Mehr Geld, mehr Leute, mehr Einsatz. Nicht ganz drei Jahre haben die Stadt Leipzig, die beiden Landkreise Leipzig und Nordsachsen und die IHK gebraucht, um ein ehrgeiziges Projekt aus der Taufe zu heben: die Wirtschaftsförderung Region Leipzig (WRL), die neue "Speerspitze" der Wirtschaftsförderung in der Region. Am 15. August war Arbeitsstart für Geschäftsführer Lutz Thielemann. Seitdem ist er einmal um den Globus gereist: Memphis, Washington, Lviw, München.

Eine robuste Gesundheit braucht man in dem Job, den Thielemann da bekommen hat. Denn es ist ein Reisejob. Messen, Kongresse, Wirtschaftsgespräche in aller Welt stehen auf dem Programm, auch wenn 2014 der Fokus auf der Schweiz und Deutschland liegen soll. Jeder “Global Player” fängt mal klein an. Das Wort vom “Global Player” benutzt Michael Czupalla, Landrat des Landkreises Nordsachsen, der 15 Prozent an der neu geschaffenen WRL hält, weitere 15 Prozent hält der Landkreis Leipzig, 19 Prozent die IHK Leipzig. Und der Rest, die 51 Prozent, hält “die Stadt”. “Die Stadt” ist Leipzig. Ein kleiner Effekt, der kaum auffiel, als Michael Czupalla, sein Landratskollege aus dem Süden, Gerhard Gey, der Leipziger Chef der Wirtschaftsförderung, Michael Schimansky, und Lutz Thielemann einluden zum ersten Pressetermin in den neuen Büroräumen der WRL: König-Albert-Haus, Markt 9. Eine Etage tiefer lockt Abend für Abend das “Centralkabarett” zum Bühnenprogramm.

Zehn Mitarbeiter hat Lutz Thielemann. Und das Budget hat sich weihnachtlich vermehrt. Gab’s für den Projektzeitraum, in dem “die Stadt” und die beiden Landkreise an der Schaffung der neuen, gemeinsamen Wirtschaftsförderung arbeiteten, 430.000 Euro Projektgeld, so hat die fertige WRL jetzt 1,7 Millionen Euro zur Verfügung – im Jahr.

Sichtlich stolz sind Czupalla, Gey und Schimansky, dass es überhaupt so weit kam. Denn Versuche, die Wirtschaftsförderung zwischen den Landkreisen und “der Stadt” zu vereinheitlichen, irgendwie mal am gleichen Strang zu ziehen, die sind Legion. Immer wieder gab es hübsche Ansätze. Und immer wieder hat’s fürchterlich gekracht, wie Schimansky durchblicken lässt. Denn dicke haben es alle nicht. Und wenn es um die Ansiedlung von Unternehmen und mehr Arbeitsplätze (und damit möglicherweise mehr Steuereinnahmen) geht, ist sich jeder selbst der nächste. Da schnappt man auch gern dem geliebten Nachbarn mal die Wurst vom Brot.Aber nicht nur die Projektgelder haben Wunder bewirkt. Mittlerweile ist allen drei Spielern klar, das es um Wurst und Brot geht, dass sie alle drei dieselben Probleme haben und dass sie alle drei zu klein sind, auf dem globalen Markt der Investitionen zu fischen. Deshalb gab’s das Projektgeld vom Land. Deshalb spricht Gey nun auch von einem Staffellauf. Und der Termin am Dienstag sollte eine Art Staffelstabübergabe darstellen – von den drei “alten” Wirtschaftsförderern an die neue “Speerspitze”, Lutz Thielemann und die WRL.

Was auch bildlich nicht stimmt. Denn sowohl in den Landkreisen als in der Stadt Leipzig bleiben die Ämter für Wirtschaftsförderung bestehen. Hier wird die Arbeit gemacht, wenn ein Fisch ins Netz gegangen ist. Aber was soll nun die WRL tun? – Fischen gehen. Unter anderem. Drei Arbeitsfelder definiert Lutz Thielemann: Werbung (in aller Welt, zum Beispiel auch in Memphis) um neue Ansiedlungen, Markenbildung und Marketing für die Wirtschaftsregion Leipzig und Fachkräftesicherung.

Ein heißes Eisen gerade der letzte Punkt. Da wird es um Hauen und Stechen gehen. Das weiß auch Michael Czupalla, für den das Jahr 2014 durchaus eine Zäsur ist: “Dann treten erstmals weniger junge Leute ins Berufsleben ein, als in den Ruhestand gehen.” Schon seit 2010 sind die Schulabsolventenzahlen in Westsachsen drastisch eingebrochen. Aber ab 2014 genügen die jungen Jahrgänge nicht mehr, um die Altersabgänge zu kompensieren. Was für die Region bedeutet: Irgendwo müssen alle Hochschulen, Universitäten, Berufsschulen gebündelt werden.”Wir müssen direkt in die Hochschulen gehen, um die für uns wichtigen Fachkräfte zum Dableiben zu bewegen”, sagt Thielemann. Denn gerade auch den praxisnahen Hochschulen gehen nach wie vor die meisten Absolventen nach dem Studium weg – in Bundesländer, wo es mehr Geld gibt für den Job. Ihnen muss das Dableiben schmackhaft gemacht werden. Das braucht Überzeugungsarbeit. “Aber auch um die Berufsschulen müssen wir uns kümmern”, sagt Czupalla. Und Thieleman nennt noch eine andere Ressource, mit der die Region künftig ihren Fachkräftebedarf decken soll: Die Pendler aus den östlichen Nachbarländern. “Die jetzt immer durch Sachsen durchfahren, dahin, wo sie mehr Geld verdienen als bei uns”, sagt Thielemann. “Für die ist eine unserer nächsten Aktionen geplant.” Das wird eine große Werbeaktion im polnischen Schlesien sein.

Die IHK hat schon seit ein paar Jahren gemahnt, Sachsen müsse sich für Facharbeitskräfte aus der östlichen EU öffnen. Die WRL macht jetzt ernst. Erste polnischsprachige Anzeigen in polnischen Zeitungen sind schon erschienen. Eine russischsprachige Kampagne ist vorbereitet.

Aber auch in deutschen großen Zeitungen macht die WRL jetzt Werbung für “LeipziGO”. Angefangen in der “Süddeutschen” mit einem vierseitigen Beileger, weiter geht es mit der “Zeit”. Etliche Aktionen dieser Art sollen folgen. Alles, was das Werbebudget hergibt. Auch der alte Traum vom “social media” ist dabei. “Nur Fernsehen und Rundfunk werden wir uns nicht leisten können”, sagt Thielemann.

Ist das also die Hauptarbeit: Werben für die Wirtschaftsregion? Irgendwie in Konkurrenz zum LTM, der die Tourismus-Region Leipzig auf ähnliche Weise beackert? – Für Gerhard Gey gehört das sowieso zusammen. “Wir arbeiten inzwischen auf mehreren Ebenen so zusammen”, erklärt der Landrat. “Auch das war ein hartes Stück Arbeit.” Aber gerade beim Tourismus hatte der Landkreis Leipzig gemerkt, dass das nur zusammen mit dem großen Klops in der Mitte geht, “der Stadt”. Und: “Es funktioniert ganz gut”, sagt Gey.

Aber natürlich wirbt die WRL nicht für den Tourismus. Das bleibt LTM-Sache. Sie soll Investoren finden und binden. Deswegen, so Thielemann, ist der zentrale Baustein seiner 10-Leute-Truppe das “Akquisitions-Team”. Das sind die Leute, die zu Kongressen, Tagungen und Messen fahren und nichts anderes tun sollen, als zu den richtigen Gesprächspartnern Kontakte aufzubauen, allen voran Unternehmen, die neue Investitionen und Ansiedlungen planen, die zu den in der Region Leipzig schon starken Clustern passen. Die Cluster wurden überprüft und sortiert. Die WRL sondiert also nicht ins Blaue. Und mit der Memphis-Reise, von der alle Teilnehmer noch schwärmen, hat man schon ein bisschen demonstriert, wie es gehen soll. Man hat ja von FedEx das Versprechen mitgebracht, in Mitteldeutschland einen kleinen Standort zu gründen.

Ansonsten bittet sich Thielemann ein bisschen Zeit aus. “Investitionsentscheidungen brauchen ihre Zeit”, sagt er. “Und auch wenn die Entscheidung gefallen ist, braucht es eine Weile, bis alle Modalitäten geklärt sind. Ein, zwei Jahre muss man schon einkalkulieren.”

Am Dienstag hat der Beirat noch einmal getagt und alles für gut befunden. Die Richtung scheint zu stimmen.

www.region-leipzigo.de

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