Seit Anfang April ist die Geschäftsführung der Leipziger Stadtholding LVV (Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft) wieder komplett. Dr. Norbert Menke wurde Nachfolger von Josef Rahmen, der sich mit einem Brief herzlich in den Ruhestand verabschiedete. Und Volkmar Müller wechselte endgültig von den Wasserwerken Leipzig in die Position des Arbeitsdirektors der LVV.

Am Freitag, 4. April, stellten sich beide gemeinsam erstmals der Presse zum Gespräch. Es ist zwar, wie Menke betont, ein spannender Job, der Bewerber aus der Branche aus ganz Deutschland anzieht. “Da bewirbt man sich auch mehrmals”, sagt Menke, der seit 2006 bei der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH als Geschäftsführer tätig war und dort ein ähnliches Konstrukt zu beackern hatte: die gesamte Daseinsvorsorge einer Stadt unter einem Dach vereinigt. Vorher war er in Dresden tätig, so kennt der geborene Westfale auch die sächsische Mentalität schon ein wenig. Und auch den Unterschied zwischen der eher phlegmatischen Residenzstadt und der “wesentlich volatileren Handelsstadt Leipzig”. Hier gehen die Veränderungen schneller vor sich. Im guten wie im kritischen Sinn.

Da kam er mitten hinein in die wohl kritischste Phase der LVV. Sie hat sich zwar unter Josef Rahmen und Detlef Kruse stabilisiert, hat auch den Umbau zu einer Managementholding begonnen, aber seit 2011 hängt das Damoklesschwert nicht nur über dem Tochterunternehmen Wasserwerke Leipzig (KWL) – sondern schon auf Grund der Größenordnung über der LVV. Damals flogen die CDO-Deals des damaligen KWL-Geschäftsführers Klaus Heininger auf, die seither die Gerichte beschäftigen. Heininger und seine Mitstreiter sind zwar mittlerweile verurteilt.

Aber völlig offen ist, wo die Gerichte die Verantwortung der Banken sehen werden, die Heininger & Co. die CDO- und CDS-Transaktionen überhaupt erst ermöglichten. Man verschiebt nicht einfach mal Risiken im Wert von 290 Millionen Euro, ohne dass Banken mit am Tisch sitzen. Und die beteiligten Banken hätten – so sieht es die LVV und so sieht es auch OBM Burkhard Jung – wissen müssen, dass kommunale Unternehmen in Deutschland solche Deals gar nicht eingehen dürfen. Schon gar nicht ohne Informationen der Aufsichtsgremien und Gesellschafter.

Das sah das Landgericht Leipzig im vergangenen Jahr anders und entschied gegen die Wasserwerke und für die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die für einen Teil der vermittelten Papiere zuständig war. Der größere Batzen wurde von der Schweizer Großbank UBS vermittelt. Der Prozess UBS versus KWL beginnt am 24. April in London. Am 29. April soll es das Opening Statement geben. Für Ende Mai rechnet Volkmar Müller mit einem Ergebnis. Menke sieht dem Prozess optimistisch entgegen. Gerade weil sich das Londoner Gericht wesentlich intensiver mit den Unterlagen beschäftigt habe als das in Leipzig.

Auch die Kausa KWL versus LBBW ist nicht beendet. Die KWL sind in Revision gegangen und das Oberlandesgericht in Dresden hat die Neuverhandlung zugelassen. Auch in Dresden ist in den nächsten Wochen mit einer neuen Entscheidung zu rechnen. “Wir gehen da mit Zuversicht rein”, sagt Müller. Auch wenn er zugeben muss, das die Entscheidung des Leipziger Landgerichts von 2013 mehr war als eine kalte Dusche. Bis dahin hatte auch die LVV keine Notwendigkeit gesehen, extra Rücklagen zu bilden für einen negativen Ausgang der Prozesse. Dazu sah der Fall zu eindeutig aus. Und mittlerweile sei ja Klaus Heininger auch wegen Untreue verurteilt. Was ja, so Müller, auch deutlich zeige: “Solche Geschäfte macht man nur unter Zuhilfenahme von immenser krimineller Energie.”2013 hat die LVV dann doch lieber eine erste Rücklage in Höhe von 80 Millionen Euro angelegt, um zumindest die drohenden Risiken aus dem LBBW-Prozess abzusichern.

Ganz ohne Sicherung ist die Stadtholding auch zuvor nicht in die Verhandlungen gegangen: Die Stadt Leipzig steht mit 290 Millionen Euro zur Seite, wenn die Gerichte wider alle Erwartungen doch gegen die Wasserwerke Leipzig entscheiden. Wenn wirklich alles schief geht, beträgt das summierte Risiko derzeit rund 400 Millionen Euro.

“Wenn es so kommt”, sagt Müller, “werden wir alle Investitionspläne auf den Prüfstand stellen müssen. Das haben wir bisher wohlweislich nicht getan.” Denn wer sich die Infrastrukturen der Stadt genauer anschaue, würde ja sehen, dass viele Investitionen drängen. Bei den Wasserwerken ist es das überalterte Kanalnetz, das in den letzten Jahren schon stückweise saniert wurde. Bei den Stadtwerken mussten die Turbinen der GuD-Anlage in der Eutritzscher Straße erneuert werden. Und bei den LVB sieht jeder Passagier, dass der Ersatz der alten Tatra-Bahnen überfällig ist.

Und nicht nur dafür braucht die LVV eigentlich richtig viel Geld. Auf der Tagesordnung steht auch der mögliche Verkauf der VNG-Anteile der Stadt Erfurt. Die LVV hat für die Stadt Leipzig schon einmal ihre Option auf das Vorkaufsrecht geltend gemacht. Augenblicklich habe man sich auf einen Gutachter verständigt, sagt Müller.

Aber nachdem die EWE ihre VNG-Anteile an Wintershall verkauft hat und Wintershall nun der Mehrheitseigner der in Leipzig ansässigen VNG sei, habe sich auch die Stimmung innerhalb der VUB gedreht, sagt Menke. Die VNG Verbundnetz Gas Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft m.b.H. (VUB) vereinigt die Anteile der zehn Kommunen, die an der VNG beteiligt sind mit einer Sperrminorität von 25,79 Prozent. Damit können sie wichtige strategische Entscheidungen beeinflussen – etwa die Wahl des Unternehmenssitzes. Ob Dresden am geplanten Verkauf seiner Anteile festhalte, das wäre so zwangsläufig nicht mehr, sagt Menke.

Wenn Erfurt dabei bleibe, würde die LVV auf jeden Fall das Geld haben, um die Anteile zu übernehmen. Erfurt hält 4,21 Prozent der Anteile an der VNG. Aber der bislang kolportierte Wert von 80 Millionen Euro sei wohl deutlich zu hoch, meint Volkmar Müller.

Etwas finanzielle Luft geschaffen hat sich die LVV im Dezember 2013 durch den Abschluss eines neuen Konsortialvertrages über seine Kredite von 255 Millionen Euro. Das neue Konsortium unter Leitung der Sparkasse Leipzig und der Norddeutschen Landesbank böte deutlich bessere Konditionen als im alten Konsortialvertrag. Wie sich das auswirke, werde man dann im Geschäftsbericht lesen. Zahlen will Volkmar Müller noch nicht verraten.

Und ein anderes Projekt des Geldsparens steckt praktisch noch in der Aufwärmphase: 10 Millionen Euro Einsparpotenzial sollen ja im Gesamtverbund der Kommunalunternehmen erschlossen werden. Das wird auch zum Teil über Zusammenlegungen von Arbeitsbereichen und Einsparung von Personal vonstatten gehen. “Sozialverträglich”, sagt Müller. Wessen Arbeitsfeld “eingespart” werde, der könne auch innerhalb der LVV wechseln. “Wir haben jetzt ganz aktuell einen internen Arbeitsmarkt eingerichtet”, sagt Müller. Da würden alle freien Stellen aus der LVV und ihren Tochterunternehmen angeboten.

56 Maßnahmen hätte man insgesamt definiert, um die finanziellen Spielräume innerhalb der LVV-Gruppe zu erschließen. Abgeschlossen werden soll das Umbauprojekt 2015. Dann könne man auch beziffern, ob man das Ziel 10 Millionen Euro erreicht habe – oder gar noch mehr. “Denn wir sehen da durchaus noch einiges an Pfeffer”, sagt Müller.

Das Geschäftsergebnis für 2013 will freilich auch Norbert Menke noch nicht verraten. Es soll aber in der selben Dimension liegen wie das von 2012. Also ein schönes Plus – mit dem Damoklesschwert namens KWL-Prozesse darüber.

www.lvv.de

www.vub-online.de

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