2012 gab es kurz so eine Hoffnung, dass Leipzigs Verwaltung begriffen hätte, was zur Förderung des Radverkehrs eigentlich passieren müsste. Damals bekam zum Beispiel die Georg-Schumann-Straße endlich ihre Radstreifen. Doch kaum gab es wenig später lauten Gegenwind der Autolobby, rasteten sofort wieder die Bremsen ein. Die Fahrradstadt stagnierte fortan und bekam aus knallharten Gründen 2018 von den Leipzigern eine Note 4 verpasst im Fahrradklima-Test. Jetzt startet der neue Fahrradklima-Test. Und der ADFC ruft alle Radfahrer/-innen zum Mitmachen auf.

Wie sehen lebenswerte Städte und Gemeinden aus? Was bieten sie, damit sich Radfahrende mit unterschiedlichen Bedürfnissen und in allen Altersgruppen wohl und sicher fühlen? Bewerten können das nur die Radfahrenden selbst. Daher ruft der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) dazu auf, am Fahrradklima-Test teilzunehmen, der großen ADFC-Umfrage zum Radverkehr. Mitmachen kann jede Person, die Rad fährt, egal ob sie ADFC-Mitglied ist oder nicht.

Bewertet werden unterschiedliche Aspekte des Radfahrens, von der Wegequalität der Radwege bis zur Frage, ob Radfahren im alltäglichen Stadtverkehr eher Entspannung oder eher Stress ist. Insgesamt 32 Fragen umfasst der Fragebogen. Der Fahrradklima-Test ist die größte Befragung zum Radfahrklima weltweit und findet 2020 zum neunten Mal statt.

„Damit der ADFC ein realistisches Bild zum Radverkehr in Leipzig erhält, benötigen wir möglichst viele Personen, die am Fahrradklima-Test teilnehmen. Vor zwei Jahren haben sich in Leipzig fast 2.300 Menschen am Fahrradklima-Test beteiligt“, sagt Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen. Die Befragung soll eine Bestandsaufnahme zum Radverkehr in allen deutschen Städten ermöglichen und sowohl dem ADFC als auch der Politik vor Ort Feedback geben.

„Bei Verantwortlichen in der Kommunalpolitik und in den Stadtverwaltungen konnte die Untersuchung in der Vergangenheit immer wieder das Bewusstsein für den Radverkehr schärfen“, so Krause. „Wir hoffen, dass dieser Effekt auch nach dem Fahrradklima-Test 2020 eintritt.“

Viele Städte und Gemeinden haben in den letzten Jahren etwas für den Radverkehr getan. Ob sich die Bemühungen in der öffentlichen Wahrnehmung widerspiegeln, bringt der Fahrradklima-Test ans Licht. Die Ergebnisse sind der Gradmesser dafür, wie gut die Bedingungen zum Radfahren in einer Stadt sind. Je mehr Radfahrende ihre Stadt bewerten, desto besser lassen sich beispielsweise konkrete Aussagen darüber treffen, ob sich Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs positiv ausgewirkt haben oder Investitionen versackt sind.

Der Fahrradklima-Test ist die größte Umfrage zum Fahrradklima weltweit und wird seit 2012 in jedem zweiten Jahr durchgeführt. 2018 nahmen in Leipzig fast 2.300 Personen teil, deutschlandweit waren es rund 170.000. 74 % der Befragten nutzten täglich das Rad, allerdings waren nur 15 % von ihnen Mitglied im ADFC.

Gleichzeitig fuhren mehr als drei Viertel der Befragten regelmäßig sowohl Auto als auch Fahrrad und kennen damit beide Perspektiven. Das Fahrradklima, also die Wahrnehmung der Radverkehrsbedingungen hatte sich 2018 im Vergleich zur vorangegangenen Befragung bundesweit verschlechtert. Sachsenweit nahmen 2018 über 10.000 Befragte am Fahrradklima-Test teil und damit mehr als doppelt so viele wie noch zwei Jahre zuvor.

Schlechte Noten 2018

Beim letzten Fahrradklima-Test 2018 gaben 71 % der Leipziger an, sich beim Radfahren in der Stadt gefährdet zu fühlen. 92 % sahen den Fahrraddiebstahl in der Stadt als Problem, 83 % hatten regelmäßig Konflikte mit Autofahrenden, 82 % bemängelten die Führung an Baustellen und 88 % wünschten sich ein härteres Vorgehen gegen Falschparker. Nur 11 % empfanden die Breite der Radwege in der Stadt als fahrradfreundlich. Der diesjährige Fahrradklima-Test soll aufzeigen, ob sich die Situation in den letzten beiden Jahren verbessert hat.

Seit 2014 wurden die Fahrradkriterien in Leipzig kontinuierlich schlechter beurteilt. So bewerteten die Radfahrenden die Fahrradförderung in ihrer Stadt 2014 noch durchschnittlich mit der Schulnote 3,3, 2018 vergaben sie nur eine 4,0. Die Gesamtbewertung für Leipzig rutschte im gleichen Zeitraum von einer 3,61 auf eine 3,85 ab.

Wie funktioniert der Fahrradklima-Test?

Der Online-Fragebogen kann mit dem PC, dem Tablet oder auf dem Smartphone auf www.fahrradklima-test.de ausgefüllt werden. Auch der QR-Code auf Flyern und Plakaten leitet direkt zur Umfrage. Die 32 Fragen lassen sich in zehn Minuten beantworten. Falls eine Frage auf die eigene Gemeinde nicht zutrifft – etwa, weil es keine Einbahnstraßen oder Ampeln gibt –, kann man die Frage auch unbeantwortet lassen. Am Ende der Umfrage bietet der Fahrradklima-Test die Möglichkeit für Anmerkungen und Hinweise auf lokale Probleme. Diese konkreten Hinweise und Verbesserungsvorschläge leitet der ADFC nach Abschluss des Projekts an die zuständige Stadtverwaltung weiter.

Wer in mehreren Städten und Gemeinden mit dem Rad unterwegs ist und dort gute Ortskenntnisse besitzt, kann die Infrastruktur in mehr als nur einem Ort bewerten. Die Umfrage läuft vom 1. September bis zum 30. November 2020. Die Ergebnisse werden im Frühjahr 2021 präsentiert. Der ADFC-Fahrradklima-Test wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert.

Nur Note 4: 71 Prozent der Radfahrenden in Leipzig fühlen sich gefährdet

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Die neue Leipziger Zeitung Nr. 82: Große Anspannung und Bewegte Bürger

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