Es war ein schwarzer Freitag, der 13. Dezember 2002. Und die Akteure, die hinter den Kulissen die Strippen zogen, wussten ganz genau, auf welche Risiken sie sich da - gegen den Willen der sächsischen Bevölkerung - einließen. Am 13. Dezember trat das Gesetz über das öffentlich-rechtliche Kreditwesen im Freistaat Sachsen ("Sächsisches Sparkassengesetz") in Kraft, das die Grundlage für die Zockerspiele der Sachsen LB erst schuf.

Sie hatte nicht genug Eigenkapital, um überhaupt am großen Finanz-Spiel teilnehmen zu können, das nach dem Börsencrash von 2001 (Stichwort: geplatzte “Internet-Blase”) erst so richtig in Gang kam. Den Bürgern wird ja gern nach solchen Crashs erzählt, das ganze Geld sei weg, an den Börsen seien Milliarden und Billionen “verbrannt” worden. Das Verb “verbrannt” ist dabei die größte aller Lügen. Denn die Finanzwerte, um die es da geht, haben nur in aller Stille und Hektik den Besitzer gewechselt. Die Summen tauchen in diversen Fonds und bei diversen stolzen “Anleger-Päpsten” auf, die schon am nächsten Tag daran gehen, ein neues Feld zum Renditemachen zu suchen.

Die diversen “strukturierten Anlagen” und Derivate, die nach 2001 auf einmal zu haben waren, waren genau solche Produkte, die binnen Kurzem zu einem neuen Zockerfeuer an den Börsen führten und mit zuweilen hanebüchenen und teilweise auch kriminellen Methoden in den Markt gedrückt und weiterverkauft wurden. Die Zeche bezahlt am Ende immer der Dümmste und Langsamste. Was genau dann teuer für die Allgemeinheit wird, wenn dieser Dümmste und Langsamste auch noch mit den Geldern der Bürger gezockt hat.

Jener Bürger, die zuvor in einem Volksentscheid deutlich gegen eine solche Finanzgruppe ihrer Sparkassen gestimmt hatten. Seit 1999 hatte die sächsische Regierung daran gearbeitet, so einen Verbund herzustellen, um der Sachsen LB genügend finanzielle Schlagkraft zu verschaffen.

In Leipzig stimmten 79,6 Prozent der Teilnehmer des Volksentscheids vom 21. Oktober 2001 gegen den Verbund, sachsenweit waren es sogar 85 Prozent. Doch das kümmerte die Landesregierung nicht. Sie zimmerte ein neues Gesetz, das das Ergebnis des Entscheids kurzerhand zunichte machte.

Aus dem Sachsen-Finanzverband wurde 2003 die Sachsen-Finanzgruppe. Sie ist Trägerin der sogenannten Verbundsparkassen, die von ihren früheren kommunalen Trägern auf sie bzw. ihren Vorgänger übertragen worden waren. Derzeit befinden sich fünf regionale Sparkassen unter ihrem Dach, darunter auch die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig.

Nach dem gewaltigen Desaster der Sachsen LB 2007, noch vor dem um sich greifenden Ausbruch der so genannten “Subprime-Krise”, war die sächsische Regierung nur noch bemüht, das waghalsige Konstrukt aufzulösen. Einen Teil der zu befürchtenden Ausfälle all der seltsamen Derivate, die insbesondere die irischen Ableger der Sachsen LB angehäuft hatten, hat kurzerhand die Landesregierung im Namen des Freistaats und der Bürger übernommen: 2,75 Milliarden Euro an möglichen Nachforderungen, von denen der sächsische Finanzminister mehr als ein Zehntel schon in diversen zweistelligen Millionentranchen abbezahlt hat. Für den Rest hat er aus den laufenden Etats entsprechende Rückstellungen gebildet.Die Finanzgruppe steht seitdem zur Auflösung an, der Freistaat hat sich schon daraus zurückgezogen und den Kommunen freigestellt, es genauso zu machen. Für etwas anderes, als eine finanzielle “Stärkung” der Sachsen LB war der Verbund nie wirklich gedacht gewesen.

Die Stadt Leipzig und der Landkreis Leipzig als Verbandsmitglieder des Sparkassenzweckverbandes für die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig sowie der Landkreis Nordsachsen beabsichtigen nun, gemeinsam aus der Sachsen-Finanzgruppe auszuscheiden, zu deren Anteilseignern sie bislang gehören. Entsprechende Beschlüsse des Stadtrates und der Kreistage sollen den Weg dafür frei machen.

Die Kündigungsfrist beträgt ein Jahr zum Ende des nächsten Kalenderjahres, die drei Anteilseigner streben allerdings ein Ausscheiden noch 2012 an. Mit dem Ausscheiden verbunden ist die Rückübertragung der Trägerschaft an der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig an den Sparkassenzweckverband und den Landkreis Nordsachsen.

Oberbürgermeister Burkhard Jung meint zumindest: “Die Sachsen-Finanzgruppe war in den ersten Jahren sinnvoll; auch die Stadt hat von der Mitgliedschaft profitiert. Unter den jetzigen Rahmenbedingungen bringt eine weitere Mitgliedschaft für die Stadt aber keine Vorteile.”

Landrat Dr. Gerhard Gey, Landkreis Leipzig, kommentiert: “Den Austritt begrüße ich, da wir dann wieder ein einheitliches System von kommunalen Sparkassen in der Region haben.”

Nordsachsens Landrat Michael Czupalla ergänzt: “In Sachsen sind wir auf einem guten Weg und regen ein einheitliches Sparkassensystem im Freistaat an.”

Aber selbst in der gemeinsamen Pressemitteilung wollen alle drei Körperschaften an der Illusion festhalten, dass am Anfang alles prima war: “Ursprünglicher Sinn der Sachsen-Finanzgruppe war es, die Kräfte der Sparkassen zu bündeln und ihre Zusammenarbeit untereinander und mit der damaligen Sachsen LB zu fördern, insbesondere mit dem Ziel der Stärkung des sächsischen Banken- und Sparkassenwesens. Nachdem die ersten Jahre durchaus erfolgreich verlaufen waren, blieb die Sachsen-Finanzgruppe aber hinter den obigen Erwartungen zurück, nicht zuletzt aufgrund einschneidender Veränderungen in der Anteilseigner-, Gewährsträger- und Organisationsstruktur. Die erhofften Synergien konnten nicht realisiert werden. Spätestens mit der Veräußerung der Sachsen LB haben sich obige Zielstellungen endgültig überholt.”

Das nennt man wohl rosarote Brille. Für die Folgekosten des Konstrukts zahlen die Sachsen noch ein paar Jahre mit richtigem Geld, das für Schulen, Straßen, Kindertagesstätten fehlt.

Für eine Auflösung der Sachsen-Finanzgruppe, wie sie von den kommunalen Anteilseignern angestrebt wurde, zeichnet sich die erforderliche Einstimmigkeit noch nicht ab, umschreiben die drei Akteure das Dilemma, dass das Beitreten zwar ganz einfach war – die Auflösung aber von allen beschlossen werden muss. Bleibt also nur der eigene Austritt.

Deshalb gehen Leipzig, der Landkreis Leipzig und der Landkreis Nordsachsen den Weg des gemeinsamen Ausscheidens. Sollte die Anteilseignerversammlung der Sachsen-Finanzgruppe aber einstimmig die Auflösung des Verbundes noch in diesem Jahr beschließen, wäre dies für die Stadt und die beiden Landkreise eine akzeptable Alternative, teilen alle drei mit.

Der Volksentscheid von 2001: www.leipzig.de

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