Sachsen schrumpft? - Nicht wirklich. Der Bevölkerungsverlust des Freistaates hat sich in den letzten drei Jahren deutlich verlangsamt. Die Prognosen, mit denen die Landesregierung alle ihre politischen Kürzungskonzepte begründet, sind längst Makulatur. Aber auch im Jahr 2013 spricht der sächsische Innenmister, der auch für den Städtebau zuständig ist, von flächenhaftem Abriss, als hätte sich seit 2003 gar nichts verändert.

Am 12. Februar stellte er in Dresden das vor, was man so irgendwie Städtebauförderung nennen könnte. “Der Schwerpunkt der Förderung liegt auf der Stärkung der Innenstädte. Durch die Energiewende und die energetische Quartiersentwicklung entstehen neue Herausforderungen für den Städtebau. In diesem Schwerpunkt muss der Bund in den nächsten Jahren seine Förderung erhöhen”, sagte Ulbig. Rund 112 Millionen Euro stehen für den Zeitraum von 2013 bis 2017 aus den Bund-Länder-Programmen der Städtebauförderung zur Verfügung. Das ist eigentlich nichts. Vor allem, wenn man sieht, in welche Bund-Länder-Programme sich diese Summe noch aufsplittet:

– “Stadtumbau Ost”: 49,664 Millionen Euro
– “Städtebaulicher Denkmalschutz”: 37,794 Millionen Euro
– “Aktive Stadt- und Ortsteilzentren”: 12,316 Millionen Euro
– “Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke”: 8,002 Millionen Euro
– “Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – Die Soziale Stadt”: 4,266 Millionen Euro. Beispielhaft nennt das Ministerium hier die Gesamtmaßnahme “Leipziger Osten”.

Erstaunlich, dass der Minister da in der Dresdner Pressekonferenz wieder mit Zahlen um sich warf, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben. Die “Lausitzer Rundschau” beschreibt seine mittlerweile völlig weltfremde Position am 13. Februar so: “Rund 100.000 Wohnungen wurden in Sachsen in den vergangenen zehn Jahren abgerissen – weitere 300.000 sollen in den nächsten zehn Jahren weichen. Das ist der Schwerpunkt der Städtebauförderung, die Innenminister Markus Ulbig (CDU) gestern in Dresden vorstellte. Mit dem Abriss von Häusern, für die sich keine Käufer oder Mieter finden, sollen die Städte trotz Bevölkerungsrückgang attraktiv bleiben.”

Schon die Abrissprogramme der letzten Jahre haben einige historische Innenstädte – man denke nur an die Flächenabrisse in Chemnitz – nachhaltig beschädigt. Selten war ein “Förderprogramm” so wenig praxistauglich. Unflexibel, sagt Petra Köpping, stellvertretende Vorsitzende und Sprecherin für Wohnungsbau und Stadtentwicklung der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag.

“Die Pläne des sächsischen Innenministers, Markus Ulbig (CDU), in den nächsten zehn Jahren 300.000 Wohnungen abzureißen, sind einseitig und unflexibel. Dadurch würde der Mietpreis in Städten wie Leipzig, Chemnitz und Dresden in die Höhe steigen”, stellt sie mit nüchternem Blick auf die Gegebenheiten im Land fest. “Darüber hinaus fehlt ein Konzept für die kleineren und mittleren Städte im ländlichen Raum. Der Abriss in solchen Größenordnungen kann nicht die einzige Antwort auf die Fragen sein, denen wir uns künftig stellen müssen. Denn das Abreißen von Wohnungen führt nicht automatisch dazu, dass altersgerechter, barrierefreier, energetisch sanierter und vor allem bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht. Deshalb müssen Konzepte gefunden werden, die den Situationen vor Ort gerecht werden. So befindet sich beispielsweise in Naunhof 90 Prozent des Wohnraums in privater Hand. Hier ist es kaum möglich, in altersgerechte, bezahlbare Wohnungen umzuziehen. Hier ist also dringend ein Konzept für sozialen Wohnungsbau nötig. In Rötha musste zum Beispiel die Stadt ihre Wohnungen verkaufen, um sich zu entschulden. Nun fehlen hier ebenfalls altersgerechte und bezahlbare Wohnungen.”

Ist der Minister in seinem Amt endgültig überfordert? Es sieht so aus.

Es gibt auch niemanden mehr, der seine Abrisspläne in die Tat umsetzen könnte. Die drei Kreisfreien Städte haben längst mit ganz anderen Problemen zu kämpfen – mit den immer knapperen Bodenressourcen, die für alle Immobilienansprüche nicht mehr ausreichen. Kitas und Schulen müssen gebaut werden, neue Wohnquartiere entstehen, Brachenentwickler versuchen die Bedürfnisse an Kompaktheit und Luft und Licht in Verbindung zu bringen. Der Wohnungsleerstand hat sich in Städten wie Leipzig drastisch verringert. In citynahen Quartieren sind die Mietpreise entsprechend schon gestiegen, Bewohner, die sich das gestiegene Niveau nicht mehr leisten können, werden in weiter entfernte Stadtquartiere verdrängt.

Wo die Bevölkerung schrumpft – das sind die ländlichen Bereiche. Doch gegen diese Abwanderungsbewegung hat in der aktuellen sächsischen Regierung augenscheinlich niemand ein Rezept. Die Abrisspläne greifen nicht, weil es der Normalzustand ist, dass gerade in den Siedlungskernen, die Ulbig stärken möchte, der Gebäudebestand in privater Hand ist. Die Förderprogramme aber, die diese Hausbesitzer stärken und die Ortskerne nachhaltig wieder beleben, fehlen. Die verfügbaren Gelder für Denkmalschutz und “Aktive Stadt- und Ortsteilzentren” sind ein Tropfen auf den heißen Stein.Natürlich ist diese mittlerweile fast unübersichtliche Gemengelage auch Thema auf der Messe “Immobilien”, die vom 21. bis 24. Februar auf der Leipziger Messe stattfindet. Dabei ist diese Messe durch die zwei separaten Bereiche “Gewerbe & Kongress” (21. und 22. Februar) sowie “Wohnen & Eigentum” (22. bis 24. Februar) Fach- und Publikumsmesse in einem.

“Aufgrund der positiven Entwicklung des mitteldeutschen Gewerbeimmobilienmarktes, ist es für uns naheliegend, als Leipziger Messe eine entsprechende Plattform anzubieten, die die Potenziale der Region den Besuchern aus ganz Deutschland nahebringt. Deshalb streben wir den weiteren Ausbau des Bereiches ?Gewerbe & Kongress? an”, sagt Martin Buhl-Wagner, Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Messe. Noch einmal zum Mitschreiben: “positive Entwicklung des mitteldeutschen Gewerbeimmobilienmarktes”. Auch da tut sich was. Das ist keine Region, die einfach mit der Abrissbirne plattgemacht werden kann. Sie berappelt sich – auch ohne die väterliche Hilfe der arglosen Landesregierungen.

Dass das Konzept der Immobilen-Messe aufgeht, zeigt nicht zuletzt die gestiegene Ausstellerzahl in beiden Bereichen. 93 Aussteller (2012: 83) präsentieren ihre Produkte und Dienstleistungen rund um Immobilien und Finanzierung im Congress Center Leipzig (CCL). “Die Aufteilung der Messe in zwei separate Bereiche ermöglicht eine bessere Zielgruppenansprache. Während ‘Gewerbe & Kongress’ am 21. und 22. Februar vorrangig Fachbesucher ins Visier nimmt, richtet sich ‘Wohnen & Eigentum’ vom 22. bis 24. Februar überwiegend an interessierte Privatbesucher, die sich mit dem Gedanken tragen, ihre Wohnsituation zu ändern, sei es zur Miete oder zum Kauf”, sagt Peggy Schönbeck, Projektdirektorin der “Immobilien”.

Und die bunte Gemengelage wird dann auch im Rahmenprogramm beider Messe-Teile sichtbar.

Im Teil “Gewerbe & Kongress” referieren 18 Experten aus deutschen und international tätigen Immobilienunternehmen sowie aus Einzelhandelsunternehmen, Verbänden und Bildungseinrichtungen am 21. und 22. Februar über aktuelle Entwicklungen der Branche.

So gibt Stefan Sachse, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Leipziger Niederlassungsleiter, in seinem Eröffnungsvortrag “Der Gewerbeimmobilienmarkt in Mitteldeutschland im Vergleich” einen aktuellen Überblick über den mitteldeutschen Markt (21. Februar, 10.30 Uhr).

Jörg Scheidler, Director und Head of Capital Partners bei FAP-Flatow AdvisoryPartners GmbH, berichtet über das FAP-Finanzierungsbarometer und gibt Antworten auf die Frage “Wie ist die Stimmungslage der Kreditgeber?” (21. Februar, 12.00 Uhr). Und die kann ja so schlecht nicht sein.

Mike Michel, Leiter Expansion Vollsortiment bei der REWE Handelsgruppe, bringt dann ein Thema auf, dass Stadtplanern schon seit Jahren Bauchschmerzen macht. Denn es sind auch diverse Handelsketten, die in den Innenstädten immer mehr wertvolle Bauflächen mit ihren Märkten und Parkflächen in Anspruch nehmen. Michel berichtet über seine Erfahrungen im Hinblick auf die Expansionsstrategie der REWE Handelsgruppe (21. Februar, 14.15 Uhr).

Christian Meyer, Projektentwickler im Projektbüro Berlin der aurelis Real Estate GmbH & Co. KG, geht in seinem Vortrag “Am Alten Zoll – Leipzig Hbf. West, Entstehung eines neuen Stadtviertels” auf ein konkretes Projekt in Leipzig ein (21. Februar, 15.45 Uhr), wie auf einer alten Brache ein neues Wohnquartier (mit Schule) hochgezogen wird.

Ralf Oberänder, Geschäftsführer von Engel & Völkers Commercial Leipzig, blickt in seinem Vortrag “Nur Plan B für Investoren? – Leipzig mit attraktivem Rendite-Risiko-Profil bei Wohn- und Geschäftshäusern” auf den aktuellen Aufwärtstrend in Leipzig, der zunehmend auch Anleger aus den alten Bundesländern und Berlin überzeugt (22. Februar, 10.30 Uhr).

Andreas Habath, Akademieleitung der Sprengnetter Akademie, wird in seinem Vortrag “Transparenz als Herausforderung für die Immobilienbewertung” den Markt der Immobilienbewertung durchleuchten (22. Februar, 12.00 Uhr).

Weitere Vorträge befassen sich unter anderem mit der Logistikregion Leipzig-Halle, mit Social-Media im Immobiliengeschäft oder mit dem mitteldeutschen Hotelmarkt. Das gewerbliche Fachprogramm wurde in Zusammenarbeit mit der Flaskamp Ummen AG organisiert.

Und das Wohnen wird sich drastisch verändern. Dazu gibt es natürlich auch entsprechende Vorträge.

So bringt sich beispielsweise der Verband Privater Bauherren e.V. (VPB) mit zahlreichen Beiträgen in das Rahmenprogramm ein. Dipl.-Ing. Rüdiger Mattis, Vizepräsident des Verbandes, referiert über “Barrierefreies Bauen und Umbauen” (22. Februar, 10.30 Uhr), über “Gesund wohnen – gesund leben” (22. Februar, 12.45 Uhr), zu Wegen zum Wohneigentum (24. Februar, 13.15 Uhr) und über “Vertragsprüfung und Baukontrollen” (24. Februar, 15.45 Uhr).

Für einen weiteren Partner, den Bauherren-Schutzbund e.V., geht zum Beispiel Dipl.-Ing. Jörg Nowitzki, unabhängiger Bauherrenberater des Vereins, an das Rednerpult und informiert aus seiner Sicht über Barrierefreiheit (22. Februar, 12.00 Uhr), über energieeffizientes Bauen und Modernisieren (22. Februar, 13.30 Uhr), aber auch über Ärger und Mängel am Bau (24. Februar, 11.00 Uhr).

Am 21. Februar lädt der 11. Mitteldeutsche Immobilienkongress (MIK) in das Congress Center Leipzig ein. Der Kongress ist die Leitveranstaltung der Immobilienbranche Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens. Ausgerichtet wird er von zahlreichen Branchenverbänden, darunter der IVD Immobilienverband Mitte-Ost e.V., der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V. (VSWG), der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Landesverband Mitteldeutschland e.V., der vdw-Sachsen Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. und vtw. Verband der Thüringer Wohnungswirtschaft e.V. sowie sein Prüfverband ptw. Seit elf Jahren vereint der Kongress die Branche, um über das Spannungsfeld von Markt und Politik zu diskutieren.

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Am 22. Februar 2013 verfolgt das Liegenschaftsamt der Stadt Leipzig mit der 11. Informationsveranstaltung “Landwirtschaft in der Stadt Leipzig – Wirtschaftskraft und Ressourcenschutz” das Ziel, die Landwirtschaft als Wirtschaftszweig in die Stadtentwicklung stärker einzubeziehen. Entsprechend versammelt die Veranstaltung die beteiligten Akteure im Congress Center Leipzig, um die Thematik zu diskutieren und über den aktuellen Stand zu informieren. Denn eine Stadt ist ein komplexer Organismus. Und in Leipzig hat man zumindest schon begonnen, all die Verflechtungen, die den Organismus ausmachen, wahrzunehmen, auch wenn einen die diversen Integrierten Stadtentwicklungskonzepte teilweise noch wie recht luftige Konstrukte aus den einzelnen Behördenbausteinen vorkommen. Sie machen zumindest sichtbar, wie schwer es auch gut gewillten Stadtverwaltungen fällt, eine Stadt als komplexen Organismus zu verstehen.

Der Rest ist jede Menge Anschauungs- und Beratungsangebot.

Die “immobilien” ist vom 21. bis 24. Februar täglich von 10 Uhr bis 17 Uhr geöffnet. “Gewerbe & Kongress” findet am 21. und 22. Februar statt, “Wohnen & Eigentum” vom 22. bis 24. Februar. Die Tageskarte kostet 9 Euro, ermäßigt 6,50 Euro. Kinder von 7 bis 12 Jahren zahlen 3,50 Euro, Kinder bis 6 Jahre haben in Begleitung Erwachsener kostenfreien Eintritt, eine Abendkarte ist ab 15 Uhr für 4 Euro erhältlich.

www.immobilienmesse-leipzig.de

Der Artikel der “Lausitzer Rundschau” zu den Abriss-Träumen des sächsischen Innenministers: www.lr-online.de/nachrichten/sachsen/Schicke-Zentren-platt-gemachte-Platte;art1047,4123318

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