Wenn es am Mittwoch, 17. Juli 2019, für André Poggenburg mit seiner AfD-Absplitterung ADPM erstmals eine Kundgebung an der Selneckerstraße/ Ecke Brandtstraße geben wird, liegt die Ursache in mehreren Punkten. Natürlich zuerst bei André Poggenburg, der seinen vermeintlichen Kampf gegen den Linksextremismus mittlerweile zu einer Grundrechtsfrage nach dem Standort seiner Mini-Kundgebung im sagenumwitterten „Süden Leipzigs“ gemacht hat. Maximal 27 Teilnehmer fanden sich am 5. Juni 2019 noch auf dem Simsonplatz ein. Zum LinXXnet jedoch zieht es den Rechtspopulisten, als ginge es um eine Teufelsaustreibung. Gut möglich, dass er da ab 18 Uhr mit noch weniger Unterstützung rechnen darf als bei den ersten drei Versuchen.

Juristisch ist es nach der Entscheidung vom 5. Juni 2019 am Leipziger Verwaltungsgericht nicht mehr verwunderlich, dass André Poggenburg am gestrigen Montag auf seiner Facebookseite jubelte: „Heute erhielt ich den Bescheid der Stadt Leipzig, unsere Kundgebung in Connewitz wird stattfinden, die Hartnäckigkeit zur Durchsetzung unseres Grundrechtes gegen linke Intoleranz trägt Früchte! Wir treffen uns am 17.07. um 18 Uhr an der Kreuzung Brandstraße/ Selneckestraße in der Nähe des linXXnet, der Zugang zu unserer Kundgebung erfolgt über die Windscheidstraße.“Quasi ohne Widerstand erteilte die Stadtverwaltung keine Auflage mehr zu einem anderen Versammlungsort und gab den Weg gen Süden frei.

Denn bereits am 5. Juni hatte das Verwaltungsgericht in einer Eilentscheidung trotz der kurzfristigen Verlegung des Versammlungsortes auf den Simsonplatz festgestellt: „Trotz Erfolglosigkeit des Antrags (der ADPM, d. Red.) habe die Stadt Leipzig die Kosten des Verfahrens zu tragen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Stadt die Durchführung eines Kooperationsgespräches – obwohl die Veranstaltung bereits am 17.05.2019 angezeigt worden sei – regelrecht ,verschleppt‘ habe und dieses erst am 03.06.2019 stattfinden ließ.“

Mit anderen Worten, die Stadtverwaltung hatte das Verfahren in der Sache verloren, trug die Kosten und der Weg nach Connewitz war bereits da frei für Poggenburg.

Schwerer wog dabei, dass die Verwaltung keine nachvollziehbaren Gründe vorlegen konnte, warum dem Rechtsaussen-Kläger der Standort an der Brandstraße verweigert werden solle. So habe „sich in der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte weder eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Gefahrenprognose der Polizei noch eine Stellungnahme des Landesamts für Verfassungsschutz zum Mobilisierungspotenzial der links- und rechtsextremen Szene“ befunden.

Bleibt nun die Frage, ob sich der Verfassungsschutz Sachsen derzeit im Vorfeld der Versammlung mit dem ADPM so befasst, wie sie es mit der als rechtsextrem eingestuften „Pro Chemnitz“ und den „Identitären“ bereits tut und die Stadtverwaltung Leipzig zukünftig zumindest ihre Hausaufgaben macht, wenn sie versucht, Veranstaltungsorte von Kundgebungen zu verlegen.

Was wird es wohl geben?

Betrachtet man die zurückliegenden Auftritte des ADPM in Leipzig, wohl nicht viel mehr als bislang. Am 5. Juni 2019 beispielsweise stritten sich Jörg Hoyer, einer der „Gründungsväter“ von Legida, und eine gewisse Heidi von Bühne zu Publikum um die Gründe des Zerfalls von Legida. Egbert Ermer, Ex-AfD-Kreischef in der Sächsischen Schweiz/Osterzgebirge und heute der zweite Mann im „Aufbruch“ hinter Poggenburg, ging es um Ungeziefer und dessen Vertreibung aus dem Süden Leipzigs.

Inhalte der Rechtsaussengruppierung waren, sofern überhaupt vorhanden, im Kern so aberwitzige Ideen wie der Austritt Mitteldeutschlands aus allem anderen, mindestens ein „Dexit“ oder Hoyers Überlegungen, ob man denn nun eine Verfassung in Deutschland habe oder nicht. Den größten Teil der Kundgebung über befasste man sich mit dem lautstarken Gegenprotest und unterbrach wegen diesem lange Zeit die eigene Versammlung.

Jörg Hoyer beim internen Zwist der ADPM zu Legida. Video: L-IZ.de

Und sonst?

Nun verschwindet mit dem Kundgebungsplatz Brandstraße/Selnecker am 17. Juli voraussichtlich auch noch der ADPM-Dauerbrenner seit dem Februar 2019 „wir wollen nach Connewitz“, denn das wäre dann erreicht. Wenn sich hier mehr als die zuletzt maximal 27 Teilnehmer inklusive der Veranstalter selbst – ein Negativrekord aller rechtsradikalen Demo-Versuche in Leipzig überhaupt – einfinden werden, wäre das ein kleines Wunder. In den Kreisen um André Poggenburg, aber auch so einschlägig bekannter Neonazis wie Alexander Kurth, gilt „Connewitz“ als Angstort und Synonym für antifaschistische Gegenproteste.

Ein Frame, den Poggenburg selbst in seinem Aufruf noch einmal verstärkte, indem er ein mutmaßlich nicht aus Leipzig stammendes Bild mit brennenden Mülltonnen und vermummten Gestalten präsentierte.

Wie viele der Ängstlichen rings um den ADPM also nach Connewitz kommen werden, ist sehr ungewiss, vorsorglich hat man auch noch die etwa 25 Menschen umfassende, angebliche Frauenbewegung „Frauen fordern“ dazugeholt. Bei deren Kundgebung sprachen unter den Augen einer Handvoll unterstützender Motorradfahrer am 29. Juni 2019 vor dem Naturkundemuseum inklusive André Poggenburg ausschließlich Männer, um sich überwiegend gegen Muslime und Migranten, aber auch gegen Vertreter der Kirchen und die „Lügenpresse“ auszusprechen.

Ein ADPM-Debakel am 5. Juni 2019 auf dem Simsonplatz: Zuerst läutete Egbert Ermer die ADPM-Versammlung ein, anschließend gibt Hoyer „der Mann mit dem Hut” auf und der Gegenprotest wird immer lauter. Später folgen Fantasien mit Strick und Laternen von Jörg Hoyer und das Abschiedslied für die Rechten aus dem Gegenprotest. Video: L-IZ.de

Der Widerstand im Süden

Da Poggenburgs ADPM längst als die rechtsradikale Partei neben der AfD Sachsen bekannt ist, könnte man die folgenden Gegenproteste wohl genauso für jedes andere Leipziger Stadtviertel beschreiben. Ab 16 Uhr beginnt am Kirchenpark der Paul-Gerhardt-Kirche etwa 300 Meter entfernt vom Kundgebungsort Poggenburgs ein sogenanntes „Cornern“, also ein zwangloses Beisammensein und Sammeln derer, die sich dem Gegenprotest anschließen wollen.

17:30 folgt dann eine Mahnwache auf der Selneckerstraße in der Höhe Paul-Gerhardt-Kirche und danach startet die Kundgebung „Leipzig: Kein Ort für Rassisten!“ auf der Höhe Brandstraße 34.

Und da sich das Ansinnen des ADPM konkret auch gegen das Abgeordnetenbüro Juliane Nagels (Linke, MdL) richtet, appellierte diese „an alle, der AdPM kreativ, entschlossen und besonnen entgegenzutreten.“.

Weiter, so Nagel, sei eben „das linXXnet (…) für die faschistische AdPM ein Feindbild, gibt es doch hier Raum für ein breites Spektrum linker, antifaschistischer Politik und Kultur. Ihre Versuche an unserem Büro aufzumarschieren scheinen dabei vor allem ein Mittel um die Aufmerksamkeit zu generieren, die der Splitterpartei fehlt. Die AdPM steht für rassistische, antifeministische, nationalistische Inhalte und ist Auffangbecken für einzelne faschistische Akteure, wie der ehemalige NPD-Abgeordnete Mirko Schmidt aus Meissen oder Ex-Legida-Führer Markus Johnke.“

Die Aufmerksamkeit dürfte also nun noch einmal gegeben sein.

Was es der Partei im sächsischen Wahlkampf nützen wird, ist offen. Mittlerweile wirbt die ADPM um die Zweitstimmen, die der AfD nicht viel helfen dürften, sollte die Listenkürzung auf 18 Plätze durch den Landeswahlausschuss Bestand haben. Die rechtsextreme Partnerorganisation „Pro Chemnitz“ wurde zur Landtagswahl als Listenbewerber gar nicht erst zugelassen und allgemein wird erwartet, dass der ADPM am 1. September 2019 an der 5-Prozent-Hürde scheitern wird. Poggenburg selbst tritt in Sachsen gar nicht zur Wahl an.

Der Zerfall der Splitterpartei um André Poggenburg nach dem derzeitigen Wahlkampf wäre bei der sich abzeichnenden Erfolglosigkeit zumindest keine Überraschung.

Update vom 17. Juli 2019, 12:58 Uhr

Die Meldung von André Poggnburg und das Dementi der Polizei Sachsen auf Twitter. Screen Twitter
Die Meldung von André Poggnburg und das Dementi der Polizei Sachsen auf Twitter. Screen Twitter

Bemerkenswerter Weise versucht André Poggenburg seiner Demonstration offenbar mit Falschnachrichten via Twitter zu mehr Popularität zu verhelfen. In einem Tweet teilt der Parteichef der ADPM „aktuelle Infos“ mit. „In Leipzig gab es nächtliche Überfälle mit Waffen auf „Rechte“, zudem sollen linke Waffenlager durch Polizei ausgehoben worden sein“, so Poggenburg. Dies sei „Linksterrorismus“, gegen welchen sich der Staat endlich wehren müsse.

Offen bleibt derzeit, woher er diese exklusiven Informationen hat, die Polizei Sachsen jedenfalls weiß davon nichts. Demnach hat also diejenige Behörde, welche hier immerhin ein „Waffenlager“ entdeckt haben soll, von eben diesem Einsatz keine Kenntnis. „Uns sind die von Ihnen konkret benannten Vorfälle nicht bekannt!“, meldet sie heute um 12:26 Uhr zurück. Eine Konkretisierung seitens Poggenburg erfolgte bislang nicht.

Update vom 17. Juli 2019, 14:30 Uhr

Soeben teilte die Stadt Leipzig mit, dass die Demonstration der ADPM erneut aufgrund einer geänderten Gefahrenprognose auf den Simsonplatz verlegt werden soll. Lesen Sie hier dazu auf L-IZ.de.

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