Viele Wähler haben im Bundestagswahlkampf vergeblich darauf gewartet, dass die SPD mit wehenden Fahnen die Reform von „Hartz IV“ und die Abschaffung der sinnfreien Sanktionen fordert. Aber dann kam das nicht und die einst sozialste Partei Deutschland versemmelte ihren Wahlkampf völlig. Und das, obwohl „Hartz IV“ überreif war. Jetzt kam dieses blank geputzte Zuchtmeister-Instrument wenigstens zur Anhörung in den Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales. Da ist auch die Leipziger Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe Mitglied.

Die Anhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales zu den bestehenden Sanktionsregelungen im SGB II war öffentlich. Und zumindest der linke Parteiflügel der SPD sah sich bestätigt in seinen Forderungen. Und sogar die F.A.Z. titelte am Montag: „SPD-Linke fordern Abschaffung von Hartz IV“.

Die Anhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales aber zeigte deutlich, dass es nicht ein einziges stichhaltiges Argument zur Beibehaltung der Sanktionen gibt, mit denen ALG-II-Beziehern auch noch das Lebensminimum gekürzt wird.

„Die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 sind mit dem Anspruch ‚Fördern und Fordern‘ vorgenommen worden. Die Befragung der Sachverständigen in der Anhörung hat erneut gezeigt: Sanktionen erfüllen zwar eindeutig den Forder-Anspruch, es ist aber vollkommen unklar, ob Sanktionen tatsächlich die nachhaltige Vermittlung in Arbeit fördern“, benennt Daniela Kolbe, Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales und Mitglied im SPD-Parteivorstand, das Ergebnis, das sie aus der Ausschusssitzung mitnahm.

„Deutlich ist hingegen geworden, dass Sanktionen finanzielle, soziale, gesundheitliche und psychosoziale Auswirkungen haben, teilweise ist die Wohnsituation der Betroffenen bedroht. Unter gesellschaftlicher Ausgrenzung leiden die Betroffenen durch das Zurückzahlen eventueller Schulden noch nach Ablauf der Sanktionen.“

Und als fraglich schätzten die Fachleute auch ein, ob sich Sanktionen überhaupt rechnen angesichts des Verwaltungsaufwandes, den die Sanktionen und die vielen Widerspruchsverfahren nach sich ziehen.

„Die Jobcenter kämpfen seit Jahren gegen ihre Unterfinanzierung. Trotzdem müssen sie einen erheblichen Teil ihrer finanziellen Mittel für Verwaltungskosten ausgeben“, so Kolbe. „Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen muss die Sanktionspraxis überdacht werden. Die Ideen der SPD liegen dazu auf dem Tisch, etwa der Wegfall der schärferen Sanktionen für jüngere Arbeitssuchende. Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse darüber, welche Effekte eine mildere Sanktionspraxis oder gar der Wegfall von Sanktionen hätte.

Um diese Erkenntnisse zu bekommen, können wir Modellversuche starten. Sollte in der jetzigen Koalition eine Reform der Sanktionen an der Union scheitern, könnte zumindest in Modellversuchen analysiert werden, wie sich mildere Sanktionen oder sogar ein Wegfall auf die Betroffenen und deren Chancen auf Vermittlung in Arbeit auswirken.“

Man merkt schon, wo das Problem der SPD liegt. Statt wirklich dafür zu kämpfen, dass die Sanktionen abgeschafft werden, da es sichtlich nicht ein brauchbares Argument für sie gibt, schaut sie schon wieder auf die CDU, die ja bekanntlich erst dafür gesorgt hatte, dass die Sanktionen nachträglich in die Hartz-Reformen hineingepresst wurden. Vorher waren sie überhaupt nicht angedacht, ging es tatsächlich vor allem darum, Arbeitslosen mit unterschiedlichen neuen Angeboten wieder in eine reguläre Tätigkeit zu helfen.

Aber ohne Strafe kann sich die christliche CDU augenscheinlich den Umgang mit arbeitslos gewordenen Menschen nicht denken.

Und eigentlich braucht es nach der Anhörung auch keine Modellversuche. Denn sie hat ja gezeigt, dass das Instrument mehr Schaden anrichtet als irgendjemandem zu helfen.

Daniela Kolbes sehr zaghafter Ansatz: „Wenn harte Sanktionen keinen Nutzen für die Arbeitssuchenden haben und sie gleichzeitig für die Jobcenter und deren Mitarbeiter eine Mehrbelastung darstellen, sollten wir sie grundlegend überarbeiten und auf das unbedingt Nötige beschränken. Unser Sozialstaat ist leistungsstark und bietet viele Sicherheiten. Aber er muss sich auch den Bürgerinnen und Bürgern zuwenden und sie nicht mit Maßnahmen wie nutzlosen Sanktionen wegen Terminversäumnissen verschrecken.“

Eigentlich gehören nutzlose Dinge abgeschafft, wenn man es ganz logisch und nüchtern betrachtet.

Leipzig blieb auch 2017 die Sanktionshauptstadt im Freistaat

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