Aus Mentalität und sehenswerter Spielkultur bestand die Mischung, mit der der 1. FC Lok am Sonntag den Chemnitzer FC erstmals seit über 20 Jahren schlagen konnte. Beim 4:2 (1:2) vor 5.521 Zuschauern holte Lok einen 0:2-Rückstand gegen den Tabellenführer auf und beeindruckte mit temposcharfem, kreativem Spiel, gepaart mit großer Leidenschaft. Der Heimsieg lässt die blau-gelbe Brust vor dem erneuten Aufeinandertreffen im Pokal in dreieinhalb Wochen weiter wachsen.

Mit Spannung warteten die Zuhörer in der VIP-Lounge des Bruno-Plache-Stadions auf die Trainer. Was würde vor allem Chemnitz’-Trainer David Bergner zum Spiel sagen? Schon beizeiten hatte der Fußall-Lehrer versucht, Kontakt zum Schiedsrichter-Trio aufzunehmen.

Monierte, die Lok-Spieler würden zu oft und zu leicht fallen, kritisierte Freistoßentscheidungen gegen seine Mannschaft und schob – ganz heimlich – das Hütchen seiner Coaching-Zone weiter nach außen. An seine vergrößerte Freilaufzone hielt sich der Schlingel allerdings in der zweiten Hälfte ohnehin kaum mehr, stand phasenweise mehr auf dem Feld als daneben.

Schiedsrichter Michael Wilske aus Bretleben ignorierte dies geflissentlich, ließ Bergner auch vor Wut eine Wasserflasche auf den Rasen (in seiner Zone) pfeffern und musste sich nach dem Spiel zwangsläufig in einen Dialog mit dem eiligst zu ihm hinrennenden Bergner begeben. Der ehemalige sächsische Landestrainer war allerdings Profi genug, seinen Frust nicht noch in der Pressekonferenz auszubreiten, gab seiner Mannschaft, die immerhin als souveräner Tabellenführer ins Plache-Stadion kam, damit auch kein Alibi.

Maik Salewski (Lok) im Kopfballduell mit Tobias Müller (CFC). Foto: Jan Kaefer
Maik Salewski (Lok) im Kopfballduell mit Tobias Müller (CFC). Foto: Jan Kaefer

„Wir haben zwanzig Minuten richtig gut Fußball gespielt, und dann dachten wir, das reicht und alle würden beiseite gehen, weil wir der Tabellenführer sind. Die Gegentore waren eine Frage der Zeit.“ Bergners Analyse ist nichts hinzuzufügen. Sein Gegenüber Björn Joppe, mit zunehmendem Erfolg in den letzten Monaten, an der Seitenlinie immer ruhiger, ließ sich vom Theater „nebenan“ nicht anstecken, coachte seelenruhig sein Team, auch noch nach dem schnellen 0:2-Rückstand.

In der 4. Minute hatte sein Team bei einem Chemnitzer Freistoß den Rückraum nicht ausreichend gesichert, Tobias Müller nagelte den Ball aus 17 Metern unter die Latte. Nach 22 Minuten nutzte Bozic einen Absicherungsfehler in der Lok-Defensive, rannte Zickert davon und schob lässig aus 16 Metern ein. Dass Lok noch einmal zurückkommen sollte, hatte sich da schon angedeutet.

Die Hausherren spielten frei von der Leber weg und trugen eine Menge zu einer spektakulären Partie bei. Der forsche Pannier setzte auf links zahlreiche Akzente in der Anfangsphase, Schinke lenkte gemeinsam mit dem agilen Pommer das Spiel im Zentrum. Und vorn traf mal wieder Steinborn. 17 Sekunden nach dem 0:2 gelang der Anschluss, Lok ging mit einem guten Gefühl in die Pause, gefeiert von den eigenen 4.800 Fans.

In dieser Situation kann CFC-Keeper Joshua Mroß gegen stürmische Leipziger klären. Foto: Jan Kaefer
In dieser Situation kann CFC-Keeper Joshua Mroß gegen stürmische Leipziger klären. Foto: Jan Kaefer

Der Platzverweis für Michael Blum (CFC) nach wiederholtem Foul kurz nach der Pause verschaffte Lok einen weiteren Vorteil. Die bis dahin immer wieder flott nach vorn spielenden Chemnitzer, die ebenso wie Lok ihre Stärken im offensiven Umschaltspiel hatten, waren nun aufs Verteidigen bedacht. Lok konnte in Ruhe aufbauen und „sehr gut die Lücken suchen“, wie Joppe anschließend lobte. Mit zahlreichen flachen Bällen gelang es den Hausherren immer wieder, Chemnitz in der Defensive zu binden.

Der Ausgleich kam allerdings per klassischem Sonntagsschuss. Ryan Malone zimmerte den Ball nach 66 Minuten volley aus 23 Metern ins Dreiangel, Maik Salewski verwandelte das Plache-Stadion mit seinem Kopfball nach schöner Adler-Flanke in ein Tollhaus. Lok stand fünf Minuten vor dem Ende kurz vor dem nächsten Heimsieg.

Steinborn machte in der Nachspielzeit nach wunderschönem Pass von Pommer den Deckel letztlich drauf, Adler hätte sogar noch das fünfte Tor machen können. „Es ist ein absolut verdienter Sieg für Lok Leipzig“, konstatierte Bergner nach dem Spiel. „Wir haben uns nicht aufgegeben, aber sind nicht mehr in die Partie zurückgekommen.“

Ryan Malone bejubelt sein Traumtor und Maximilian Pommer freut sich per Huckepack mit. Foto: Jan Kaefer
Ryan Malone bejubelt sein Traumtor und Maximilian Pommer freut sich per Huckepack mit. Foto: Jan Kaefer

Björn Joppe jubelte mit seinem Trainerteam nach dem Abpfiff. „Das Spiel war die beste Werbung für die Regionalliga Nordost.“ Vor allem war es auch beste Werbung für einen Fußball a la Joppe/Surma, die mit ihrer Mission vor fast genau einem halben Jahr mit einem Auswärtsspiel in Chemnitz begannen. Damals hatte Lok klare Defizite in punkto Mentalität und Spielkultur.

Nun scheint auch ein Sieg im Pokalhalbfinale gegen denselben Gegner in Chemnitz am 24. April möglich. Die 1.600 Gästetickets hat Lok binnen weniger Tage verkauft, hofft derzeit auf Nachschub. Allerdings sorgt sich die Polizei um die Fantrennung, wenn Lok noch einen weiteren Block erhält. Kommende Woche wird sich das Fanprojekt für Lok einsetzen.

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