengungen kurz- und mittelfristig weiterhin im Bereich der Personalkosten liegen. Dafür sind zusätzliche strukturelle Maßnahmen erforderlich, um die defizitäre Kostenstruktur schnellstmöglich zu beseitigen.”

Das Personal soll also den “Substanzverzehr” ausgleichen.

Das fand nicht mal der Sächsische Rechnungshof sinnvoll, als er den ersten Band seines “Jahresberichts 2014” vorlegte. Darin hat er in Sachen Krankenhausfinanzierung explizit das sächsische Sozialministerium kritisiert. Das weiß zwar um den Investitionsbedarf in Sachsens Krankenhäusern, stellt aber die nötigen Kompensationsmittel nicht in ausreichender Höhe bereit. Auch so kann man ein Land “gesundsparen”.

Der Rechnungshofbericht dazu: “Das SMS ermittelt den jährlichen Investitionsbedarf der KH anhand einer überschlägigen Bedarfsanalyse. Auf der Grundlage der voraussichtlichen Abschreibungskosten wird dabei von einem jährlichen Refinanzierungsbedarf von 3 TEuro je KH-Planbett ausgegangen. (3.000 Euro je Krankenhausbett, d. Red.) Der sich hieraus und aus der Planbettenzahl des jeweils geltenden KH-Plans ergebende Investitionsbedarf liegt bei etwa 68 bis 70 Mio. Euro jährlich. Der Freistaat Sachsen stellte in den Jahren 2006 bis 2012 durchschnittlich pro Jahr 38 bis 42 Mio. Euro pauschale Investitionsfördermittel für die KH zur Verfügung. Für die Jahre 2013 und 2014 sind je 46 Mio. Euro im Haushaltsplan veranschlagt. Der vom SMS ermittelte Bedarf lag im betrachteten Zeitraum durchgehend erheblich über den Istausgaben. – Sachsen liegt damit im bundesweiten Vergleich der Pauschalmittel pro Planbett und der Pauschalmittel pro Einwohner seit dem Jahr 2008 regelmäßig auf dem letzten oder vorletzten Platz.”

Dabei stellte der Rechnungshof auch noch eine gewaltige Unwucht fest, denn die Förderbeträge wurden nicht an die Entwicklung der Bettenzahl angepasst. Krankenhäuser – vor allem in ländlichen Raum – die ihre Bettenzahl deutlich reduziert haben (aufgrund der zurückgehenden Einwohnerzahl im Einzugsgebiet) hatten pro Bett deutlich höhere Fördermittel zur Verfügung als Krankenhäuser, die ihre Bettenzahl aufgrund der Bevölkerungsentwicklung nicht reduzieren konnten (mussten).

Konzeptlos nennt das die in der neu gewählten Linksfraktion im Landtag für Gesundheitspolitik zuständige Abgeordnete Susanne Schaper: “Die Ausgaben für die pauschale Investitionsförderung lagen deutlich unter dem vom SMS ermittelten Investitionsbedarf der Krankenhäuser. Im Jahr 2012 standen einem Bedarf von 68,2 Millionen Euro Ausgaben von 40,3 Millionen Euro gegenüber. Für die zukünftige Sicherstellung einer das Anlagevermögen erhaltenden Finanzierung ist ein langfristiges Konzept erforderlich.”

Eine Kritik, die sich direkt an die verantwortliche Ministerin richtet: “Wenn der Rechnungshof kritisiert, dass weder das Sozialministerium noch die Sächsische Aufbaubank darüber im Bilde sind, wie viele unverbrauchte Mittel die Krankenhäuser angespart haben, belegt dies einmal mehr: Wer kein Konzept hat, kennt den Bedarf nicht und kann ihn auch nicht befriedigen. Ähnliches erleben wir zum Beispiel im Lehrerbereich seit Jahren. Das Ergebnis ist, wie bei den Schulen, Substanzverzehr”, so Schaper. “Die Tatsache, dass das SMS seine eigene Bedarfsanalyse nicht mit Mitteln untersetzen kann, beschert dem Freistaat die unrühmliche Rolle des bundesweiten Schlusslichts bei der pauschalen Investitionsförderung der Krankenhäuser. Der Rechnungshof fordert zu Recht ein ‘schlüssiges und langfristiges Konzept, wie und in welchem Umfang Haushaltsmittel für die pauschale Investitionsförderung sichergestellt werden sollen’. Dazu gehört in der Tat die Anpassung der Pauschalförderungsverordnung, um die Zahl der Betten als Bemessungsgrundlage zeitgemäß zu gestalten und Fördermittel tatsächlich dort einzusetzen, wo sie gebraucht werden. Ich erwarte von der Staatsregierung, dass sie ihrer hier formulierten Änderungsbereitschaft Taten folgen lässt.”

Die Empfehlung des Rechnungshofes hatte es dann freilich in sich: Er schlug vor, die Kommunen über eine Krankenhausumlage stärker in die Finanzierung der Krankenhäuser einzubeziehen, was dann endgültig der Schritt wäre, die Bürger extra bezahlen zu lassen für die Sparpolitik der Länder. Die Empfehlung: “Das SMS hat sich mit dem SMF intensiv um eine Sicherstellung der bedarfsgerechten und angemessenen Investitionskostenfinanzierung zu bemühen. Dabei ist eine Kostenbeteiligung der Landkreise und Kreisfreien Städte über die Erhebung einer KH-Umlage in Betracht zu ziehen.”

Aus Schapers Sicht steht aber die Landesregierung in der Pflicht. Sie hat sich auch auf Kosten der Krankenhäuser einen Überschusshaushalt zusammengespart. Welche Größenordnung der Investitionsstau mittlerweile hat, benennt Schaper auch: “Durch den Wegfall der Investitionszuschläge der Krankenkassen wird sich die Situation noch verschärfen. Das Versorgungsniveau darf nicht absinken, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung. Die Aufgabe für die Staatsregierung bleibt: Mit dem in naher Zukunft zu verabschiedenden Doppelhaushalt müssen auch die Krankenhausinvestitionen auf die notwendige Höhe angehoben werden. In den nächsten beiden Jahren wären zusätzliche Landeszuweisungen in Höhe von jeweils mindestens 200 Millionen Euro notwendig, um den Investitionsstau zu beheben. Das sieht auch die Sächsische Krankenhausgesellschaft so. Die Landesebene ist hier in der Pflicht. Eine Kostenbeteiligung der Landkreise und Kreisfreien Städte nach § 8 Abs. 2 SächsKHG wird das Problem nicht lösen helfen können, denn die Finanzsituation vieler Landkreise ist ebenso desolat wie Teile der Krankenhaus-Infrastruktur. Damit würden die Probleme nur verlagert, nicht gelöst.”

Und was haben sich CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag dazu vorgenommen? – Da klingt das noch recht allgemein, deutet aber an, das man das Thema zumindest auf der Agenda hat. Auf Seite 56b zu lesen: “Durch das Auslaufen des Artikels 14 des Gesundheitsstrukturgesetzes bedarf es neuer Finanzierungsformen für die sächsischen Krankenhäuser. Die Pauschalförderung soll gestärkt werden. Ferner wollen wir auch weiterhin gezielt Maßnahmen, die der Weiterentwicklung von Strukturen dienen, im Rahmen der Einzelförderung unterstützen. Das Sächsische Krankenhausgesetz werden wir modernisieren und Qualitätskriterien für die Krankenhausplanung berücksichtigen.”

Zum “Jahrsbericht 2014”, Band 1 des Rechnungshofes – dort ist das Thema ab Seite 159 behandelt:
www.rechnungshof.sachsen.de/jb2014/JB2014-Band-I.pdf

Zum bbvl-Jahresbericht 2013:
www.l-iz.de/html/downloads/AnlageJahresabschlussreports2013.pdf

Zum Koalitionsvertrag von SPD und CDU:
www.epenportal.de/web/datapool/storage/files100474/LTW_2014/Koav_CDU_SPD_2014-2019_20141023.pdf

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar