Oh ja, wir lesen auch die Antworten, die die AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag auf ihre Anfragen bekommt. Wir nehmen diese so vom eigenen Opferstatus berauschte Partei tatsächlich ernst. Erst recht, wenn diese etwas rechtsdriftige Fraktion wieder einmal eine eigene Aktion zum Anlass nimmt, um sich quasi auf dem Ningelweg den Status eines demokratischen Mitspielers zu erwerben. In diesem Fall war es die mehr als seltsame Kür von FDP-Mann Thomas Kemmerich zum kurzzeitigen Ministerpräsidenten in Thüringen.

Nach Kemmerichs Wahl mit AfD-Stimmen gab es heftige Kommentare auch aus der CDU. „Die amtierende Bundeskanzlerin forderte aufgrund des Abstimmungsverhaltens in Thüringen: ,Das Ergebnis muss rückgängig gemacht werden.‘ Der sächsische Ministerpräsident schließt eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch aus“, formuliert die Rechtspartei ihr Problem damit, dass sie nach dieser seltsamen Wahlfarce auch noch von wichtigen CDU-Politikern in die rechte Ecke gestellt wurde.

Augenscheinlich glaubt man in der Partei tatsächlich, dass man in die Ecke eigentlich nicht gehöre, sondern eine ganz normale demokratische Partei sei.

Und so beklagte sich AfD-Landtagsabgeordneter Mario Beger in seiner Anfrage vollmundig: „In der 6. Wahlperiode hat die Staatsregierung knapp 100 Gesetzentwürfe in den Sächsischen Landtag eingebracht (vgl. edas) und für Zustimmung zu ihren Gesetzentwürfen geworben. Sofern der Koalitionsvertrag abgearbeitet wird, sind Gesetzentwürfe der Staatsregierung auch in der 7. Wahlperiode unvermeidlich. Nach den Landtagswahlen in Thüringen war bzw. ist die parlamentarische Zustimmung einer demokratisch gewählten Fraktion – der AfD-Fraktion – unerwünscht und führte zum Rücktritt des dort demokratisch gewählten Ministerpräsidenten.“

Und so fragte Beger ganz im Sinne seiner Partei, die gern so tut, als würde sie von den anderen Parteien (die sie selbst so gern „Altparteien“ oder gar „linksgrün versifft“ nennt) völlig unverdientermaßen gemieden: „Wirbt die Staatsregierung in der 7. Wahlperiode um Zustimmung für ihre parlamentarischen Initiativen bei sämtlichen im Sächsischen Landtag vertretenen Fraktionen?“ und „Kann die Staatsregierung versichern, dass sie ihre eigenen parlamentarischen Initiativen nicht zurückzieht, wenn beispielsweise die AfD-Fraktion im Gesetzgebungsverfahren Zustimmung zu einem Gesetzentwurf signalisiert oder ihre Zusammenarbeit zum Beispiel über Änderungsvorschläge in Änderungsanträgen anbietet?“

Das klingt schon fast kläglich: Nachdem man sich in Aktionen wie im Thüringer Landtag erst einmal selbst ins Aus gestellt hat, versucht die AfD so, sich irgendwie doch wieder ein bisschen Gewicht zu verschaffen und vielleicht schon mal vorsorglich künftige Abstimmungsverhältnisse zu kontaminieren.

Aber auf das Spiel lässt sich Justizministerin Katja Meier (Grüne), die auf die Anfrage antwortet, gar nicht erst ein.

Trocken bescheidet sie der Rechtsaußenfraktion: „Gesetze beschließt der Landtag mit Mehrheit. Das Stimmverhalten der die Regierung nicht tragenden Teile des Landtages beeinflusst das Regierungshandeln in der Regel nicht.“

Wenn CDU, SPD und Grüne auf die eigene Landtagsmehrheit bauen können, interessiert einfach nicht, ob die AfD-Fraktion für oder gegen Gesetzesvorlagen der Regierung stimmt.

Entsprechend unsinnig findet Katja Meier dann auch Begers zweite Frage: „Müssten nach dem im Vorwort genannten Demokratieverständnis, die Gesetze, denen die AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag in der 6. Wahlperiode zugestimmt hat (vgl. u.a. Drs. 61250 oder Drs. 6/3569), nach Auffassung der Staatsregierung wieder Außerkrafttreten bzw. mit den Worten der Bundeskanzlerin: ,… wieder rückgängig gemacht werden‘?“

Sie schreibt zwar in ihrer Antwort nicht, dass das eine Quatsch-Frage ist (und die Aussage von Angela Merkel sich auf die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen bezog, nicht aber auf Abstimmungsergebnisse im Sächsischen Landtag), aber es lässt sich herauslesen, wenn sie antwortet: „Es besteht kein Anlass, Gesetze, die der Landtag mit der die Staatsregierung tragenden Mehrheit beschlossen hat, deshalb kritisch zu hinterfragen, weil sie die Unterstützung weiterer Abgeordneter gefunden haben.“

Die Anfrage, die ein wenig zeigt, wie die AfD tickt, hatte Mario Beger just einen Monat vor jener Blockadeaktion gestellt, mit der die AfD-Fraktion durch ihr stures „Nein“ den ganzen Landtag zwang, mitten in der sich zuspitzenden Corona-Krise zur Sitzung zusammenzukommen.

Auch so verschafft man sich Aufmerksamkeit, auch wenn man zu einer zukunftsfähigen Politik in Sachsen tatsächlich nichts beizutragen hat.

Blockade-Haltung der AfD zwingt zur Tagung des ganzen Sächsischen Landtags

Blockade-Haltung der AfD zwingt zur Tagung des ganzen Sächsischen Landtags

 

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