Das war mal wieder ein gefundenes Futter für die Konservativen, Rechten und Rechtsaußen im sächsischen Wahlkampf, als im Juli bekannt wurde, dass zwei Leipziger Kindertagesstätten Schweinefleisch aus dem Verpflegungsplan für die Kinder strichen. Beschlossen von den Eltern dieser Kinder. Die rechten Schweinefleisch-Verehrer schäumten. Und sie haben sich nicht wirklich beruhigt. Ein AfD-Mann trug das Thema auch noch in den Landtag.

Aber nicht, weil er fürchtete, jetzt könnte auch die Landtagskantine noch das Schweinefleisch von der Menükarte streichen (gibt es überhaupt Muslime im Landtag? Und wenn nein: Warum nicht?). Nein, Dr. Rolf Weigand (AfD) sorgte sich auch gleich noch um die anderen 330 Leipziger Kindertagesstätten. „Wie viele Kindertagesstätten und Schulen bieten im Rahmen der Verpflegung kein Schweinefleisch oder Schweinefleischerzeugnisse an?“

Das klingt zwar, als sei Weigand ein uralter Mann mit Nachkriegserinnerungen, der mit dem Wort Schweinefleisch frühe Hungerfahrungen verbindet. Aber der 35-Jährige ist Ingenieur für Keramik, Glas- und Baustofftechnik, was ihn nicht daran hindert, auch den (Ober-)Lehrer zu spielen. Er hat auch den sogenannten „Lehrer-Pranger“ in Sachsen mit initiiert, dieses seltsame Schnüffelportal, auf dem Schüler ihre Lehrer anprangern sollen, wenn sie sich nicht so benehmen, wie die AfD denkt, dass sie sich benehmen sollten.

Die AfD redet zwar auch gern von Freiheit und Selbstbestimmung. Aber wenn Leipziger Eltern diese Freiheit nutzen, selbst zu bestimmen, dass Schweinefleisch nicht unbedingt zur Speiseverpflegung in ihrer Kita gehören muss, dann wittert die Alternative für Selbstgerechtigkeit gleich mal wieder Anmaßungen.

Solche zum Beispiel, dass Eltern mitbestimmen dürfen, was ihre Kinder essen: „Inwieweit sind Elternvertretungen bei der Auswahl eines Verpflegungsanbieters oder der Gestaltung/Auswahl des Essensangebotes zu beteiligen?“

In diesem Fall ist es wohltuend, dass auch Kultusminister Christian Piwarz (CDU) auf solche Fragen ganz sachlich und mit Verweis auf die eindeutig formulierten Gesetzeslagen reagiert. „Elternvertretungen sind bei der Auswahl von Speiseanbietern zu beteiligen“, erklärt er dem AfD-Abgeordneten. „Die in § 6 des Gesetzes über Kindertageseinrichtungen (SächsKitaG) eingeräumten Mitwirkungsrechte der Erziehungsberechtigten umfassen die Mitteilung der erforderlichen Informationen und die Beteiligung bei allen wesentlichen Entscheidungen.“

Und die über das Speiseangebot in den Kitas gehört dazu.

Wobei Weigand versucht, die Sache über das Thema „wertvolle Ernährung“ anzugehen. „Inwieweit ist der Konsum von Schweinefleisch im Sinne einer gesunden und ausgewogenen Ernährung sinnvoll?“, fragte er zum Beispiel. Hätte ja sein können, dass die Kinder jetzt mangelernährt sind, wenn sie kein Schweineschnitzel mehr bekommen. Aber das Gegenteil ist der Fall.

Da hat Piwarz augenscheinlich eine kompetente Sachbearbeiterin, die sich mit den DGE-Regeln für eine gesunde Ernährung gut auskennt. Und Schweinefleisch ist nicht wirklich gesund.

Denn: „Mit Blick auf den Verzehr von Fleisch und Wurst empfiehlt die Fachgesellschaft wöchentlich 300 g für Erwachsene mit niedrigem Kalorienbedarf bis hin zu 600 g für Erwachsene mit hohem Kalorienbedarf. Beim Fleischverzehr ist die Unterscheidung zwischen ,rotem‘ und ,weißem Fleisch‘ gesundheitlich von Bedeutung. Rotes Fleisch ist das Fleisch von Rind, Schwein, Lamm bzw. Schaf und Ziege. Weißes Fleisch ist das Fleisch von Geflügel wie beispielsweise Huhn. Laut Fachgesellschaft geht ein hoher Verzehr an rotem Fleisch und Wurst einher mit einem höheren Risiko für Darmkrebs. Nach derzeitigen Erkenntnissen besteht für weißes Fleisch keine Beziehung zu Krebserkrankungen.“

Eigentlich ein klarer Fall: Wenn die Kinder stattdessen Hühnerfleisch bekommen, essen sie gesünder. Bei Obst und Gemüse muss man das wohl gar nicht erst erwähnen.

Aber vielleicht gelten ja in Sachsen andere Regeln? Jedenfalls fragte Weigand noch: „Welche Empfehlungen zum Schweinefleischkonsum werden durch die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Sachsen gegeben?“

Aber in diesem Fall ist Sachsen auf der Höhe der Zeit. Und Piwarz antwortet: „Die Vernetzungsstelle Kita-und Schulverpflegung Sachsen arbeitet auf Basis der DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas und Schulen. In den Qualitätsstandards empfiehlt die Fachgesellschaft bei der Verpflegung gesundheitliche Besonderheiten wie zum Beispiel Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten, kulturspezifische und regionale Essgewohnheiten sowie religiöse Aspekte zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Fleischangebotes sollte weißes Fleisch bevorzugt angeboten werden.“

Also sind auch die Eltern in den Leipziger Kitas nur ganz simpel den DGE-Empfehlungen gefolgt und haben ein wirklich nicht so gesundes Essensprodukt in gemeinsamer Abstimmung vom Speiseplan entfernt.

Und wer seine Kinder unbedingt nach der Art der Altvorderen ernähren möchte, der kann ihnen das Fleisch ja am Wochenende aufdrängen. Bis zu dem Tag, an dem die Heranwachsenden merken, wie schlecht sie daheim die ganze Zeit ernährt wurden.

Schweinefleisch und Deutschtümelei: Demonstrationen am Freitag gegen CDU, ADPM und rechte Hetze

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