Es gibt wenige Konzerne in Deutschland, die in den vergangenen Jahren ein derart intensives Greenwashing betrieben haben wie die Deutsche Post. Mit aufwendigen Kampagnen versucht sie, ihre Kunden davon zu Þberzeugen, dass das Versenden von Briefen und Paketen mit der Tochter DHL klimaneutral mÃķglich wÃĪre. Aber ein Mann aus Bad Homburg hat sich im Mai einfach mal die MÞhe gemacht, die Reiseroute einiger bestellter Technikteile zu verfolgen. Und da spielte der Flughafen Leipzig/Halle eine nicht ganz Þberraschende Rolle.

Die Greenwashing-Kampagnen der Post kennt eigentlich jeder. Da gibt es die MÃķglichkeit, Briefe mit „Go Green“ zu verschicken, da spielen die eingesetzten FahrrÃĪder „auf der letzten Meile“ eine zentrale Rolle.

Aber besonders medienwirksam war ja das Projekt einer eigenen Elektro-Lieferfahrzeug-Flotte: „Ein einmaliges Projekt mit Vorbildcharakter – DHL stellt seit Mitte 2016 die Paketzustellung in verschiedenen StÃĪdten auf Elektrofahrzeuge um. Insgesamt sind bundesweit bereits Þber 2.500 dieser Elektrofahrzeuge im Einsatz, die rund 7.500 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. StÃķrende Abgase, die die Feinstaubbelastungen nach oben treiben, gehÃķren mit den abgasfreien Elektrofahrzeugen der Vergangenheit an. Die innovativen und sauberen TransportlÃķsungen sorgen dafÞr, dass sich die LebensqualitÃĪt der Menschen verbessert“, bejubelte der Konzern diese Aktion.

7.500 Tonnen hÃķren sich nach richtig viel an. Aber in Wirklichkeit sind sie ein Witz. Die wirklich großen CO2-Emissionen produziert DHL nicht auf der letzten Meile, sondern in einem durch und durch fossilen Transportsystem, in dem das Frachtdrehkreuz Leipzig/Halle eine zentrale Rolle spielt.

So wie in der kleinen Bestellgutbeobachtung des etwas erstaunten Mannes aus Bad Homberg, der die Ergebnisse seiner Beobachtung auch gleich mal an die FluglÃĪrminitiativen in Leipzig schickte.

„Meine Frau hat kÞrzlich ein iPad und ZubehÃķr bestellt. Die Lieferung erfolgte in drei gleichzeitig aufgegebenen getrennten Sendungen aus Tschechien, wobei zwei mit DHL Express und eine mit UPS erfolgten“, schreibt er dazu.

„Anbei erhalten Sie die Dokumentation der Sendungsverfolgungen. AuffÃĪllig ist, dass DHL-Express spÃĪter lieferte als UPS. Aus den angegebenen Zeiten kann man schließen, dass UPS auf der Straße transportierte, wÃĪhrend DHL-Express zumindest von Leipzig nach Frankfurt das Flugzeug nutzte. Aufgrund des Transports vom Flughafen zur Zustellbasis dauerte der Transport lÃĪnger als ein Straßentransport von Leipzig direkt zur Zustellbasis gedauert hÃĪtte. Es ist zwar nur eine Episode, aber ich denke, man kann sie durchaus verallgemeinern. Lufttransport ist bei Entfernungen bis 500–600 km je Transportabschnitt nicht schneller als Straßentransport, aber viel umweltschÃĪdlicher.“

Die getrackten ReiseverlÃĪufe der drei Elektronikteile machen dann deutlich, wie irrwitzig das geworden ist, was heute einige Konzerne als Globalisierung verstehen. Der erste Irrsinn ist natÞrlich das Lieferzentrum in Tschechien, von wo sich die drei bestellten Teile auf unterschiedliche Wege machten. UPS fuhr sein Paket augenscheinlich direkt von Tschechien nach NÞrnberg, wo es in den frÞhen Morgenstunden weitergeleitet wurde – erst nach Frankfurt, wo es sechs Stunden spÃĪter eintraf, und von dort weiter nach Bad Homburg. FÞr den Abschnitt brauchte das Fahrzeug auch noch mal fÞnf Stunden. Alles augenscheinlich mit Lkw, was ja nicht wirklich klimafreundlich ist.

Aber DHL hat eine vÃķllig andere Route etabliert. Die beiden Teile aus Tschechien wurden erst einmal von Prag nach Leipzig transportiert, wo sie nach 22 Uhr sortiert wurden. Wie die Sendung nach Leipzig gekommen ist, verrÃĪt die Trackingspur nicht. Dass die Teile dann aber in den Morgenstunden von Leipzig nach Frankfurt geflogen wurde, ist nachlesbar. Und es macht sichtbar, wie DHL eigentlich tickt und warum sich der Konzern gegen eine EinschrÃĪnkung des Nachtflugbetriebs in Leipzig strÃĪubt.

Da hier auch die StartgebÞhren gering sind, ist der Flugtransport von DHL-Sendungen nicht schneller, aber deutlich billiger als der Lkw-Transport auf der Straße. Dass er auch noch umstÃĪndlicher, langwieriger und umweltschÃĪdigender ist, macht zumindest im Postkonzern niemandem wirklich Kopfzerbrechen.

Auch wenn man dort behauptet, emsig seine Umweltbilanz verbessern zu wollen.

Also zurÞck zu den 7.500 Tonnen, die man mit E-Lieferfahrzeugen jedes Jahr einspart.

Sie spielen eigentlich keine Rolle, auch wenn der Konzern 2011 eifrig verkÞndete: „Bis zum Jahr 2025 wollen wir unsere CO2-Effizienz um 50 Prozent gegenÞber 2007 verbessern. Das neue Ziel orientiert sich bereits am Ansatz der Science Based Targets Initiative.“

Das klingt hochwissenschaftlich, ganz so, als wÃĪren jetzt Þberall Ingenieure am Werk, die den Transportkonzern Þberall umweltfreundlicher machen und mit wissenschaftlicher GrÞndlichkeit die Luftschadstoffe minimieren.

Nichts davon ist passiert. Oder genauer: Das, was passiert ist, hat an der verheerenden Bilanz des Konzerns nichts verbessert.

Statista hat im MÃĪrz die neue CO2-Bilanz fÞr DHL verÃķffentlicht und kam zu dem Fazit: „Die Statistik zeigt die Entwicklung der CO2-Emissionen des Konzerns Deutsche Post DHL im Zeitraum von 2013 bis 2019 in Millionen Tonnen. Laut Unternehmensangaben wurden im Jahr 2019 knapp 29 Millionen Tonnen CO2 durch den Konzern Deutsche Post DHL emittiert.

2013 kam der DHL-Konzern auf 28,31 Millionen Tonnen. Der Tiefstwert wurde 2016 mit 26,86 Millionen Tonnen erreicht, 2018 wurde dafÞr wieder 29,48 Millionen Tonnen emittiert. Wenn wir allein die 28,95 Millionen Tonnen von 2019 nehmen, verschwinden die eingesparten 7.500 Tonnen geradezu. Es sind gerade einmal 0,025 Prozent der tatsÃĪchlichen Emissionen, zu denen die Kerosinbetankung der DHL-Frachtflieger garantiert den LÃķwenanteil beisteuern.

In der Umweltbilanz fÞr 2019 schwÃĪrmte die Post von einer schon erreichten 30prozentigen „Effizienzsteigerung“ gegenÞber 2007.

Aber gegenÞber 2011 hat man eigentlich keinen Fortschritt erreicht: Damals verursachte DHL auch schon 28,2 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Die einzigen Verbesserungen sind fÞr die Jahre 2007 bis 2010 auszumachen, wo die CO2-Emissionen von 31,26 auf 28,4 Millionen Tonnen gesenkt werden konnten – vor allem durch Effizienzgewinne bei eigenen GebÃĪuden und Fahrzeugen. An den wirklich fetten Brocken Frachtflug aber wagte man sich nicht wirklich.

Anteile der unterschiedlichen Quellen an der CO2-Bilanz von DHL. Grafik: DHL, Nachhaltigkeitsbericht 2019
Anteile der unterschiedlichen Quellen an der CO2-Bilanz von DHL. Grafik: DHL, Nachhaltigkeitsbericht 2019

„86 % der von uns und unseren Transportpartnern verursachten Treibhausgasemissionen entfallen auf den Transport in der Luft und auf der Straße“, stellte DHL in seinem „Nachhaltigkeitsbericht 2019“ fest.

Wer dann genauer nachschaut, liest, dass gerade das in Leipzig stationierte Epressgut-GeschÃĪft 2019 mehr CO2-Emissionen verursachte: „Scope-1-Emissionen stiegen um 1 % auf 6,38 Mio. t CO2e (2018: 6,30 Mio. t CO2e). Vor allem der Zuwachs im LuftfrachtgeschÃĪft des Unternehmensbereich Express trug zu dieser Entwicklung bei.“

Insgesamt trÃĪgt die Luftfracht zu 65 Prozent zur CO2-Bilanz von DHL bei.

Das heißt: Solange DHL am FrachtfluggeschÃĪft festhÃĪlt und auch die Express-FlÞge weiter ausbauen will, machen alle SchÃķnheitskorrekturen auf der letzten Meile keinen Sinn. Im Gegenteil: Es bleibt ein klimaschÃĪdliches GeschÃĪftsmodell. Und wer seine Elektronik bei einem Online-Versender bestellt, muss damit rechnen, dass die kleinen Teile auf ihrem Weg durch die Nacht eine enorme (zusÃĪtzliche) CO2-Fracht erzeugen.

Warum freilich Elektronik derart „express“ geliefert werden muss, erschließt sich nicht wirklich. Aber es lebt vom GefÞhl beim Besteller, dass er alles gleich bestellen und morgen sofort geliefert bekommen kann. Was da unterwegs passiert, sieht er ja nicht. Und die Lieferrechnung zeigt es auch nicht.

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