Es ist für behinderte Bürger ein großer Unterschied, ob eine Seite im Netz "barrierearm" oder "barrierefrei" daherkommt. Im Falle einer offiziellen Informationsseite der Stadt Leipzig sollte man jedoch die vollständige Gewährleistung von Barrierefreiheit erwarten dürfen - richtet sich das offizielle Informationsangebot einer Kommune schließlich wörtlich an alle Bürger. Also auch an eben jene, die in Konrad Riedel (CDU) stets einen wortgewaltigen Verfechter ihrer Interessen haben.

Nach dem Netzauftritt der LVB und den Treppen am neuen Citytunnel hat Riedel nun die fehlende Barrierefreiheit der Seite leipzig.de im Visier. Doch zuerst der Gesetzgeber. Dieser sieht für öffentliche Einrichtungen und Kommunen Anforderungen bei der Barrierefreiheit vor, welche 2011 in Kraft traten und ab dem 23. September 2012 einzurichten sind. Zusammengefasst sind diese Vorgaben in der “Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung”, kurz BITV 2.0 und einem Ergänzungsblatt. Ziel laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales: “Die BITV 2.0 soll gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen die Informationen aller öffentlichen Internetauftritte und -angebote der Einrichtungen der Bundesverwaltung grundsätzlich uneingeschränkt nutzen können. Sie trägt der Umsetzung des Artikels 9 der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung, der fordert, dass Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien haben müssen.”

Insbesondere auf Seh- und Lernschwache sowie Blinde sei dabei Rücksicht zu nehmen, von vorlesbaren Texten bis hin zu anderen eigen wählbaren Farbabstimmungen reicht die Leistungspalette einer barrierefreien Seite. (gesamte Anforderung siehe Links)

Eben dies sieht nun Konrad Riedel (CDU) bei der seit gestern im Netz befindlichen neuen leipzg.de nicht gewährleistet. Mehr noch, für ihn ist nun “Das Maß voll! Nach jahrelanger Vorbereitung ist der Internetauftritt der Stadt Leipzig im Netz. Doch entgegen der ausdrücklichen Forderung des stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Konrad Riedel, wird keine barrierefreie Version angeboten. Lediglich der Wechsel zu drei verschiedenen Schriftgrößen ist möglich”, verweist Riedel auf seine frühe Einbringung der grundlegenden Anforderungen.
Riedel weiter: “Von der Farbauswahl von Hintergrund und Schriften bis hin zur Menüführung erfüllt der Internetauftritt nicht die geringsten Bedingungen der `Barrierefreiheit`.” Als der neue Auftritt geplant worden sei, habe ihm selbst Bürgermeister Müller auf Nachfrage versichert, dass bezüglich Barrierefreiheit alles berücksichtigt würde. Mehr noch: “Außerdem würde die Verwaltung die Seiten auch durch die Zertifizierungsstelle der Blindenbücherei bestätigen lassen. Gleichlautende Forderungen gab es auch vom Behindertenbeirat der Stadt”, so Riedel weiter.

Erfahrungen mit den nachträglichen Aufwendungen hat der Leipziger Stadtrat bereits gemacht. Unter der fachkundigen Mithilfe der Blindenverbandesvorsitzenden Christiane Mertens (ehem. Kohl) und ihm selbst, sei auch die neue Internetseite der LVB nachträglich nachgerüstet worden. Riedel zum neuen Einsatzgebiet leipzig.de wider Willen: “Um eben dies zu vermeiden, war frühzeitig darauf hingewiesen worden – doch die Verwaltung sicherte nur zum Schein die Realisierung zu. Solch permanent diskriminierendes Handeln der Stadtverwaltung Leipzig gegenüber behinderten Bürgern kann nicht länger hingenommen werden.”

L-IZ.de hat die Stadt angefragt, wie sie zu den Vorwürfen seitens des CDU-Stadtrates steht. Eine Antwort steht noch aus. In der gestern zum Neustart der Seite versandten Mitteilung heißt es: “Bei der Entwicklung wurde auf möglichst große Barrierearmut geachtet. Bei Kontrast, Design, Nutzerführung und technischer Umsetzung wurden die Anforderungen der “Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung” (BITV) beachtet.”

Zur Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
www.bmas.de/DE/Themen/Teilhabe-behinderter-Menschen/Meldungen/bitv-2.0.html

Hier kann man Barrierefreiheit testen lassen
http://testen.bitv-test.de/index.php?

Zum Artikel vom 1. Oktober 2013 auf L-IZ.de
Barrierearm: Stadt sieht leipzig.de gut im Rennen

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