Noch hat die Sächsische Staatsregierung ihr Maßnahmenpaket zum Energie- und Klimaprogramm nicht vorgelegt. Aber allein schon für die notwendige Mobilitätswende braucht es deutlich mehr Einsatz für den ÖPNV. Aber gerade beim Thema Revitalisierung von stillgelegten Bahnstrecken tut sich die Staatsregierung schwer, kritisiert der Landtagsabgeordnete der Linken, Marco Böhme.

Im Reaktivierungsprogramm der Deutschen Bahn für stillgelegte Schienenstrecken ist bislang nämlich kein einziges Projekt in Sachsen vorgesehen.„Die Bedingungen sind derzeit sehr gut, um stillgelegte Schienenstrecken wiederzubeleben: Der Wunsch nach einem Wiederanschluss ans Netz der Deutschen Bahn besteht vielerorts und der Bund zahlt bis zu 90 Prozent der Kosten. Doch die Staatsregierung lässt diese Gelegenheit verstreichen und vertröstet die wartenden Kommunen“, kritisiert Marco Böhme, mobilitätspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag.

„Verkehrsminister Martin Dulig findet immer neue Ausreden, warum man die Strecken Pockau/Lengefeld–Marienberg, Narsdorf–Rochlitz oder Meißen–Döbeln nicht einfach reaktivieren könne, obwohl längst Potenzialstudien und Beschlüsse der Verkehrsverbünde zur Wiederinbetriebnahme vorliegen.“

Anfangs hatte Sachsens Regierung die Fördermittel des Bundes aufgrund von Fehldeutungen nicht beantragt, wie eine Kleine Anfrage von Marco Böhme zeigte: Das Herumgeeier von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zur Definition von Streckenreaktivierung hatte Sachsens Verkehrsministerium erst einmal gelähmt, während westliche Bundesländer einfach loslegten und sich die Gelder sicherten.

„Nun bremst die Staatsregierung die Deutsche Bahn, auch sächsische Schienenstrecken in ihr Reaktivierungsprogramm aufzunehmen“, stöhnt Böhme. „Statt weitere Untersuchungsergebnisse abzuwarten, sollte die Staatsregierung jetzt handeln und eine schnelle Reaktivierung vorantreiben.“

Andere Bundesländer wie etwa Baden-Württemberg würden es vormachen: 169 Streckenkilometer wurden seit 1994 wieder in Betrieb genommen, das dortige Verkehrsministerium kündigt eine weitere ,Reaktivierungsoffensive‘ an und übernimmt Planungs- und Betriebskosten, die nicht über Bundesmittel gedeckt werden.

„Der Freistaat Sachsen hingegen hat seit 1990 insgesamt 670 Streckenkilometer stillgelegt und seither lediglich 21 Kilometer für den Schienenpersonen- oder Schienengüterverkehr reaktiviert. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Koalition die dringend notwendige Verkehrswende verschleppt!“, sagt Böhme. „Anstatt Menschen ohne Schienenverkehrsanschluss immer wieder zu vertrösten, muss die Staatsregierung jetzt handeln und stillgelegte Bahnstrecken schnellstmöglich reaktivieren.

Wobei Marco Böhme in seiner Anfrage zu den Streckenstilllegungen auch den von der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen im Dezember 2017 vorgelegten Abschlussbericht zitierte. Darin heißt es unter anderem: „Für die langfristige Entwicklung von nachfragearmen Strecken fehlt oft ein verlässlicher Ausblick, ob der SPNV weiterbetrieben oder eingestellt werden soll. Bisher wurden Abbestellungen (in Sachsen etwa 25 % des historischen Liniennetzes von 1990) zumeist kurzfristig wegen fehlender Finanzmittel vorgenommen.“

Eine erhellende Aussage, die eben auch darauf verweist, dass den zuständigen Zweckverbünden immer wieder die benötigten Bundesgelder fehlten, um ein Linienangebot aufrechtzuerhalten. Wenn aber die Züge nicht mehr fahren, steigen die Menschen gerade in ländlichen Regionen gezwungenermaßen aufs Auto um – oder ziehen gleich in die Großstadt.

Oder mit den Worten der Linksfraktion: „Das damit einhergegangene Abhängen vor allem von ländlichen Regionen vom Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und insbesondere vom weitaus attraktiveren Schienenpersonenverkehr hat weitreichende negative Konsequenzen.“

Die Staatsregierung müsse jetzt also schleunigst handeln, so Böhme: „Das forderte die sächsische Linksfraktion bereits in einem Antrag zur Reaktivierung von Schienenstrecken (Drucksache 7/5778) – dieser wurde von der Regierungskoalition allerdings abgelehnt. Dabei ist die Reaktivierung stillgelegter Schienenstrecken ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag. Verkehrsminister Dulig muss hier endlich liefern und darf nicht länger die Verkehrswende in Sachsen verschleppen.“

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