Am Donnerstag und Freitag, 6. und 7. Oktober, tagten in Stuttgart die Verkehrsminister der Länder. Und wenn stimmt, was der „Spiegel“ am Samstag, 8. Oktober, berichtete, dann haben die Länderverkehrsminister beschlossen, dass sie „ab 2030 keine Benzin- und Dieselautos mehr neu zulassen“ wollen. Und die Unionsminister hätten das genauso unterstützt wie die SPD-Minister. Und dabei hat Katja Meier am Donnerstag noch etwas ganz anderes befürchtet.

Da hatte nämlich die „Sächsische Zeitung“ berichtet, Sachsen wolle in Stuttgart gegen die Einführung der „Blauen Plakette“ stimmen. „Sachsen tritt bei den Plänen für eine neue ‚Blaue Plakette‘ zur Luftreinhaltung im städtischen Straßenverkehr weiter auf die Bremse“, so die Zeitung. „Aus Sicht des sächsischen Verkehrsministeriums würde eine weitere Verschärfung der Umweltzonen-Regelungen nicht zum Ziel führen, hieß es in Dresden vor der am Donnerstag in Stuttgart beginnenden Verkehrsministerkonferenz.“

Für Katja Meier, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, passte das irgendwie in die altbackene sächsische Verkehrspolitik. Damit, dass die Verkehrsminister nicht nur neue Verkehrsleitsysteme fordern würden, konnte sie da noch nicht rechnen. Auch wenn eine Mitarbeiterin des Verkehrsministeriums gegenüber der „Sächsischen Zeitung“ hatte durchblicken lassen: „Neue Fahrzeugtechnologien und der Einsatz alternativer Antriebe müssten nach und nach die ‚Schmutzigen‘ ersetzen.“

Nur: Wie lange sollte dieses „Nach und Nach“ dauern?

Jetzt steht auf einmal das Jahr 2030 im Raum. Wahrscheinlich auch stark befeuert durch die Diesel-Abgas-Affäre, von der immer mehr Autobauer betroffen sind. Immer deutlicher zeigt sich, dass die Trickserei bei den Abgaswerten von Dieselfahrzeugen vor allem ein Ausweichmanöver war, um den Umstieg auf abgasfreie Technologien zu verzögern. Das hat eine ganze Schlüsseltechnologie ausgebremst. Und auch in Sachsen geht zunehmend die Angst um, dass es auch die für den Standort so wichtige Autobranche lädieren könnte.

Mit dem Jahr 2030 steht jetzt ein ambitioniertes Ziel im Raum: Bis dahin müssen alternative Antriebe massentauglich sein.

Und in Sachsen? Wartet das Land nun darauf, dass sich der Technologiewechsel irgendwann von allein vollzieht?

Undenkbar für Katja Meier: „Einerseits die Blaue Plakette abzulehnen und anderseits die Kommunen beim Ausbau des Radverkehrs nur unzureichend zu unterstützen wird nicht funktionieren. Allein mit der Investition in intelligente Leitsysteme, wie es das Verkehrsministerium vorschlägt, werden die Stickoxid-Belastungen in Leipzig, Chemnitz und Dresden nicht zu reduzieren sein. Diese Systeme sind schlichte Augenwischerei.“

Der Blick auf die in Leipzig jetzt aufflammende Diskussion um einen „autofreien“ Innenstadtring zeigt: Das Thema ist überreif. Nicht so sehr, weil das Lebensmodell Automobil zu Ende wäre, sondern weil kompakte Großstädte wie Leipzig an der Grenze ihrer Belastbarkeit ankommen. Die Weichenstellung muss zwingend heißen: mehr umweltfreundlichen Verkehr möglichst im ÖPNV und auf dem Rad. Dazu müssen nicht mal neue Technologien entwickelt werden, sondern nur stabile und aufnahmefähige Verkehrstrassen gebaut werden – völlig unabhängig davon, wie schnell die Kraftfahrzeugantriebe den Zeitensprung schaffen. Denn die Bürgerbefragungen in Leipzig zeigen: Die Großstädter sind offen für umweltfreundliche Fortbewegung. Sie haben nur ein Problem, wenn die existierenden Verkehrssysteme einfach ihre täglichen Bedürfnisse nicht erfüllen.

Also ist das Auto für viele Großstädter ein notwendiges Übel. Ohne das können sie die vielen Ansprüche an ihren Familienalltag nicht bewältigen.

Ergebnis: In Dresden war im vergangenen Jahr die Stickoxid-Belastung um ein Viertel höher, als die EU-Vorgaben erlauben. Auch in Leipzig und Chemnitz werden Stickoxid-Grenzwerte überschritten.

Und eine flottere Verkehrsführung für den Kraftverkehr löst das Problem in keiner Weise.

„Mit technisierten Maßnahmen wie Verkehrsleitsysteme werden die Grünphasen verlängert und der Autoverkehr erhält die oberste Priorität. Zu Fuß Gehende und Radfahrerinnen und Radfahrer haben dadurch oft das Nachsehen und stehen länger an der Ampel“, stellt Katja Meier fest. „In den Kommunen gibt es einen riesigen Bedarf für neue Radwege. Woran es offensichtlich fehlt, ist die unbürokratische Unterstützung der Kommunen und kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner im Ministerium. Deshalb braucht es endlich eine eigene Abteilung Radverkehr im SMWA. Außerdem muss die im Koalitionsvertrag verankerte Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte (AGFS) umgehend gegründet werden. Denn da finden sich Kommunen zusammen, die vor Ort für den Radverkehr Verbesserungen erreichen wollen.“

Und da hat sie die verworrene Politik um die Finanzierung der Zweckverbände, die eigentlich dringend Spielräume brauchen, um die S-Bahn- und Nahverkehrs-Systeme auszubauen, noch gar nicht benannt.

„Statt die sowieso schon klammen Kommunen mit den hohen Kosten, die mit Verkehrsleitsystemen verbunden sind, weiter zu belasteten, sollte das Land die Kommunen vielmehr dabei unterstützen, sichere Radwege und den öffentlichen Nahverkehr auszubauen“, benennt Meier die anstehenden Aufgaben. „Ziel muss es sein, den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV und das Fahrrad attraktiver zu machen.“

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