Das Argument bekommt man nicht nur von der sächsischen Staatsregierung zu hören, auch in der Leipziger Verwaltung tut man sich schwer, eine faire Beschaffungspolitik im Vergaberecht zu verankern. Menschenrechte seien für eine "Wirtschaftlichkeit der Beschaffung nicht relevante Aspekte", so formulierte die sächsische Regierungskoalition in der Begründung zum 2013 verabschiedeten Vergabegesetz.

Dass man damit einen sehr einseitigen Wirtschaftlichkeitsbegriff vertritt, bekommen dann immer die zu spüren, die ihre Angebote nach ihren Möglichkeiten und in fairem Rahmen abgeben: Sie kommen immer wieder nicht zum Zug, weil Konkurrenten mit Billigangeboten gewinnen, in denen vor allem die Arbeitskräfte mit Dumpinglöhnen abgespeist werden.

Oder etwas deutlicher ausgedrückt: Sie verschaffen sich Wettbewerbsvorteile, indem sie miserable Bezahlung in ihre Kalkulation mit einpreisen. Ein doppelter Akt der Unfairness – gegenüber jenen Arbeitskräften zumeist irgendwo in so genannten “Entwicklungsländern”, die mit Peanuts abgespeist werden, und gegenüber der heimischen Konkurrenz, die solche Preise beim besten Willen nicht bieten kann, weil ihre Arbeitskräfte ja leben wollen von ihrer Arbeit.

Mal geht es um Steine, mal um Bekleidung, mal um Computer.

Die Allianz “Sachsen kauft fair” fordert jetzt schon die neu zu wählenden Abgeordneten des Sächsischen Landtags auf: “Nehmen Sie Ihre Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte wahr! Setzen Sie sich dafür ein, dass in Zukunft keine Produkte, die unter menschenrechtsverletzenden Bedingungen hergestellt wurden, im Warenkorb des Freistaates landen.”

Das Bündnis setzt sich für die Beachtung von Menschenrechten und Umweltbelangen im Einkauf der Öffentlichen Hand ein. Mitglieder sind das Entwicklungspolitische Netzwerk Sachsen – ENS, der DGB Bezirk Sachsen, die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen, das Bistum Dresden-Meißen, die Grüne Liga Sachsen.

Über ein Jahr ist es her, dass die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch einstürzte. Das Unglück forderte 1.138 Tote und mehr als 2.500 Verletzte. Einigen Modehändlern mit Sitz in Deutschland wurde nachgewiesen, dass sie in der Unglücksfabrik produzieren ließen und die Zustände billigend in Kauf genommen haben. Die Initiative “Sachsen kauft fair” hat recherchiert, dass sächsische Polizeiuniformen zum Beispiel in Mazedonien genäht werden – auch dort unter Verletzung der Menschenrechte. Hier ist der Freistaat Sachsen Auftraggeber und Kunde, ja sogar Großkunde.Der sächsische Landtag hat es in der Hand: Er kann in seinem Vergabegesetz Kriterien vorgeben, die beim Einkauf zu beachten sind. Menschenrechte bei der Arbeit gehören dazu, findet die Allianz. Dies sind die so genannten ILO-Kernarbeitsnormen – von der Internationalen Arbeitsorganisation verabschiedete Grundrechte – sowie das Menschenrecht auf einen Lohn zum Leben. Die ILO-Kernarbeitsnormen sind: Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen, Beseitigung der Zwangsarbeit, die Abschaffung der Kinderarbeit und das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.

Die Initiative “Sachsen kauft fair” startet am Dienstag, 13. Mai, ihre Petition “Sachsen kauft fair” an den Sächsischen Landtag mit der Aufforderung, das Vergabegesetz entsprechend zu überarbeiten, wie es 12 von 16 Bundesländer bereits getan haben. Sachsen ist das einzige Bundesland, das Menschenrechte als “vergabefremd” bezeichnet.

“Spätestens seit den zahlreichen Fabrikunfällen in Bangladesch und Pakistan ist klar, dass Bekleidung unter drastischen Menschenrechtsverletzungen produziert wird. Auch sächsische Polizeiuniformen machen da leider keine Ausnahme. Der Landtag muss endlich handeln”, betont Antonia Mertsching von der Allianz “Sachsen kauft fair”.

Die Petition findet man hier: www.openpetition.de/petition/online/kein-verzicht-auf-menschenrechte-sachsen-kauf-fair

Zu den ILO-Kernarbeitsnormen: www.ilo.org/berlin/arbeits-und-standards/kernarbeitsnormen/lang–de/index.htm

Sächsisches Vergabegesetz, SächsVergabeG vom 14. Februar 2013: www.vergabe-sachsen.de/fileadmin/user_upload/pdf/SaechsVergabeG.pdf

Begründung zum Sächsischen Vergabegesetz: www.hk24.de/linkableblob/hhihk24/innovation/auftragsberatung/downloads/2348104/.4./data/Begruendung_zum_Saechsischen_Vergabegesetz-data.pdf

Recherchen zur Herstellung von Dienstbekleidung: www.sachsen-kauft-fair.de/recherchen-und-studien/made-in-europe

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar