Es rumort mächtig in den Parteien, auch in Sachsen. Während Grüne und FDP eher vor der Frage stehen, ob und wie sich das anfühlen soll mit der eventuell kommenden Regierungsbeteiligung im Bund, ist in der sächsischen CDU nach der Wahl und den Äußerungen von Ministerpräsident Stanislaw Tillich einiges an Debatten im Gange. Soll man „nach rechts“ rücken oder liegen die eigentlichen Probleme wo ganz anders. Markus Walther, Staatsanwalt in Sachsen, bis 2015 Chef der Jungen Union Leipzig, sieht den Punkt für eine offene Debatte um das Handeln seiner Partei endgültig gekommen und hat die Initiative „Neues Sachsen“ angestoßen.

Sehr geehrter Herr Walther, die Bundestagswahl liegt nun etwas mehr als eine Woche hinter uns, waren Sie als durchaus bekanntes Leipziger CDU-Mitglied und ehemaliges Vorstandsmitglied des Landesvorstands der Jungen Union Sachsen & Niederschlesien mit dem Wahlkampf Ihrer Partei und auch der bisherigen Arbeit zufrieden?

Ich kämpfe für eine Erneuerung in der Sächsischen Union. Das Wort „in“ ist mir wichtig: drin sein, drin bleiben, drin verändern. Denn ich bin überzeugt, in der für mich richtigen Partei zu sein. Alles in allem wird Deutschland zu Recht im Ausland bewundert: für seinen Wohlstand, für seinen sozialen Frieden und für seinen Umgang mit der eigenen Geschichte.

Gleichzeitig hat sich bei vielen, mit denen ich rede, der Eindruck festgesetzt, dass auf Landesebene zu träge auf die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft reagiert wird. Das ist natürlich der offene Ausbruch von Ausländerfeindlichkeit, bei dem es der Sächsischen Union schwerfiel, sie von bloßen kulturellen oder wirtschaftlichen Existenzängsten abzugrenzen.

Aber wenn bürgerliche Wähler an der Union verzweifeln, dann geht es doch eigentlich um die zentralen Themen der Landespolitik: Bildung, Polizei und Infrastruktur. Da ist die Bereitschaft, große oder kleine Kurskorrekturen vorzunehmen, um die Erfolge der Vergangenheit auch für die Zukunft zu sichern, nicht sehr ausgeprägt.

Über den Wahlkampf selbst will ich nicht urteilen, weil ich — ganz einfach beruflich bedingt — keine Gelegenheit hatte, mich selbst einzubringen. Es wäre dann ziemlich eingebildet von mir, den Wahlkampf der Parteifreunde zu kritisieren, wenn ich in diesem Jahr nichts Vergleichbares beigetragen habe.

Wie würden Sie den Zustand Ihrer Partei in Sachsen und auch in Leipzig derzeit nach der Wahl einschätzen?

In einem Wort: Verirrung. Die Union hat zu lange dazu geneigt, auf „Geschlossenheit“ als Selbstzweck zu setzen, sich offenen Debatten zu verweigern und Dinge an den betroffenen Menschen vorbei schönzureden. Das hat dazu geführt, sich in eine gewisse Selbstgerechtigkeit zu verirren. Ein Kollege von Ihnen in einer anderen Zeitung hat von dem „höfischen” Charakter sächsischen Regierens gesprochen. Das ist hart, aber trifft einen wahren Kern.

Nach der Bundestagswahl besteht die Gefahr, dass sich diese Verirrung verschärft: dass aus dem Wahlergebnis der falsche Schluss gezogen wird, man müsse „nach rechts“ rücken und sich von der Bundes-CDU noch mehr entfernen als ohnehin schon. Das ist ein Irrweg und es führt auch die Wähler der Union in die Irre: Wer CDU gewählt hat, der wollte doch nicht, dass die CDU nach der Wahl eine „AfD light“ wird.

Staatsanwalt Markus Walther (Archiv) Foto: Studio Line
Staatsanwalt Markus Walther (Archiv) Foto: Studio Line

Sie fordern derzeit unter der Seite neues-sachsen.de eine „Erneuerung in der Sächsischen Union“ und werben um Unterstützer dafür. Was bezwecken Sie damit und wo glauben Sie in der CDU Sachsen Unterstützung zu finden?

Wenn ich finde, dass in der Union zu wenig offene Debatte stattfindet, dann gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten: darüber lediglich zu meckern oder selbst einen positiven Beitrag zu einer solchen offenen Debatte zu leisten. Die zweite Option ist die bessere. Deshalb soll der Blog ein Element sein, über notwendige Änderungen in den eigenen Ansichten des Landesverbandes zu diskutieren (Stichwort „Fehlerkultur“) und die Sächsische Union inhaltlich anzuregen.

Ob es dafür Unterstützung gibt? Das denke ich schon. Das hoffe ich! Es gibt viele Parteimitglieder (und zahlreiche Sympathisanten), denen in der Sächsischen Union, wie es sie heute gibt, etwas fehlt. Ein Blog kann keine Berge versetzen, das wäre ja vermessen. Aber da komme ich auf meinen ersten Gedanken zurück: besser mitmachen als meckern.

Sie analysieren auf der Webseite u.a., es sei „ein überraschender Ratschlag.“, dass die CDU Sachsen nun nach „Mitte-Rechts“ oder „Rechts“ rücken solle. Der Grund aus Ihrer Sicht, der dagegen spricht: „Denn aus keinem Land — aus keiner Landesregierung — war die Kritik an der diesbezüglichen Politik der Bundesregierung in den letzten Jahren schärfer als eben aus Bayern und Sachsen. In keinem Land haben die Landesverbände stärker ein „konservatives Profil“ und „harte Kante“ gezeigt als in Bayern und Sachsen. Und in keinem Land ist die Union derart stark eingebrochen wie in Bayern und Sachsen.“

Worin liegen also die Lösungen und sind diese mit dem bisherigen Personal (hier vor allem Finanz-, Innenministerium und Ministerpräsident) zu finden?

Das ist eine wichtige und richtige Frage. Aber ich will mich an den derzeitigen Personaldiskussionen nicht beteiligen. Natürlich wird der öffentliche Eindruck der Sächsischen Union maßgeblich mit den drei von Ihnen genannten Politikern verbunden. Wenn ich mit Menschen rede, dann sagen die aber nicht als erstes „Ulbig muss weg“, sondern „die Polizeireform braucht dringende Korrekturen“. Sie sagen nicht als erstes „Unland muss weg“, sondern „die Ausstattung der Schulen ist eine Katastrophe“.

Und sie sagen nicht als erstes „Tillich muss weg“, sondern „Sachsen muss wieder an der Spitze des Fortschritts stehen.“

Die Frage eines „neuen Sachsens“, gemeint sicherlich auch die Veränderungen in der CDU, scheint schon länger in Ihnen zu arbeiten – die Domain ist älteren Datums und mindestens seit November 2016 gesichert?

Das stimmt, die erste Idee für einen Blog hatte ich schon im letzten Jahr. Denn die strategische Krise der Sächsischen Union, die Furcht vor echten, offenen Debatten, die Schwerfälligkeit bei der Korrektur von Fehlern – das gibt es schon länger.

Diese Herausforderungen sind auch älter als die Flüchtlingskrise. Die aktuelle Diskussion nach dem Bundestagswahlergebnis war der letzte Ruck, den es brauchte, die Idee in die Wirklichkeit umzusetzen.

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