Das Wintersemester hat begonnen. Wieder sieht man junge Leute mit allerlei befüllten Jute-Beuteln durch die Straßen der Innenstadt flanieren. Jute statt Plastik - der Student von heute lebt bewusster, nicht nur was die Mode betrifft. Doch stimmt das wirklich? Reicht das Bewusstsein und das Engagement für Nachhaltigkeit über die Gabe kostenfreier Werbemittel hinaus?

Die Studierendenorganisation oikos Leipzig e.V., die sich im Frühjahr 2012 an der Universität Leipzig gegründet hat, ist angetreten, um auf die Idee der Nachhaltigkeit im universitären Raum und darüber hinaus nachhaltig aufmerksam zu machen und diese tiefer in der Lehre zu verankern.

“oikos ist eine internationale Studierendenorganisation, die sich für die Förderung einer nachhaltigen Gesellschaft im Spannungsfeld zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem einsetzt. Insbesondere soll das Bewusstsein der Studierenden, Wissenschaftler und Unternehmen für Themen der Nachhaltigkeit gestärkt werden”, heißt es auf der Website. Der Verein, der eine Lokalgruppe des internationalen Netzwerks darstellt, hat vier Vorstände, die sich um die wichtigsten Angelegenheiten kümmern. Oikos ist basisdemokratisch organisiert, so dass jedes der 40 Mitglieder sowohl ein Stimm- als auch ein Vetorecht hat.

Was Nachhaltigkeit in diesem Kontext genau bedeuten soll erklärt Jan Hackforth, Gründungsmitglied des Vereins, wie folgt: “Die Wirtschaft sowie soziale Systeme haben als Grundlage die Ökologie. Wenn die Grenzen dieser Grundlage ausgereizt werden, entstehen Problemlagen, die auf alle anderen Systeme zurückwirken.” Deshalb sei es wichtig, so der Student der Wirtschaftswissenschaften, dass durch den Ansatz der sogenannten starken Nachhaltigkeit diesen möglichen Problemen wie beispielsweise dem Klimawandel entgegengetreten werden kann.

Im Verein sind allerdings nicht nur Studierende der Wirtschaftswissenschaften vertreten. Die momentan 40 Mitglieder haben es sich zum Ziel gesetzt, möglichst viele verschiedene Wissenschaftszweige in ihrer Organisation zu versammeln. Mathilda Reinicke, Vorstandsmitglied und Studentin der Psychologie, beurteilt die interdisziplinäre Ausrichtung von oikos als große Bereicherung. “Die Vielfalt der Meinungen macht es gerade spannend. Auch weil durch die Interdisziplinarität viele Stimmen eingebracht werden und verschiedene Ansätze auftreten. Wir versuchen ein plurales Denken zu verfolgen und zu schauen, was es für andere Möglichkeiten geben könnte. Das zeugt auch von einer gewissen Lebendigkeit.” Der Grundkonsens, dass sich etwas ändern muss, ist dabei der Ausgangspunkt.
Warum sich die Ökonomie heute so selten mit der Ökologie vereinbaren lässt, liegt in dem Umstand beschlossen, dass Effekte, die sich auf die Umwelt auswirken teilweise nicht in den Marktmenachismus eingebaut sind, so Hackforth. “Bei der Produktion von Energie wurde lange Zeit keine Rücksicht auf das Entstehen von CO2 genommen. Die natürlichen Ressourcen werden dadurch übermäßig strapaziert. Mittlerweile wird in einigen Teilen der Welt versucht, diese Umweltkosten über ein CO2-Zertifikate-System zu berücksichtigen”, fügt Hackforth als Beispiel an.

Ob nachhaltiges Wirtschaften im Kapitalismus überhaupt möglich ist, dazu hat oikos keinen klaren Standpunkt. “Es gibt in der Nachhaltigkeitsdebatte viele verschiedene Strömungen”, erklärt Reinicke. Sehen die einen das Geld als Quelle allen Übels an, so ist das sogenannte Greengrowth darauf ausgerichtet, ein ökologisch nachhaltiges Wachstum herzustellen. In Hinsicht auf das entfesselte Wachstum, sind sich dann aber alle einig, dass “der Ressourcenverbrauch zu hoch ist. Deshalb darf Wachstum nicht mehr zentraler Indikator sein und nicht seinem Selbstzweck dienen.”

Hackforth fügt hinzu, dass Nachhaltigkeit und Degrowth, so der Begriff unter dem auch die im September an der Universität Leipzig abgehaltene Tagung stand, nicht das Gleiche sind. “Degrowth ist eine Perspektive auf Nachhaltigkeit, welche aus dem Dreiklang von Sozialem, Ökonomischem und Ökologischem besteht. Auf der Grundlage dieses Spannungsfeldes ist es notwendig Leute aus verschiedenen Fachbereichen zu haben, um Lösungen zu finden, da das Problem mehrdimensional ist,” kontert Reinicke die Kritik, in der Postwachstumsbewegung sei die Betonung der Pluralität kein Gewinn sondern ein Zeichen des eigenen Scheiterns. Reinicke hebt weiter hervor, dass “Wachstumskritik nicht ausschließlich Inhalt von oikos ist. Wir sind nicht per se für Schrumpfung. Auch die Bildung ist auf diesem Gebiet ungemein wichtig. Wenn Menschen gewisse Verhaltensweisen als selbstverständlich hinnehmen, weil sie damit aufgewachsen sind, kann sich nichts verändern. Deswegen ist Bildung der wichtigste Ansatzpunkt, den wir mit unserer Arbeit verfolgen wollen.” Das Kernziel von oikos ist demnach die universitäre Lehre und der Versuch, auf diese Einfluss zu nehmen.

Erste Erfolge sind bei den Wirtschaftswissenschaften zu verzeichnen. Dort bietet der Arbeitskreis Plurale Ökonomik einen Lesezirkel für interessierte Studenten an, welche sich abseits der Lehren des Mainstreams bilden möchten. Ebenso setzt sich oikos für mehr Interdisziplinarität ein. “Zu einer nachhaltigen Universität gehört mehr als Mülltrennung und gute Gebäudedemmung”, erklärt Hackforth. “Die Lehre müsste interdisziplinärer aufgestellt sein.”

Um diesem Ansinnen gerecht zu werden, gibt es Infoveranstaltungen und Lesezirkel. Einmal im Semester gibt es ein Strategiewochenende, zu dem auch Nicht-Mitglieder herzlich willkommen sind Alle zwei Wochen gibt es unter dem Motto “oikos dippt” ein Buffet. Beim Essen werden dann verschiedene Themen in verschieden Formaten bearbeitet. Apropos Essen: seit anderthalb Jahren veranstaltet oikos das Running Dinner “Auf Haxe”. Jeder der Lust hat, mit fremdem Menschen beim Dinieren ins Gespräch zu kommen, kann sich anmelden und wird dann per Zufallsprinzip anderen Interessenten zugelost. Getroffen wird sich in drei verschiedenen Wohnungen (eine davon ist die eigene), in denen dann drei Gänge verspeist werden. Am Ende gibt es eine Party.

Auch über den universitären Rahmen hinaus ist oikos aktiv. oikos Leipzig ist Teil der von der Stadt Leipzig ins Leben gerufenen Steuerungsgruppe FairTrade-Town und unterstützt damit die Bewerbung der Stadt zur “Hauptstadt des Fairen Handels 2015”. Im Rahmen dieser Bewerbung organisiert oikos im Wintersemester (03. November – 01. Dezember 2014) eine Veranstaltungsreihe zu Fair Trade an der Universität.

Einen Preis hat oikos auch schon bekommen. Am 27. Mai wurde zum 15. Mal der Leipziger Agenda 21-Preis verliehen. Damit wurde das besondere Engagement für eine zukunftsfähige Entwicklung der Stadt Leipzig gewürdigt. Oikos gewann den Preis in der Kategorie Initiativen und Unternehmen. Und mit der “Heldenküche” (http://heldenküche.net/) ist auch schon ein erstes, noch junges Sozialunternehmen aus oikos Leipzig entsprungen, mit dem Ziel, das Gelernte in die Praxis umzusetzen.

http://detektor.fm/wirtschaft/gute-nachrichten-die-heldenkueche-ein-sozialunternehmen-geht-an-den-start

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