Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat vieles verändert in der Stromwirtschaft. Es regelt die bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen ins Netz und sichert den Erzeugern eine festgelegte Vergütung zu. "Unter anderem hat es auch die Nutzung kleiner Staustufen rentabel gemacht", erklärt Tobias Sachtleben. Er und Emanuela Boretzki haben sich mit ihrer Unternehmensgründung von Green Heritage (engl. grüne Herkunft) dieser kleinen Wehranlagen angenommen.

Dafür haben sie eigens eine Turbine entwickelt, die komplett unter Wasser arbeitet. “Der Generator ist wasserdicht abgeschlossen und mit verbaut. So braucht es kein Getriebe, denn die Kraftkopplung erfolgt direkt”, so Sachtleben. Es braucht nur noch ein Kabel und einen vergleichsweise kleinen Schaltschrank. Die Turbine leistet zwischen 40 und 120 Kilowattstunden. “Mit 100 Kilowattstunden kann man 300 Haushalte versorgen”, erläutert Sachtleben. Für diese Erfindung bekamen er und Boretzki den diesjährigen IQ Preis Mitteldeutschland in der Sparte Energie, Umwelt und Solarwirtschaft verliehen.

Da die Turbine auf der Welle liegt, wie es in der Fachsprache heißt, braucht es kein Krafthaus, wo das Getriebe untergebracht werden muss, das wiederum ergibt niedrigere Bau- und Wartungskosten. “Die Kosten sind bis zu 50 Prozent günstiger und das Landschaftsbild wird nicht gestört”, sagt Emanuela Boretzki. Die gebürtige Polin und studierte Landschaftsarchitektin arbeitete früher in der Genehmigung von Solaranlagen, mit denen sich auch Sachtleben beschäftigt hat. “Wir kommen beide aus der ökologischen Richtung”, so Boretzki. Und daher nehmen sie sich den Umweltaspekt ihrer Projekte sehr zu Herzen. “Wir betrachten immer die gesamte Ökologie”, erklärt Sachtleben und meint damit auch, dass Green Heritage alle Projekte aus eigener Hand betreut. Schlüsselfertig ist hier das Zauberwort. “Wir suchen und untersuchen unsere Standorte selbst, legen die Projekte auf 20 Jahre an, verbauen entweder unsere eigene oder eine ähnlich effiziente Turbine und betreiben den Standort auch selbst.” Jederzeit haben sie in Leipzig, wo die Firma ihren Sitz auf dem Gelände der Spinnerei hat, den Fernzugriff auf die Systeme.
Dafür haben die beiden ein ausgeklügeltes Firmengeflecht geschaffen. Green Heritage – das ist zum einen eine GmbH und zum anderen eine gemeinnützige GmbH, die keine Gewinne macht – die Green Heritage Foundation (engl. Stiftung). Letztere macht keine Gewinne, sondern sammelt Kapital von Stiftungen ein, die in die einzelnen Projekte investieren. Sachtleben bezeichnet sich selbst als Stiftungs-Mensch. Der gelernte Landwirt hat, wie er sagt, viel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit solchen Organisationen. “Sie sind auf langfristige Investitionen angewiesen, so dass sie mit der Rendite ihre Stiftungszwecke erfüllen können”, erklärt er. Ist ein Standort für eine Wehranlage gefunden, beauftragt die Foundation die GmbH mit dem Bau, welche diesen schlüsselfertig ausführt, wie zum Beispiel in Marczów in Polen, wo die Arbeiten schon weit gediehen sind. “Oder in Görlitz, wo wir nun die Genehmigungen eingeholt haben”, ergänzt Boretzki.

Der Markt für diese Anlagen ist dezentral und weltweit zu finden. Green Heritage betreut derzeit acht Projekte, unter anderem in Frankreich und Chile. Und sie schauen sich in Asien um. Die Tragweite ihrer Erfindung haben die beiden begriffen. Sie haben ihre Turbine zum Patent angemeldet und auch schon mit einem großen Konzern gesprochen – dessen Namen sie nicht nennen wollen. Doch sie haben kein Interesse, dass ihre Firma zu groß wird. Mittlerweile beschäftigen sie sieben Leute und schätzen die Atmosphäre im schmucken Leipzig sehr. “Hier ist es unheimlich entspannt”, findet Sachtleben, der vom Starnberger See stammt und es dort mittlerweile nicht mehr aushält. “Hier fahre ich mit dem Rad zur Arbeit und bei sommerlichem Wetter sitzen die Leute auf dem Gehweg, unterhalten sich und sind fröhlich.” Kein Vergleich zur Münchner Gegend, wo die Menschen die Nase höher tragen.

Die Green Heritage-Gründer sind zufrieden mit ihrem Dasein auf der cool-künstlerischen Spinnerei. Sie haben die Nachhaltigkeit ihrer Staustufen-Anlagen immer im Blick und noch weitere Erfindungen im Auge, mit denen sich die Welt ein bisschen leipziger machen ließe: “Wir gedenken ein Biogasanlage zu konzipieren, in der man alle Arten von Küchenabfällen verbrennen kann. So eine Anlage würde 50 Kilowattstunden erzeugen, also 50 Haushalte versorgen können, und wäre ideal für Entwicklungsländer”, sagt Sachtleben. Kniffelig sei das, weil es eine Mikroflora braucht, die Arten von Müll verbrennt. Er denkt an ein Open Source Projekt, in welchem viele Partner gemeinnützig arbeiten und die Konstruktionspläne untereinander tauschen.

Weitere Infos im Netz

www.gh-wasserkraft.de

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