Wie zäh die Prozesse in einer Verwaltung ablaufen, bis sie überhaupt zu Erkenntnissen reifen und aus den Erkenntnissen auch Taten folgen, das zeigt der mühsame Werdegang der Entwicklung des Clusters Medien- und Kreativwirtschaft. Doch 2013 soll es, nach dem Beschluss des Stadtrates im Dezember, endlich auch eine eigene Stelle dafür in der Leipziger Wirtschaftsförderung geben.

Schon im Juni 2009 beschloss der Stadtrat auf Antrag der Grünen-Fraktion eine qualifizierte Fortschreibung der Leipziger Clusterstrategie, welche dann 2011 erfolgte. Mit der Clusterstrategie als zentraler Strategie der Wirtschaftsförderung soll die Vernetzung zwischen den Betrieben einer Branche (Cluster) gefördert werden, um durch den verstärkten Austausch die Bedingungen für Wachstum und Beschäftigung zu verbessern.

Am 17. Dezember nun beschloss der Stadtrat die Schaffung von zwei zusätzlichen Personalstellen ab dem Haushaltsjahr 2013 für die Cluster Energie & Umwelttechnik, Automobil- & Zulieferindustrie und Medien & Kreativwirtschaft. Gemeinsam mit der Linksfraktion beantragten die Grünen eine Stelle für das Kreativwirtschafts-Cluster, weil ihnen durch die Kleinteiligkeit in dieser aufstrebenden Branche eine personalintensive Begleitung durch die Verwaltung unabdingbar scheint.

Die Kleinteiligkeit ist nichts Neues. Sie ist sogar ein Grundkriterium der Branche, die eigentlich das Bild der Leipziger Wirtschaft wesentlich prägt. Doch wie fördert man etwas, was derart kleinteilig ist? Für die großen, starken Unternehmen etwa in der Automotiv-Branche sind selbst die Förderinstrumente leicht zu bedienen. Da ist Geld, das wird in Werkhallen und Produktionsstrecken investiert. Damit können sogar Banker umgehen.

Aber wie bunt und vielfältig all das ist, was Medien- und Kreativwirtschaft in Leipzig ausmacht, das konnte 2009/2010 auch der Lehrstuhl für Marketingmanagement der Handelshochschule Leipzig (HHL) unter Federführung von Prof. Manfred Kirchgeorg wieder zeigen, als er die Zuarbeit für die Überarbeitung der Clusterstrategie der Stadt Leipzig lieferte.
Auf ein Grundproblem wiesen dann 2011 die Autoren der Studie “Medien- und Kreativstandort Leipzig” hin: die immer wieder unterschiedlichen Zuordnungen bestimmter Teilbereiche zum Cluster. Was gehört dazu? Was nicht?

Das HHL-Gutachten nannte 2010 für die Stadt Leipzig 4.362 Unternehmen und 22.313 sv-pflichtig Beschäftigte (Stand 2008), die dem Cluster Medien- und Kreativwirtschaft zugerechnet werden. Damit ist die Medien- und Kreativwirtschaft nach Zahl der Unternehmen sogar das größte Cluster in Leipzig, nach Zahl der Beschäftigten rangiert es auf Platz 2 hinter dem Cluster Gesundheitswirtschaft & Biotechnologie.

Zwischen 2005 und 2008 wuchs die Zahl der Unternehmen im Bereich Medien- & Kreativwirtschaft von 3.483 auf 4.362, die Zahl der sv-pflichtig Beschäftigten von 19.612 auf 22.313. Und das im Prinzip ohne Förderung und ohne städtische Strategie. Dabei leiden die meisten unter einem Grundproblem der deutschen Förderkulisse – sie sind zu kleinteilig. Damit können weder Banker noch Förderinstitute wirklich umgehen.

Die Studie der Universität von 2011 mündet zum Beispiel in dem Satz: “Als ein wichtiges, auch zahlenmäßig identifizierbares Feld der Kritik stellt sich eine tatsächlich oder vermeintliche fehlende oder zu geringe Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) heraus. Diese Kritik wird in der Regel ohne konkreten Bezug zur Medien- und Kreativwirtschaft, sondern branchenübergreifend, vorgebracht.”

Das Problem ist also ein Generelles. In der kleinteiligen Kreativbranche wirkt es sich nur flächendeckender aus. Spezielle Förderinstrumente für die Kreativwirtschaft fehlten 2011 natürlich so komplett wie 2012. Zum selben Ergebnis war schon 2010 eine Analyse des Leibniz-Instituts für Länderkunde gekommen, das von der Stadtverwaltung dazu im Vorfeld des EU-Projektes “Creative Cities” beauftragt worden war: “Die Kreativwirtschaft wurde von der gewählten Stadtregierung bisher noch nicht als ein strategisches Handlungsfeld festgelegt. Betrachtet man die (faktische) positive Entwicklung des Wirtschaftszweiges im Rahmen der langen Tradition des kulturellen Profils der Stadt, so sind integrative öffentlich-private Partnerschaftsstrategien und eine kohärente Stadt- und Wirtschaftspolitik mit diesem Handlungsfeld bis dato kaum vorhanden.”

Das Leibniz-Institut ging auch explizit darauf ein, welche tragende Rolle die Kreativwirtschaft tatsächlich in Geschichte und Selbstdefinition der Stadt Leipzig spielt. Aber auch auf die Rolle, die die Kreativen bei der Wieder-Gewinnung städtischen Raumes spielen. Nur ein funktionierendes Cluster gab es bis jetzt noch nicht, keine zentralen Strukturen, an denen sich Gestaltungsprozesse andocken können.

“Selbstverständlich gehört es zu einer nachhaltigen Clusterförderung, alle Leipziger Cluster im Blick zu behalten. Schwerpunkt für mich sind allerdings Medien & Kreativwirtschaft. Gerade hier, wo Kunst und Kultur als Wirtschaftsfaktor wirken, sehe ich die Identität unserer Stadt. Immerhin arbeiten mittlerweile rund 30.000 Leipziger in diesem Bereich und man kann ohne Übertreibung vom dynamischsten Wirtschaftszweig in Leipzig sprechen”, erklärt Ansgar Maria König, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion.

Das Dezernat Wirtschaft und Arbeit ist jetzt beauftragt, den Stellenplan sinnvoll zu gestalten. Noch im Januar soll es dazu eine Information im Wirtschaftsausschuss geben. König: “Wir setzen große Hoffnung in die Weiterentwicklung des Clusters und hoffen auf qualifizierte Bewerber!”

Die Cluster-Studie der Uni Leipzig von 2011:
www.leipzig.de/imperia/md/content/80_wirtschaftsfoerderung/10_cl_medien-kreativ/medien-kreativstudie_2010-11_bericht.pdf

Die Analyse des Leibniz-Instituts für Länderkunde von 2010:
www.leipzig.de/imperia/md/content/01-4_ref_europ_int_zusammenarbeit/SWOT-Analyse-Kreativwirtschaft-in-Leipzig-deutsch_101231.pdf

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