Eigentlich ist der ADAC ein Club, der sich vorrangig um die Gruppe der Autofahrer kümmert. Manchmal gibt es auch ein paar schräge Aussagen zu Radfahrern. Aber manchmal überrascht der Verein auch und beschäftigt sich ernsthaft mit den alternativen Verkehrsarten. Wie am Donnerstag wieder: Da hat er sich mal um die Radwege in deutschen Großstädten gekümmert. Leipzig ist natürlich auch dabei.

Es ist durchaus bemerkenswert, dass der ADAC eine Menge Handlungsbedarf sieht, weil die Unfälle mit Radfahrern seit Jahren zunehmen – und das vor allem in Ballungsräumen. Das hat natürlich Ursachen, die der ADAC nicht extra untersucht – den bundesweiten Trend des Umzugs von den ländlichen Regionen in die Metropolen etwa. Und dort den Trend, das Fahrrad öfter zu benutzen, nicht nur in der Freizeit. Wo mehr Radverkehr ist, gibt es logischerweise auch mehr Unfälle. Und das ist das, was der ADAC-Test in den abgefahrenen 12 deutschen Großstädten sichtbar gemacht hat: Die Städte sind auf die Veränderungen nur ungenügend vorbereitet. Es fehlt an Abstellmöglichkeiten, an breiten Radwegen und an Serviceangeboten wie Verleihstationen oder Reparaturmöglichkeiten.

Die Botschaft an alle Leipziger Autofahrer: Leipzig mit seinen Problemen fällt nicht ein bisschen aus dem Rahmen.

Im Gegenteil. Die ADAC-Benotung ergibt ein blasses “durchschnittlich”. Womit Leipzig zumindest nicht in der von Dresden und Dortmund gebildeten Schlussgruppe landet, wo es nur zu einem “unterdurchschnittlich” reicht. Gute Noten gab’s für die Leipziger Radförderung, um die nun ganze Jahrgänge von Ratsversammlungen gerungen haben. Seit knapp zwei Jahren hat man sie endlich. Nur in einem Verlagsgebäude am Peterssteinweg und bei einigen CDU-Vertretern hadert man mit der Entwicklung. Zu unrecht. Sie sind überfällig.

Denn im Bestand klaffen – für jeden Radfahrer spürbar – riesige Löcher: besonders deutlich bei fehlenden Serviceangeboten und bei aktiver Vermeidung von Unfallgeschehen. In der Liste der zwölf geprüften Großstädte landet Leipzig so nur auf Platz 8 – hinter Köln, vor Frankfurt am Main.Woran es hapert, hat der ADAC recht genau aufgelistet. Und das beginnt für Leipzig, wo die Tester nicht nur 28 Kilometer auf vier Routen fuhren, sondern auch die Unfallstatistiken studierten, mit dem Unfallgeschehen. Das ist eindeutig überdurchschnittlich. Was natürlich daran liegt, dass das Leipziger Radwegenetz nach wie vor Stückwerk ist. Und eines fehlt ganz offensichtlich: systematische Verkehrssicherheitsanalysen speziell für den Radverkehr mit daraus abgeleiteten Maßnahmen. Natürlich scheut sich die Stadt vor solch einem Projekt, denn dann würde an den Unfallschwerpunkten (die es nun einmal gibt) auch sichtbarer Handlungsdruck entstehen.

Stark befahrene Straßen sind nach wie vor oft ohne Radwege, stellen die Tester fest, auch Radwegbeläge auf einigen Streckenabschnitten sind (mittlerweile wieder) schlecht, etwa in der Karl-Heine- oder in der Windmühlenstraße. Wobei die Karl-Heine-Straße auch zu den Straßen gehört, die in wichtigen Abschnitten ohne Radweg sind. Wer erst einmal anfängt, das Leipziger Radwegenetz zu untersuchen, findet sehr schnell die großen Lücken und ungeklärten Abschnitte.

Andererseits erlebt der Radverkehr in Leipzig einen echten Boom. Die schon deutlich erweiterten Radabstellanlagen etwa in der City oder am Hauptbahnhof sind völlig überbelegt. Für Leute mit etwas teureren Rädern auf Tour tut sich da die Frage auf: Wo kann ich das Rad sicher abstellen?

Da wird es in Leipzig schwierig.

Es gibt nur wenige gesicherte Abstellplätze in Bike&Ride-Anlagen, stellen die ADAC-Tester fest – und nennen als gutes Beispiel die Fahrradboxen am Bahnhof Knauthain.

Und wenn das Rad nun mal kaputt geht unterwegs? Holla, da wird’s schwierig: Serviceangebote sind nur eingeschränkt vorhanden, es gibt keine Fahrradstation (Definition des ADAC: gesicherte Stellplätze, Vermietung, Werkstatt). Wobei betont werden muss: Die Tester waren nur innerstädtisch unterwegs. Aber bei Radtouren ins Leipziger Umland wird es ja nicht besser. Es wird zwar gern geträumt von umweltfreundlicher Anreise etwa ins Leipziger Neuseenland. Aber wer wirklich umweltfreundlich anreist, merkt schnell, dass es andernorts auch an Service-Angeboten mangelt.

Manchmal scheinen die Verkehrsplaner die Entwicklung wie ein Naturphänomen zu betrachten – ohne sich zum Handeln bemüßigt zu fühlen. Spürbar – und das hat selbst der Konkurrenzclub ADFC sehr deutlich herausgearbeitet – an der Öffentlichkeitsarbeit zum Radverkehr. Nun stellen auch die ADAC-Tester fest: “Öffentlichkeitsarbeit der Stadt zum Thema Radfahren nur schwach ausgeprägt.”

Hingegen ist die Gefahr des Fahrraddiebstahls in Leipzig sehr hoch.

Gibt es auch Positives zu berichten?

Gibt es. Kurz aus ADAC-Sicht aufgelistet:

– Radfahrstreifen sind teilweise deutlich breiter als Richtlinienvorgabe, etwa an der Nürnberger Straße

– Fast alle Einbahnstraßen in Tempo-30-Zonen sind für Radfahrer in Gegenrichtung geöffnet

– Die Abstellplätze an Bike&Ride-Anlagen sind funktionell, verbesserter Diebstahlschutz ist durch Rahmenhalter (“Leipziger Bügel”) gegeben.

– Fahrradmitnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln jederzeit möglich. (Was die Tester nicht erwähnen: Wer kein Semesterticket hat, muss eine Extra-Fahrkarte lösen.)

– Die Radverkehrskonzeption der Stadt Leipzig ist thematisch breit gefächert.

Und es gibt einen Ansprechpartner und eine Arbeitsgruppe für kommunalen Radverkehr. Einige Rahmenbedingungen zur Herstellung eines funktionell modernen Radnetzes in Leipzig sind also vorhanden. Jetzt muss sich um die Brenn- und Konfliktpunkte gekümmert werden.

Zum ADAC-Radwege-Test: www.adac.de/infotestrat/tests/strassen/radwege/2014/default.aspx?ComponentId=214256&SourcePageId=31968

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